Nachfolge von Klaus Wowereit: Deutsche Vita: Raed Saleh will Berlin regieren
Er, Sohn eines palästinensischen Gastarbeiters, will Berlin regieren. Raed Saleh wäre der erste Ministerpräsident mit Wurzeln in einem anderen Land. Der Weg von unten nach oben. Das ist auch seine Geschichte. Sie beginnt in Spandau.
(Anmerkung: Tagesspiegel-Reporter Lucas Vogelsang wurde mit diesem Text für den Deutschen Reporterpreis 2014 nominiert. Weitere nominierte Texte aus dem Tagesspiegel sind "Ihr Block", ebenfalls von Lucas Vogelsang, sowie "Die Heimsuchung" und "Der Anfang nach dem Ende", beide von Veronica Frenzel.)
Im Spandauer Bürgerbüro von Raed Saleh, Marktstraße 1, hängt ein Bild. Pigment auf Holz, 95 x 75 Zentimeter. Es trägt den Titel: „Willy Brandt 1937“. Und zeigt den ehemaligen Kanzler und Bürgermeister von Berlin, gerade 23 Jahre alt, gerade nach Norwegen gegangen, gerade nicht mehr Herbert Frahm.
Es ist eine Arbeit des Berliner Künstlers Detlef Waschkau, der sich eigentlich auf den späten, den schon zerfurchten Willy Brandt spezialisiert hat. Für Raed Saleh aber musste es dieses Bild sein. Der alte Willy Brandt, sagt er, ist beeindruckend. Ein Vorbild. Dem jungen Brandt jedoch fühlt er sich näher, verbunden. Brandt, sagt Saleh, musste viel aushalten. Ein uneheliches Kind, ein Vaterlandsverräter, geschmäht. Er ist einen langen Weg gegangen. Brandt war ein Kämpfer.
Der junge Brandt, der junge Saleh. Zwei Kämpfer
Raed Saleh steht in seinem Bürgerbüro, zeigt auf dieses Bild und zieht mit jeder Bewegung seiner rechten Hand gleich auch eine Parallele. Zwischen den Biografien. Der junge Brandt, der junge Saleh. Zwei Kämpfer. Zwei Sozialdemokraten.
Raed Saleh, geboren im Westjordanland, aufgewachsen in Spandau, hat dieses Bild bewusst gewählt. Es soll Brandts Geist in sein Büro bringen, es soll aber auch deutlich machen, wie er selbst die Geschichte der Sozialdemokratie liest. Von Brandt über Schröder und Wowereit. Zu Saleh. Er leitet aus ihr eine Zwangsläufigkeit ab. Ich bin dran.
Im November könnte er, 37 Jahre alt, der Nachfolger Klaus Wowereits als Regierender Bürgermeister werden. Saleh ist neben Jan Stöß und Michael Müller einer von drei Kandidaten, aus denen die SPD-Mitglieder wählen müssen – und in diesem Rennen der Außenseiter, weit zurück in den Umfragen.
Er, Sohn eines palästinensischen Gastarbeiters, wäre der erste deutsche Ministerpräsident mit Wurzeln in einem anderen Land. Raed Saleh wäre eine internationale Lösung und dabei im Grunde eine sehr sozialdemokratische. Der Weg von unten nach oben. Das ist auch seine Geschichte. Sie hat nicht weit von hier begonnen.
Das Hochhaus, in dem Raed Saleh aufgewachsen ist, steht an einer Kurve, die hineinführt in die Stadtrandwirklichkeit. Blasewitzer Ring 16, Heerstraße Nord. Quartier unter Aufsicht. Problemkiez, kriminell belastete Ortschaft. Schlagworte wie Schlagringe.
Die Botschaft des Vaters: Aufstieg gelingt nur durch Bildung
Die Platten, einst weiß, nun an den Rändern dunkel angelaufen. Auf dem Spielplatz noch dieselben Klettergerüste wie damals. Nicht weit von hier hatte einer Uran im Keller gelagert. Bis die Polizei kam. Im Parkhaus wurden früher mal geklaute Pkws umgespritzt. Bis die Polizei kam. Wer sich etwas dazuverdienen möchte, arbeitet beim Penny an der Ecke. Oder dealt an einer anderen. Bis die Polizei kommt. Vorne kauern die Trinker.
