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Gesund leben: "Leidet der Körper, leidet die Psyche"

Warum Physis und Psyche unzertrennlich sind - und auch so behandelt werden sollten, erklärt Chefarzt Martin Heinze

Der Körper und die Psyche des Menschen werden in der Medizin häufig noch streng getrennt voneinander betrachtet. Aber nicht zuletzt der Begriff der psychosomatischen Medizin lässt vermuten, dass Psychisches und Somatisches, also Organisches, doch zusammenhängen.

Tatsächlich wird der Mensch noch immer oft in zwei Teile geteilt - Körper und Psyche. Doch er ist ein Ganzes, und die Wechselbeziehung ist eigentlich jedem Menschen intuitiv klar: In einer Stresssituation bei der Arbeit schlägt das Herz plötzlich schneller. Bei seelischen Belastungen, ob positiv oder negativ, reagiert auch der Körper mit Stress und schüttet das Hormon Cortisol aus, das den Blutdruck steigen lässt. Noradrenalin, das Hormon für Aktivität, lässt das Herz schneller schlagen. Diese Reaktionen sind völlig normal und lebensnotwendig für den Schutz des Körpers. Oder umgekehrt: Bei starken Zahnschmerzen wiederum kann man Aufmerksamkeit und Arbeitsfähigkeit vergessen. Wenn der Körper leidet, leidet die Psyche mit. Dass Körper und Geist zusammenhängen, zeigt sich auch bei Erkrankungen, zum Beispiel bei einer Depression. Dabei treten sowohl psychische Symptome - schlechte Stimmung und Antriebslosigkeit - als auch körperliche auf: Appetitlosigkeit oder Verstopfung. Es gibt daher nicht ausschließlich somatische und psychische Erkrankungen. Körper und Psyche bilden eher ein Kontinuum. Mal sind die Symptome mehr psychisch ausgeprägt, mal mehr körperlich.

Martin Heinze ist Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf.
Martin Heinze ist Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik an der Immanuel Klinik Rüdersdorf.
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Weshalb betrachtet die Medizin Körper und Psyche dennoch getrennt? Für die Seele sind die Psychiater und Psychotherapeuten zuständig, für das Organische die Fachrichtungen, die dann auch noch oft nach den jeweiligen Organen benannt sind, wie Augen- oder Hals-Nasen-Ohren-Ärzte.

Um den Menschen zu verstehen, sind tatsächlich verschiedene Kategorien nötig. Die Medizin ist sehr erfolgreich darin, mit naturwissenschaftlichen Methoden die körperlichen Ursachen von Erkrankungen zu finden. Mit Laboruntersuchungen, Röntgenbildern und Ultraschall kann man das Problem oft schnell finden. Auch Patienten mögen es viel lieber, wenn ihre Leiden klar einem kranken Organ zugeordnet werden können, als den eher unklaren Verweis auf psychische Ursachen, die viel schwerer zu diagnostizieren sind. Deshalb ist es sinnvoll, bei Beschwerden zuerst organische Ursachen auszuschließen. Wenn diese nicht zu finden sind, wird die Suche komplizierter. Denn dann müsste der Hausarzt zunächst ein längeres Gespräch über die Familie und den Arbeitsplatz des Patienten führen. Doch dafür hat leider kaum ein Hausarzt Zeit. Denn unser Gesundheitswesen funktioniert über Einzelleistungen; längere Gespräche gehören nicht dazu. Nachdem der Hausarzt also organische Ursachen ausgeschlossen hat, wird er den Patienten zum Spezialisten überweisen. Für Hausärzte ist diese Grenzziehung allerdings oft schwer. Sie sollte im Gespräch mit dem Betroffenen erarbeitet werden.

Was sollte ein Patient tun, wenn der Hausarzt bei der Ursachensuche nicht weiterkommt?

Mit dem Hausarzt darüber sprechen, ob auch biografische Belastungen eine Rolle spielen könnten; mit ihm über sich reden und vielleicht keine schnellen medizinischen Lösungen durch Medikamente oder Ähnliches erwarten. Oft wird der Hausarzt dann eine Überweisung an einen Spezialisten für das Psychische veranlassen. Man kann sich natürlich auch selbst Hilfe organisieren, wobei ein Psychiater und Psychotherapeut oft ein guter Ansprechpartner ist, der auch weitere Hilfen veranlassen kann.

Mehr zum Thema lesen Sie im Magazin für Medizin und Gesundheit in Berlin "Tagesspiegel Gesund".

Weitere Themen der Ausgabe: Faktencheck. Spannende Infos über Geist und Seele; Du hast doch `ne Meise. Ab wann ist die Psyche wirklich krank?; Hirnforschung. Was die Neurowissenschaft kann und was nicht; Der Weg zur Heilung. Ambulant, stationär, Reha? Der Navigator weist den Behandlungsweg; Hilfe in der Lebenskrise. Berliner Adressen für den Notfall. Medikamente. Wirkung, Nutzen und Risiken von Psychopharmaka; DEPRESSIONEN: Raus aus der Blase. Der Rückweg ins Leben kann gelingen; Trotzdem gut leben! Eine Betroffene berichtet aus ihrem Alltag; Winterdepression. Wie künstliches Licht gegen saisonale Stimmungstiefs hilft; BURNOUT: Krankheit mit chic? Warum Burnout für manche nur eine Modeerscheinung ist; Abgeschaltet. Eine Skisprunglegende spricht über Sport und Krankheit; Ausgebrannt. Ein Comedian erzählt über die dunkle Seiten des Erfolgs; SUCHT: Leben ohne Drogen. Eine Entwöhnung ist harte Arbeit; Kinder von Süchtigen. Ein Bilderbuch thematisiert die Wirkung der Alkoholsucht auf die Familie; Rauschgift. Welche Drogen es gibt und wie sie wirken; SCHIZOPHRENIE: Reizflut. Wenn der Dopaminhaushalt im Hirn aus den Fugen ist; Familienangelegenheit. Autorin Janine Berg-Peer über das Leben mit einer schizophrenen Tochter; PSYCHISCHE STÖRUNGEN: Angstfrei leben. Eine krankhafte Furcht ist heilbar; Arztbrief. Wie Zwangsstörungen therapiert werden; Essstörungen. Wenn der Genuss verloren geht; SCHLAFSTÖRUNGEN: Selbstversuch. Schlummern im Labor; Traumforschung. Was unser nächtliches Kopfkino verrät; SERVICE: Kliniken und Ärzte im Vergleich; Kolumne. Helmut Schümann rät, die Psyche ernst zu nehmen

Gwendolin Gurr

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