Luxusurlaub im Schwarzwald: Was macht ein Hotel zum besten Hotel Deutschlands?
De Gaulle und Adenauer reichten sich hier die Hände, Peter Sellers probte Rollen, und der Dalai Lama chillte. Zu Besuch im Grand Hotel in Baden-Baden.
Über das Brenners, das 146 Jahre alte Grand Hotel in Baden-Baden, gibt es so viele Zitate, dass man sich schwer für eins entscheiden kann. Aber weil der Pianist gerade „My Way“ anspielt, hier unter der mächtigen Buche im Garten des ehrwürdigen Hauses, wo die Rosen duften und die Anemonen leuchten und der Apfelpfannkuchen so himmlisch schmeckt, soll es dieses sein: „Wherever you go, Brenners is best“, sagte Frank Sinatra einmal.
Aber was macht ein Hotel zum besten Hotel? Solange man in dieser Wohligkeit verharrt, in den weichen Korbstühlen, den Blick aufs Flüsschen Oos gerichtet, Vogelgezwitscher im Ohr und Sahne im Mund, solange wird man es nicht herausfinden. Und auch sonst nichts.
Also aufstehen und über den knirschenden Kies, vorbei an der Gerhart-Hauptmann-Statue, bevor auch der einem noch ein Bonmot über sein Lieblingshotel aufschwätzt, über die schmiedeeiserne Brücke und den steilen Berg hinauf in der Nachmittagshitze.
Dort lebt ein Mann, der lange dafür verantwortlich war, dass solche Superlative um die Welt gingen. Richard Schmitz hat das Brenners 32 Jahre lang als Direktor geleitet, und obwohl er seit 18 Jahren in Rente ist, schaut er täglich vorbei. Um zu saunieren, sagt er. Um zu kontrollieren, denkt man. Ein klein wenig zumindest. Bei aller Freundschaft zu seinem Nachfolger.
Fürst Romanow und Walt Disney waren frühe prominente Gäste
Sind es die Auszeichnungen, die das Brenners zum besten Hotel Deutschlands machen, Herr Schmitz? Seit Jahrzehnten steht das Haus auf der Liste des „Condé Nast Traveller“, auch der „Feinschmecker“ und „Tripadvisor“ verleihen ihm regelmäßig immer fantastischere Titel. Schmitz, 81 Jahre alt, Manschettenknöpfe, Siegelring und goldene Uhr, will erst Kaffee servieren, bevor er antwortet.
Von seinem Balkon schaut man hinunter ins Tal. Schüttelten die Bäume ihre Nadeln ab, Schmitz hätte seine prächtige Wirkungsstätte stets im Blick. Täuscht es, oder ähneln die Korbstühle auf seinem Balkon jenen im Brenners Wintergarten? Und ist es Zufall, dass einen das Service ans Frühstücksgeschirr des Grand Hotels erinnert?
„Die Wiege Europas“, sagt Schmitz und beginnt von den Anfängen seines Hauses zu erzählen. 1834 war es unter dem Namen Stephaniebad gegründet worden, eine Hommage an die Adoptivtochter Napoleons, Prinzessin Stephanie von Baden. 1872 ersteigerte es Anton Alois Brenner, sein Sohn Camille verhalf ihm bald zu Weltruhm. Fürst Romanow, Henry Ford und Walt Disney waren frühe prominente Gäste. 1941 übernahm die Familie Oetker das Haus.
Die Plüschsessel im Kaminzimmer schlucken Staatsgeheimnisse
1962 schrieb das Brenners Geschichte. Adenauer und de Gaulle trafen sich dort zu Vorgesprächen des Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags, aßen Rinderbraten und Seezunge, tranken roten französischen und weißen deutschen Wein. Schmitz erzählt, wie er zu Ehren dieses Ereignisses eine Plakette habe anbringen lassen. Seitdem verabreden sich hier traditionell die Regierungschefs der Nachbarländer, um ihre Freundschaft zu festigen.
Das Brenners – eine Verhandlungsstrategie. Man kann sich leicht vorstellen, wie die plüschigen Sessel des Kaminzimmers Staatsgeheimnisse schlucken. In den mehr als 100 Zimmern lässt sich gewiss leicht Verstecken spielen. Während eines Nato-Gipfels fand in der Orangerie das Begleitprogramm der Damen statt, der Olympische Kongress wurde hier ausgerichtet, und einmal ließ Schmitz für Arafat, Peres und König Hussein von Jordanien ein Zimmer mit drei gleich großen Sesseln herrichten. Ein Mini-Nahostgipfel im Badischen.