Wenn es einer von hier schafft, weg vom Rand, dann gibt es dafür Gründe. Dann hat er etwas, das andere nicht haben. Die einen sagen: Talent. Die anderen sagen: Wille. Nashed, 34 Jahre alt, Kumpel von damals, sagt: Raed war einer, der versucht hat, nach vorne zu kommen.
Nashed, der Vater Ägypter, die Mutter Deutsche, ist im selben Haus groß geworden wie Raed Saleh. Ihre Klingelschilder, vierter und neunter Stock, waren die einzigen, die einen arabischen Namen trugen. Anfang der 80er.
Er spricht, war gewesen, hatte gehabt, das Stadtrandidiom vieler Spandauer. Gerne ehrlich, gerne vor die Fresse. Was willste? Kriegste! Er spricht, das Sch leicht verschleppt, aber auch den Akzent der Straße. Er spricht ein bisschen wie Raed Saleh. Das bekommste nicht raus.
Nashed sagt: Raed hat immer geredet. Das konnte er gut. Aber er wusste, wann er sich raushalten muss. Raed war nie mit denen unterwegs, die Stress gemacht, Stress gesucht haben. Das war die Erziehung, sagt Nashed.
Sie spielten, Kinder noch, Schiffeversenken mit Pflastersteinen, bis einer blutete. Raed saß zu Hause und lernte. Sie surften, Jugendliche schon, auf einem der Fahrstühle, Blasewitzer Ring 16. Bis die Polizei kam. Raed saß zu Hause und lernte. Sie tranken, Erwachsene bald, feierten. Raed Saleh ging arbeiten. Der Vater, sagt Nashed, war streng. Er hat viel Wert auf Bildung gelegt.
Sein Vater war ein kleiner Mann von großer Autorität
Raed Salehs Vater, so erzählt es Saleh selbst, war ein kleiner Mann von großer Autorität. Er hatte das Heimatdorf Sebastia, 4500 Einwohner heute, verlassen, um in Deutschland etwas Neues aufzubauen. Eine Zukunft zu finden. Lebte erst, mit sieben anderen Männern, in einem Zimmer in Stuttgart, zog dann nach Berlin und holte die Familie nach. Hier arbeitete er in einer Großbäckerei. Schlüterbrot. Alte Westberliner Firma. Raed Saleh, sechstes von neun Kindern, war fünf Jahre alt, als die Familie in ein anderes Land kam. Sie packten ihre Koffer aus und der Vater sagte: Das hier ist euer neues Zuhause. Hier bleiben wir. Benehmt euch. Die Familie sollte ankommen, es gab kein mentales Rückflugticket. Deutschland, das hatte der Vater beschlossen, sollte das Land sein, in dem seine Kinder ihren Weg gehen. Auch deshalb mied er Kreuzberg oder Neukölln, zu jener Zeit Kristallisationspunkte der Einwanderer, und zog stattdessen nach Spandau.
Spricht Raed Saleh über seinen Vater, ist er deshalb sofort ganz bei sich, sofort bei seiner Partei. Von Salehs Vater zur SPD ist es ein kurzer Weg. Mein Vater wäre ein guter Politiker gewesen, sagt Saleh. Und beschreibt einen Mann, der sich gekümmert hat, um die Kinder, um die Leute aus der Nachbarschaft. Während er spricht, ist es nicht schwer, sich vorzustellen, wie viel er sich bei diesem Mann abgeschaut hat. Den Umgang mit den Menschen, das offene Ohr, die Autorität. Vor allem aber die Strenge, diese preußische Arbeitsethik.
Raed Saleh sitzt an diesem Vormittag vor einem Restaurant in der Altstadt Spandau. Trägt einen dunklen Anzug und erscheint trotzdem wie einer, der jeden Moment die Ärmel seines Hemdes hochkrempeln, etwas anpacken wird. Eben noch hat er mit den Taxifahrern gesprochen, die hier auf Kundschaft warten. Er hat sie an den Armen gefasst, wie man das macht, wenn der einfache Händedruck abgenutzt, nicht mehr genug ist.
