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Transkript. Die Arbeit „listen hear listen“ (2017) von Christine Sun Kim.
© Christine Sun Kim

Ausstellung in der ifa-Galerie: Akkordeon im Amazonas

Postkoloniale Erregungen: Die Berliner ifa-Galerie zeigt die Gruppenausstellung „For the Record“, in der durch Musik koloniale Verhältnisse befragt werden sollen.

Der Eintritt in die ifa-Galerie ist wie ein Sprung in ein wogendes Meer der Musik. Drone-Klänge zerfließen zwischen Jazzmelodien. An den Wänden locken Plattenspieler mit angeschlossenen Kopfhörern, jeder eine kleine Insel. Hier kann man abtauchen in Alben des südafrikanischen Trompeters Mandla Mlangeni, der vierköpfigen Funk-Band Chicano Batman und einiger anderer Interpreten.

Gastkuratorin Bhavisha Panchia verbindet in ihrer Schau „For the Record“ dieses akustische Angebot mit einem Arrangement von Aquarellen, Soundarbeiten und Videoinstallationen. Die 35-Jährige will so „Musik als diskursiven Raum“ etablieren, in ihm die „fortdauernden kolonialen, imperialen und kolonialistischen Bedingungen“ artikulieren, gar die „Welt als Ganzes“ wahrnehmbar machen.

Dieser an Homi Bhabha und Gayatri Chakravorty Spivak geschulte Anspruch gehört längst zum vertrauten Duktus einer jungen postkolonialen Kuratorengeneration, die ins Zentrum des Kunstbetriebs treibt. Ob die aktuelle Berlin-Biennale oder die ifa-Galerie seit Übernahme der Leitung 2017 durch Alya Sebti: Es geht um die Befragung der veralteten kolonialen Verhältnisse mit neuen Mitteln, um die Verbindung von Interdisziplinarität, Ästhetik und politischer Haltung. Der revolutionäre Anspruch erstarrt allerdings in postkolonialen Floskeln.

Viel Ironie, wenig Erkenntnis

Die Werke der Schau sind allzu vernarrt ins halbironische, doch auch ganz und gar hermetische Spiel der Symbole, um etwas Bedeutungsvolles über ihr Sujet preiszugeben oder den Besucher zu berühren. Der mexikanische Künstler Julio César Morales beispielsweise verarbeitet in der Aquarell-Serie „undocumented interventions“ den Flüchtlingsdiskurs, indem er Verstecke von „Illegalen“ vom Alltäglichen bis Fantastischen imaginiert. Manche verbergen sich in Waschmaschinen, andere in Patrick, dem Seestern aus dem Zeichentrick-Hit „Spongebob Schwammkopf“. In einer Videoinstallation von Morales treibt sinnbildhaft für die „mythologische Reise der Cumbria-Musik“ minutenlang ein Akkordeon durch den Amazonas.

Soundkünstlerin Geraldine Juárez hingegen übersetzt den Hochfrequenz-Handel der Finanzmärkte in verstörende Tonspuren. Was die als „Abstraktion des Welthandels“ gepriesene Arbeit zum Diskurs über die Wölfe von der Wall Street oder den Zusammenhang von Kapitalismus und Kolonialismus beitragen möchte, bleibt eins der vielen Mysterien dieser Schau.

ifa-Galerie, Linienstr. 139/140, bis 2. 9.; Di bis So 12 – 18 Uhr.

Giacomo Maihofer

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