Sogar Tiere schließen hier Frieden. Heute Morgen räkelte sich eine weiße Katze in den Polstern, Kléopatre aus dem Pariser Bristol Hotel erhielt hier Asyl, nachdem ihr dort das Ambiente missfallen hatte. Eigentlich ist das Brenners ein Hundeort. Stammgäste mit kalter Schnauze bekommen ihr Stammkörbchen mit Namensschild. Aus irgendeinem Grund verstehen sich hier alle.
Das Brenners ist so alt, dass sich der Zeitgeist an seinen Gästebüchern ablesen lässt. Queen Victoria hat ihren Eintrag noch winzig verfasst, bescheiden an den Rand gedrängt. Heutige Berühmtheiten brauchen für einen Satz eine Seite.
Nicht alle Gäste sind angenehm
Schmitz holt jetzt aus, berichtet von arabischen Scheichs, mit denen er den Schwarzwald erwanderte, einem Milliardär für dessen 1,3 Millionen Euro Spielschulden er bürgen musste, und Peter Sellers, der bei ihm eine Rolle einstudierte. Der Dalai Lama, Fischer-Dieskau, Papst Johannes Paul II., Schmitz schnipst bei jedem Namen mit dem Finger.
Boris Jelzin, fährt Schmitz fort, ließ seine Brenners-Suite in Moskau nachbauen, mit Hosni Mubarak musste Schmitz Geschenke für die Enkel kaufen. Mubarak, so hat es Schmitz in einem Buch über seine Zeit als Direktor geschrieben, kam gern im Jogginganzug ins Sternelokal. Wie viele andere reiche Gäste. Schmitz musste sich einen diplomatischen Hinweis überlegen. Und fragte Loriot, der gerade bei ihm Urlaub machte, ob er etwas zeichnen könne. Fortan prangten die Loriotschen Knollennasen mit dem Dresscode an der Wand.
Nicht alle Gäste sind angenehm. Der kongolesische Diktator Mobutu hätte fast die Pyramideneiche vor seinem Fenster fällen lassen, aus Angst, jemand könne zu ihm hinaufklettern. Kurt Brenner, erzählt man, habe, wenn Adolf Hitler das Haus betrat, das Hotel durch die Hintertüre verlassen.
Und dann sind da noch die ewigen Stammgäste. Vorhin zum Beispiel, da zankten sich im Spa drei alte Damen um einen Schuhlöffel. „Dies ist mein eigener. Ich habe ihn hier vor 30 Jahren geklaut“, beendete die eine das Gespräch.
Das Dienen ist Schmitz antrainiert
Ist es also die Geschichte, sind es die Gäste, die ein Hotel zum besten machen? Schmitz springt auf, entschuldigt sich, dass er keinen zweiten Kaffee „serviert“ habe. Das Dienen ist ihm antrainiert. Seine Großmutter führte eine Pension, selbst als Kleinkind bekam er erst Frühstück, wenn die Gäste versorgt waren. Er brach das Gymnasium ab, lernte zunächst Konditor, dann Koch, besuchte die elitäre Hotelfachschule in Lausanne, reichte im Savoy der Queen die Teller. Ursprünglich wollte er sich selbstständig machen, doch dann kam das Brenners, und alles war vergessen.
Es sind nicht nur die Gäste, sagt Schmitz, es sind auch die Mitarbeiter. Wenn er ein Hotel betritt, achtet er darauf, wie die Angestellten miteinander umgehen. So hat er morgens nach großen Veranstaltungen oft selbst Frühstück für die Belegschaft gemacht. Führung durch Spiegeleier. Der Oberkellner ist seit Jahrzehnten dabei, der Zigarrensommelier wurde gerade nach 40 Dienstjahren berentet, die Masseurin, die Pressechefin, lauter Dinosaurier. Und das in der Hotellerie, wo man sich gewöhnlich rund um den Globus arbeitet.
Seit der Ukraine-Krise bleiben die Russen weg
Erneuter Blick ins Tal. Was für eine Lage! Baden-Baden gilt als kleinste Weltstadt. Wegen seiner 124 Hotels – 5000 Betten auf 53 000 Einwohner – und der kurzen Wege. Wegen Festspielhaus, Museen, Galopprennbahn. Das Schlimmste, was sich über die Stadt sagen lässt, ist, dass sie regelmäßig die deutsche Müllstatistik anführt. Ansonsten passiert hier alles sehr langsam, oder wie Bismarck es ausgedrückt haben soll: „Sollte je die Welt untergehen, gehe ich nach Baden-Baden, denn dort geht sie Jahrzehnte später unter.“
An der Lichtentaler Allee, wo das Brenners liegt, wachsen neben Eichen und Buchen japanischer Fächerahorn, Magnolien, im Frühjahr färben abertausende Krokusse die Tage blau. Einige Bäume sind so alt, sie haben Turgenjew schon mit Dostojewski über Geld streiten sehen (letzterer hatte im Casino seinen Ehering verspielt). An Wintertagen, erzählt Schmitz, wenn hier die Schneeflocken tanzen, habe so manch ein Gast sich beim Flanieren mit seiner Liebsten zum spontanen Heiratsantrag verleiten lassen.