"Ich habe mich immer reingekniet"
Er sagt: Ich habe mich immer reingekniet. Sagt: Vielleicht ist das dieser Aufstiegsgedanke. Der Gedanke des Vaters. Er schwingt mit, wenn Raed Saleh spricht. Im Grunde orientiert er seine Politik am Wertekanon des Vaters. Verargumentiert so auch die eigene Biografie. Sie ist seine größte Stärke.
Sie beschert ihm die Aufmerksamkeit, die er so dringend braucht, die er so gerne sucht. Gerade hat die „Times of Israel“ ein Porträt gebracht, die „Global Post“ angefragt. Der Sohn eines Palästinensers als Bürgermeister der deutschen Hauptstadt, ein Zeichen, eine Provokation auch, natürlich schauen nun wieder alle auf diese Stadt. Die Internationalität, sagt Saleh, haben wir schon. Sagt, bisschen Selbstironie auch: Nun fehlt nur noch der Glamour. Raed Saleh weiß um die Kraft der Sprache.
Sein Lieblingswort, sagt Ismael Öner, war schon damals: Aufstieg. Raed ist ja selbst das beste Beispiel dafür. Er hat seine Kraft immer aus seiner sozialen Herkunft gezogen.
Ismael Öner ist mit Raed Saleh zur Schule gegangen. Der Kontakt riss danach nie ab. Nichts ist unter den Jungs von früher so verpönt wie zu vergessen, woher man kommt. Nichts so wichtig wie Zusammenhalt, Gemeinschaft.
In Spandau begrüßen sie ihn wie einen Sohn. Wie ein Versprechen
Raed Saleh sagt über sich selbst: Ich habe wenig Freundschaften in der Politik. Aber Raed Saleh hat Freunde, die er in die Politik geholt hat. Freunde, enge Vertraute, auf die er sich verlassen kann. Seine Ohren, seine Rauchmelder, die es Saleh erlauben, vor anderen zu wissen, wo es brennt. Sein Prinzip Kohl.
Freunde wie Ismael Öner, den er irgendwann anrief, ihn überzeugte, mitzumachen. Erst in der Arbeitsgemeinschaft Migration, später auch in der BVV. Öner ist Sozialarbeiter. Im vergangenen Jahr wurde ihm für sein Projekt Mitternachtssport e. V. der Integrationsbambi verliehen. Sein größter Tag. Er spricht Salehs Sprache, ihre Biografien lesen sich ähnlich.
Wenn ich an Raed denke, sagt Öner, habe ich immer ein Bild im Kopf. 1990, siebte Klasse. Coolnesszeit. Die Hosen hingen tief, Hip-Hop war der Soundtrack des Schulhofs. Und jeder hatte einen Rucksack. Nur einer nicht. Raed Saleh trug einen Aktenkoffer. Das, sagt Ismael Öner, ist ein Symbol für mich geworden: Raed trägt in diesem Aktenkoffer von 1990 heute die Hausaufgaben, die ihm die Stadt aufgibt.
In der Spandauer Altstadt bleiben die Menschen stehen, wenn sie ihn sehen. Sie begrüßen Raed Saleh wie einen Sohn, auf den die ganze Familie stolz ist. Ein Versprechen. Ein Mann mit Herz und Kopf. Wir sind auf Ihrer Seite, Herr Saleh. Wir würden Sie wählen, Herr Saleh.
Er, hallo, Tachchen, kennt seine Leute. Weiß, wer im Urlaub war, wer jetzt in Rente ist. Er umarmt. Volksnaherholung. Fragt: Wie geht es der Frau, den Kindern. Sagt: Ihr Lieblingsitaliener ist auch mein Lieblingsitaliener. Als hätte er sich zu jedem Gesprächspartner Notizen gemacht. Notizen, die er dann auswendig gelernt hat. Raed Saleh arbeitet Smalltalk. Er kniet sich in die Gespräche. Es ist eine Disziplin, die er beherrscht. Ein Talent, das er über die Jahre verfeinern konnte. Er lächelt dabei viel.
