Hoteldesign: "Designer sind heute wie DJs"
Die Hotelbranche gerät immer mehr unter Druck. Stardesigner Werner Aisslinger setzt bei der Einrichtung auf wilden Mix und lokales Storytelling.
„House of Wonders“ heißt Ihre Ausstellung, die gerade in der Münchener Pinakothek zu sehen ist. Sind Hotels noch solche magischen Orte?
Sie müssen sogar immer verwunderlicher werden. Denn die Tendenz geht ja, gerade beim jungen Publikum, zu Airbnb. Das macht der Branche große Angst. Meine Kinder, die Anfang 20 sind, übernachten nur so.
Sie haben das 25hours-Hotel in Berlin gestaltet. Vor einigen Wochen kam die überraschende Meldung, dass Accor, mit Ketten wie Sofitel, Novotel, Mercure oder Ibis einer der größten Hotelbetreiber der Welt, 30 Prozent der kleinen 25hours-Gruppe übernommen hat. Wie passt das zusammen?
Die großen Ketten fragen sich, wer in Zukunft noch in Hotels absteigen wird, was man bieten muss. Das 25hours im Berliner Bikinihaus ist ja ein wilder Ort, wo man was erleben und gucken kann – von der Riesenhängematten-Lounge über den Hochsitz zum Arbeiten bis zum Indoor Farming. Aber bei Häusern von der Stange? Eine Strategie ist: günstig sein. Die andere Variante: reale Erlebnisse bieten, eine Verbindung zum Ort schaffen.
Zum Beispiel?
Im 25hours Berlin haben wir beim Empfangstresen die Originalfliesen des U-Bahnhofs Alexanderplatz von 1924 verbaut, der damals eine Art „Ellis Island“ von Berlin war, wo alle ankamen. Das ist die Geschichte, die den Tresen besonders macht als Ankunftsort.
Ist das Wichtigste nicht eine gute Lage? Wie beim „Standard“, das wie auf Stelzen über der New Yorker High Line hockt.
Ja. Da sind die Preise selbst für die kleinsten Zimmer schon sehr happig. Trotzdem ist es immer voll. Auf dem Dach ist mittlerweile ein Club, in dem sich die New Yorker Society trifft, da darf kein Hotelgast mehr hoch. Ein cooles Designhotel, das im vergangenen Jahr verkauft wurde, als eine der teuersten Hotelimmobilien der Welt. Das Erstaunliche ist, dass viele Fünf-Sterne-Häuser in Großstädten gar nicht florieren, sie werden aus taktischen Gründen betrieben: Damit der Wert der Immobilie steigt. Es gibt in Paris Fünf-Sterne-Hotels am laufenden Meter, in ganz tollen historischen Gebäuden, die nie das Geld reinspielen können, das der Umbau gekostet hat. Das sind trojanische Pferde – dekorative Betreiber, die den Ort werthaltig bleiben lassen.
Welche Rolle spielen Architektur und Design heute für den Erfolg von Hotels?
Vor 20 Jahren waren Designhotels was Besonderes, heute ist gutes Design fast Standard. Schon eine Budget-Kette wie das Motel One hat Möbelklassiker von Arne Jacobsen im Foyer stehen. Heute geht es eher ums Storytelling. Natürlich will man schöne Stühle haben, aber mehr noch geht es darum, Erlebnisse zu vermitteln. Der Gast soll sich in einer ungewöhnlichen Welt wiederfinden.
Was für eine Geschichte erzählen Sie?
Im Bikinihaus ist das der „urban jungle“. Man hat den realen Dschungel, den Berliner Zoo, auf der einen, den Asphaltdschungel auf der anderen Seite, ganz in der Nähe war früher der Dschungel, die legendäre Diskothek. Das Thema kann man nicht an jedem Tisch und jeder Blumenvase ablesen, es war die große Story, an der wir uns langgehangelt haben.
Mit vielen Pflanzen, Giraffen an der Wand. Das Motel One funktioniert nach dem Prinzip McDonald’s: Man weiß nicht, ob man in Wien oder Berlin schläft, die Einrichtung ist überall gleich. Spart aber Kosten.
Dieses Filialsystem ist auf Effizienz getaktet: Da wurde einmal ein Konzept entwickelt und das dann multipliziert. Bei individuell, in Zusammenarbeit mit lokalen Künstlern gestalteten Häusern bekommt der Gast schon was von der Stadt mit, bevor er einen Fuß vor die Tür setzt. Deshalb ist es so wichtig, ein Hotel für die Einheimischen interessant zu machen. Wenn ich als Reisender in der Bar nur zwischen anderen Handelsreisenden rumsitze, die abends da ihr Bier trinken, ist das total trist. Es ist ein ganz anderes Erlebnis, wenn hier in der Monkey Bar auch Berliner rumlaufen, essen und trinken.