Aber das beste Hotel, davon ist er überzeugt, ist eines, das alle Wünsche erfüllt. So wie an diesem Morgen, im Frühstücksraum. Gewöhnlich gibt es im Brenners die „FAZ“ und die „Welt“ zu lesen. Der ältere Herr im Tweed-Dreiteiler bevorzugt eine britische Zeitung. „Sir, es hatte den Telegraphen heute früh nicht am Bahnhof, dürfen wir Ihnen die Ausgabe aus dem Internet ausdrucken?“ Oder jener Mann, der glaubte, nirgends würden seine Schuhe besser geputzt, und seine vollständige Sammlung mit ins Brenners brachte. Oder die Unternehmensberaterin, die ihren Schmuck verloren hatte – Schmitz schickte Lehrlinge zur Mülldeponie, die die Brosche aus den Kleenex-Tüchern fischten.
Ein gutes Hotel muss sich auch verändern
Im Salon stehen vier frische Eistees zur Auswahl, nachts kann man zwischen Dinkel-Lavendel- oder Rosshaarkissen wählen. In der Cigar Lounge lagern die Zigarren der Stammgäste in kleinen Humidoren, und damit das Jackett später nicht stinkt, wird ein Raucher-Sakko gereicht. Die Kellner lassen sich per Knopfdruck von der Liegewiese rufen, aus dem Spa gelangt man per Verbindungsgang direkt ins Ärztehaus Julius: Vom Bleaching bis zum Kinderwunsch kann einem hier geholfen werden.
Schmitz folgt einem Leitspruch, der ihn nie pausieren lässt: „Wer aufgehört hat, besser sein zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein.“ Ein gutes Hotel, das muss sich auch verändern. Künftig wollen seine Nachfolger die Baden-Badener, die dem alten Kasten gegenüber traditionell skeptisch sind, hereinbitten. Mit einem neuen Restaurant, ohne Stern, dafür mit einer Showküche und einem Showgrill. In den vergangenen Jahren hatte sich Schmitz auch dafür eingesetzt, dass Baden-Baden die „russischste Stadt Deutschlands“ bleibt. Seit der Verbindung zwischen Luise von Baden und Zar Alexander war Russland eng mit dem Schwarzwaldort verbunden. Doch dann kam die Ukraine-Krise, und die Besucher sind weniger geworden. Und damit auch deren Kaufräusche in den Edelboutiquen und natürlich ihre üppigen Trinkgelder.
Alles nur Geschmackssache?
Apropos Geld, Herr Schmitz, geht es darum? Ist das beste Hotel, einfach das teuerste? „Die Deutschen geben im internationalen Vergleich extrem wenig Geld für Hotels aus“, sagt Schmitz. Als er 1969 aus der Schweiz kam, setzte er zunächst die Preise hoch. Seitdem hat das Brenners die teuersten Durchschnittspreise Deutschlands.
Aber das ist es auch nicht. „Das beste Hotel“, sagt Schmitz, „ gibt es nicht.“ Es sei Geschmackssache. „Vielleicht sagt ja jemand: Was für eine alte Bruchbude.“
Er möchte jetzt noch eine Widmung schreiben, sucht nach seinem Stift. Einen anderen lehnt er ab, er brauche seinen eigenen Füller. Grüne Tinte fließt aufs Papier. „Meine Lieblingsfarbe“, sagt Schmitz. Weil er Jäger ist. Und nach einer Pause fügt er an: „Und Grün die Farbe des Brenners.“
Tipps für das Brenners
Hinkommen
on Berlin mit der Bahn in knapp sechs Stunden ab 135 Euro hin und zurück, Flüge gibt es ab 98 Euro.
Unterkommen
Eine Nacht im Doppelzimmer des Brenners kostet ab 350 Euro, oetkercollection.com. Die dazugehörige Villa Stéphanie bietet Spa-Aufenthalte ab 250 Euro.
Rumkommen
Nicht von den Schlangen vor dem Café König abschrecken lassen. Im Garten einen Afternoon Tea mit britischen Scones, Gurkensandwiches und Petit Four für 15,40 Euro bestellen und die High Society beim Vorbeischlendern beobachten. Danach hoch zum Schloss auf dem Florentinerberg spazieren und den Blick über die Stadt genießen.
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