Es kann ein ehrliches, ein warmes Lächeln sein. Es kann aber auch ein eiskaltes, ein berechnendes Lächeln sein. Raed Saleh interessiert sich für Menschen. Sagen die einen. Es ist ein Kompliment. Raed Saleh interessiert sich für Personen, sagen andere. Und beschreiben ihn als politischen Schachspieler, beschreiben einen, dem es um Kontrolle geht. Um die Domestizierung des Zufalls.
Im August gab er seine Kandidatur bekannt
Ende August stand Saleh im Berliner Abgeordnetenhaus und gab seine Kandidatur bekannt. Ja, ich möchte Regierender Bürgermeister werden. Er las sein Bekenntnis von einem Zettel ab.
Es sah aus, als stünde da einer, der vor allem darauf bedacht ist, keinen Fehler zu machen. Der zeigen wollte, dass er gut vorbereitet ist, seine Hausaufgaben erledigt hat.
Das Lernen, sagt Saleh, ist mir immer leichtgefallen. Deutsch, Politische Weltkunde. Meine Abiturnote war gut.
Im Sekretariat des Lily-Braun-Gymnasiums, nicht weit entfernt vom Spandauer Rathaus, steht eine gleich sehr aufgeregte Deutschlehrerin und erinnert sich an einen Raed Saleh, der immer freundlich war. Immer sehr konservativ gekleidet.
Er hat sein Abitur bei ihr gemacht. Deutsch. Christa Wolf, „Der geteilte Himmel“. Hat erklärt, wie der Sozialismus Einzug hielt in die Literatur. Eins minus. Er hatte, sagt die Lehrerin, einfach alles zu diesem Thema gelesen. Der Raed war ein Schüler, wie man ihn sich nur wünschen konnte. Sagt das, als würde sie ihm den Zeugniskopf noch einmal schreiben. Er hat nie gefehlt. Kam selbst dann am Morgen pünktlich, wenn er spät abends noch gearbeitet hatte. Ach, der Raed. Im Schichtdienst. Bei Burger King.
Raed Saleh hat 1994 im Spandauer Franchise der Fastfoodkette in der Küche angefangen. Er war gerade 17 Jahre alt, arbeitete am Wochenende, in den Ferien. Manchmal mehr als 140 Stunden im Monat. Er sagt: Ich habe gerne gearbeitet. Mir hat das Spaß gemacht.
Er ist dort, bei Burger King, schnell aufgestiegen. Die alte Geschichte. Vom Fritteusenjungen zum leitenden Angestellten. Raed Saleh hat in dieser Zeit gelernt, wie ein Unternehmer zu denken. Ein Kaufmann. Unter ihm wurde der Burger King in Spandau eine der erfolgreichsten Filialen in Deutschland. Weil Raed Saleh seinen Ideen vertraute. Er bot, als Erster überhaupt, einen Lieferservice für seine Burger an. Er hatte verstanden. Wenn man die Menschen erreichen will, muss man ab und an auch an ihrer Haustür klingeln. Irgendwann ist es dann egal, ob man Burger oder politische Ideen verkauft.
Seine Sätze sind druckreif. Er wiederholt sie fast maschinell
Saleh ist ein paar Monate nach der ersten Schicht bei Burger King in die SPD eingetreten. Zu Beginn nur eine weitere Nebenbeschäftigung, hat er auch dort irgendwann begonnen, seinen Weg zu gehen. Nach oben, durch die Institutionen. Mit den Themen – Jugend, Bildung, Integration –, die vor der Haustür lagen. Politik für die Kinder, Politik für den Vater. Seit 2011 ist er Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus. Auch das ganz bewusst. Er hat sich in Position gebracht.
Wenn Saleh Werbung macht, in eigener Sache, sagt er: Mein Angebot stimmt. Er sagt: Meine Bilanz stimmt. Die passenden Slogans gibt es ohnehin. In einem Gespräch wie jenem in Spandau, aber auch in den Interviews der jüngsten Zeit, spricht Raed Saleh Sätze, die druckreif sind. Es sind Stanzen, die er ständig wiederholt, selbst dann aufsagt, wenn sie gar nicht abgefragt werden. Maschinell fast. Als versuchte er, seine Worte in das Bewusstsein des Gegenübers zu drücken.