Was Sie übers „Standard“ erzählt haben, ist das Gegenteil von Durchmischung, nämlich Ausgrenzung der Gäste.
Das hat viel mit den Immobilienpreisen in New York zu tun. Obwohl sie mehr Geld verdienen als wir, wohnen New Yorker beengter. Also geht man ständig aus, das soziale Leben findet an öffentlichen Orten statt. Deswegen auch der Hype um neue Restaurants und Bars. Und Auswüchse wie eine Dachlounge, in die der Hotelgast nicht mehr darf, obwohl er 500 Dollar fürs Zimmer zahlt, weil die Celebrities vorbehalten ist, die wichtiger sind.
"Ein Fön darf nichts kosten"
Wo steigen Sie selber gern auf Reisen ab?
In Mailand gibt es ein Hotel hinterm Dom, in das ich immer wieder gehe, ganz klein und simpel. Das ist günstig und hat einen schönen Hinterhof, da zwitschern die Vögel, und ich krieg ein bisschen was vom Mailänder Chaos mit. Mir sind Licht und eine bestimmte Atmosphäre wichtiger als die Einrichtung. Wenn da ein komischer Billigschrank im Zimmer steht, ist mir das fast egal. Ich suche was anderes als eine Batterie von Shampoos: eine lokale Identität.
Wenn man sich Ihre eigenen Einrichtungen anguckt, scheinen Sie ein großer Freund der Collage zu sein.
Zu denken, dass alles aus einem Guss sein muss, ist out. Designer sind heute weniger Komponisten als DJs, mischen aus dem, was da ist an Architektur, Ideen, aktuellem Design und Vintage ein neues Potpourri. Zu Hause macht man das genauso.
Bei Bädern fragt man sich oft: Haben die Leute, die das entworfen haben, je so was benutzt? Oft fehlen so elementare Sachen wie Haken fürs Handtuch. Und der Fön ist so schlapp, dass die Haare nie trocknen.
Ein Fön darf nichts kosten, der wird regelmäßig geklaut. Natürlich gibt es Mängel, die der Designer verantworten muss. Aber oft ist die Ausgangssituation kompliziert, man hat einen Investor auf der einen, einen Pächter auf der anderen Seite, es gibt einen Vertrag mit Hunderten von Seiten, da steht jede Steckdose drin. Wenn wir sagen, das Licht im Bad ist lausig, wir möchten eine schöne Lampe haben, heißt es: Wenn ihr eine teurere Lampe wollt, müsst ihr woanders was einsparen.
Trotzdem entwerfen Sie weiter Hotels.
Innenarchitektur ist ein verlässliches Geschäft für Designer. Wenn ich einen Stuhl entwerfe, verdiene ich erst etwas, wenn er auf den Markt kommt. Aber möglicherweise wird er nie produziert. Es ist schön, Verträge zu haben, konkrete Zeitpläne. Außerdem kann ich in den Hotels meine Möbel unterbringen und wieder Produktdesigner sein, indem ich mir Leuchten oder Stühle ausdenke.
Hängen Sie als Gast schon mal Bilder ab, rücken Möbel im Zimmer?
Man muss erst mal diesen ganzen Kram von den Schreibtischen abräumen. Frühstücksmenüs, TV-Programmheftchen, diesen ganzen Belehrungskram packe ich in die Schublade. Ich reise sehr minimalistisch, nur mit Handgepäck. Mit dem wenigen, was ich dabei habe, mache ich mir das Zimmer zu eigen. Zu Hause versucht man eher aufzuräumen, im Hotel verstreut man sein Zeug, um sich selbst das Gefühl zu geben, man bewohne das Zimmer, weil überall die eigenen Sachen zu finden sind.
Die Fadosängerin Misia nimmt ein Tuch mit, um es über die Lampe zu hängen.
Guter Tipp. Hotels wollen ja Strom sparen, deswegen hatten sie früher 40- oder 25-Watt-Birnen in den Nachttischlampen; was gut war, weil sehr gemütlich. Dann haben sie die alle ausgetauscht gegen diese grauenhaften Energiesparlampen und LED-Leuchten, die immer zu grell sind. Manchmal schraube ich Birnen raus.
Setzen Sie sich gern in Lobbys?
In einem Stadthotel muss selbst eine weitläufige Lobby privat und gemütlich sein. Nur nehmen die technischen Installationen in der Decke so viel Platz ein, dass ein Raum theoretisch 4,60 Meter hoch ist, aber praktisch nur vier. Und die ganzen Richtlinien ... Da sagt der Brandschutzbeauftragte: Hier muss eine große Wand hin. Die kriegt man nicht weg. Also muss man überlegen, wie man rumarbeiten kann. Eine große Lobby hat ja trotzdem den Anspruch, Grandezza auszustrahlen.