Wir brauchen eine hinschauende Integrationspolitik.
Ich möchte eine Kita-Pflicht für alle.
Ich möchte der Regierende Bürgermeister für alle sein.
Ich kenne die Stadt, Gott sei Dank, nicht nur aus den Sitzungssälen.
Es sind aber auch Sätze, die er bei sich trägt, wie auf einen Spickzettel geschrieben. Die er trägt wie ein Korsett, das ihn stützt. Er, sein eigener Pressesprecher dann, antwortet nicht. Er sendet Botschaften. Fein säuberlich und gut sichtbar platziert. Angebote in der sozialdemokratischen Auslage.
Saleh ist ein Verkäufer
Raed Saleh beherrscht den kleinen Handel, sagt Hans-Georg Lorenz. Er ist ein Verkäufer. Das kann er besser als die meisten, die ich kenne.
Der Anwalt Hans-Georg Lorenz gilt als enger Vertrauter und Förderer Salehs. Er kennt ihn seit dessen Eintritt in die Partei, 1995. War sein Vorgänger als Abgeordneter im Wahlkreis, Spandauer Neustadt, und später als Kreisvorsitzender. Lorenz, den einige als das linke Gewissen der Berliner SPD bezeichnen, war mal innenpolitischer Sprecher der SPD. Hat damals für die Gleichberechtigung Homosexueller gekämpft, kümmert sich in seiner Kanzlei vorrangig um Ausländerrecht. Im Abgeordnetenhaus haben ihn einige deshalb früher auch Kanaken-Lorenz genannt.
Er kennt sich also aus in der Gefühlswelt der Minderheiten, ist dort Seismograf für Befindlichkeiten, nah dran. Und fasst das deshalb noch mal zusammen. Den Weg Salehs bis hierher, den Weg, den er vielleicht noch gehen wird. Strichdrunter-Sätze des Juristen. Sagt also: Sein Aufstieg ist kein Migrantenaufstieg. Aber Saleh kann für die Migranten in dieser Stadt das sein, was Klaus Wowereit für die Lesben und Schwulen war.
Es ist ein Vergleich, der auch Raed Saleh in seinem Bürgerbüro gefallen würde. Brandt, Wowereit, Saleh.
Migrant. Arbeiterkind. Sozialdemokrat. Der Erfolg, das Amt des Regierenden Bürgermeisters, würde seiner Biografie, dieser Geschichte des Aufsteigers, etwas Unbezweifelbares geben.
Irgendwann an diesem Vormittag in der Spandauer Altstadt hat sich ein älterer Herr zu Raed Saleh gesetzt, ihn in ein Selbstgespräch verwickelt. Herkunft und Wille. Auch er ist am Blasewitzer Ring groß geworden. Ist auf dieselbe Grundschule gegangen. Nur 25 Jahre früher.
Er sagt: Ich weiß ja, warum sie so strebsam waren. Saleh, aha, hört zu. Diesem Herrn, der einfach weiterspricht. Denken Sie doch mal an Hans Fallada. Er wollte nach oben. Er wollte ein besseres Leben. Das können wir doch blind unterschreiben, sagt der ältere Herr. Und Saleh hört zu.
Ich habe Radieschen gezupft. Für drei Pfennig das Bund. Ich wollte leben, sagt der Herr. Und Raed Saleh hört zu und nickt. Zum Schluss hatte ich ein kleines Möbelgeschäft. Man kann es schaffen. Man muss es nur wollen. Man muss eine Ausdauer haben und gegen die Leute da oben ankämpfen. Da muss man erstmal durch. Wie ein Eisbrecher, sagt der ältere Herr. Und Saleh, der zugehört, genickt, in dessen Kopf es spürbar gearbeitet hat, lehnt sich ein Stück nach vorn und sagt schließlich: Das mit dem Eisbrecher gefällt mir. Das ist ein gutes Beispiel. Wie ein Eisbrecher, so fühle ich mich gerade.
Der Text erschein auf der Dritten Seite des gedruckten Tagesspiegels.