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"Fußballfans gegen Homophobie": Das Banner ist in mehr als 250 Stadien gezeigt worden.
© picture alliance / dpa

Homofeindlichkeit im Fußball: "Viele Vereine wollen sich nicht mit Homophobie auseinandersetzen"

Football Pride Week in Berlin: Die Organisatoren Christian Rudolph und Conrad Lippert über Homophobie im Fußball, desinteressierte Vereine, Benachteiligung im Frauenfußball und die WM in Russland.

Herr Rudolph und Herr Lippert, was sind die gravierendsten Probleme, wenn es um Homophobie im Fußball geht?

LGBTIQ-Personen sind auf den Rängen und in den Vereinen weitestgehend nicht sichtbar. Darüber hinaus werden homophobe und sexistische Vorfälle oftmals nicht wahrgenommen und sanktioniert. Nach derartigen Vorfällen wäre ein klares Bekenntnis dagegen von Vereinen wünschenswert, ebenso eine geschlechtssensible Bildungsarbeit. Unter organisierten Fans haben sich traditionelle Werte der Männlichkeit etabliert, die als letzte Bastion verteidigt werden sollen. Hier braucht es noch mehr Aufklärungskampagnen.

Auch deshalb haben Sie jetzt Ihre erste Football Pride Week mit Workshops und Podiumsdiskussionen veranstaltet.

Ja! Unsere Ziele waren die weitere Vernetzung und der Austausch zwischen Fans, Vereinen und Verbänden, um eine Strategie gegen Homophobie und Sexismus im Sport zu diskutieren. Wir wollten vor allem die Fans und die Ehrenamtler, die sich bereits engagieren, in ihrer Arbeit bestärken. Insgesamt haben 200 Menschen aus 21 Ländern teilgenommen, aus Mittel- und Nordamerika sowie aus ganz Europa.

Sie haben die Fifa, die UEFA und alle Vereine, von der ersten bis zur vierten Liga, eingeladen. Dennoch haben nur zehn Vereine Vertreter geschickt. Ist das pure Ignoranz gegenüber dem Thema?

Es ist schade, dass wir nur einen Bruchteil der deutschen Profivereine erreichen konnten. Grundsätzlich sehen viele Vereinen immer noch keine Notwendigkeit, sich mit Homophobie im Fußball auseinanderzusetzen. Das Thema ist bei vielen Vereinsvertreten immer noch mit vielen Ängsten verbunden. Auch die Fifa ließ uns lediglich ein Videogrußwort zukommen. Dies zeigt aber, dass eine weitere Auseinandersetzung notwendig ist. Immerhin hat die UEFA einen Vertreter entsendet, und der Geschäftsführer des 1. FC Köln und der Fanbeauftragte des BVB haben einen Workshop geleitet. Dementsprechend sind die Ergebnisse zufriedenstellend.

Fan-Vertreter Martin Endemann hat schon im vergangenen Jahr die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften an Russland 2018 und Katar 2022 einen Skandal genannt. Sind die Belange von LGBTIQ-Fußballfans der Fifa Ihrer Meinung nach egal?

Wenn es um die gleichberechtigte Teilhabe von LGBTIQ-Personen geht, bestehen in Europa zwischen den Landesverbänden erhebliche Unterschiede. Betrachtet man die Situation weltweit, potenziert sich das Problem. Nach Olympischen Spielen, bei denen eine relevante Zahl an Sportlerinnen und Sportlern öffentlich dazu stand, nicht-heterosexuell zu sein, ist die Problematik im Sport angekommen. Die Situation in Katar und Russland ist nicht nur rückständig, sondern offen feindselig und gefährlich für Fans und Sporttreibende mit einer anderen sexuellen Orientierung: vor, während und nach der WM. Dies schließt einen großen Anteil von Menschen aus. Ein Boykott der Weltmeisterschaften ist für uns aber auch keine Lösung. Wir planen, in Moskau vor Ort zu sein, Flagge zu zeigen und für die Menschrechte einzustehen.  

Gibt es auch positive Entwicklungen?

Einige Verbände haben in den letzten Jahren Ansprechpartner für das Thema geschaffen. Langsam beginnt der Abbau von Diskriminierungs-Hierarchien, insbesondere in Deutschland, den Benelux-Staaten und Skandinavien. Hervorzuheben ist der Berliner Fußballverband, der seit 2011 mit dem LSVD Berlin-Brandenburg eine Kooperation eingegangen ist und das Problem langfristig angehen will. Den wesentlichen Anteil leisten aber antirassistische Fußballfans und Ultras, die sich mit Diskriminierungsformen beschäftigen und diese aus ihren Kurven verbannen wollen.

Christian Rudolph (l) vom Netzwerk "Fußballfans gegen Homophobie" hat die erste Football Pride Week in Berlin mitorganisiert.
Christian Rudolph (l) vom Netzwerk "Fußballfans gegen Homophobie" hat die erste Football Pride Week in Berlin mitorganisiert.
© Netzwerk "Fußballfans gegen Homophobie"

Es gab/gibt ja durchaus Frauen in der Bundesliga, die lesbisch oder bisexuell sind und die weniger Probleme damit hatten/haben, darüber zu sprechen. Wo sehen Sie die Unterschiede zum Männerfußball?

Der Frauenfußball ist in Deutschland nach wie vor strukturell benachteiligt. Er genießt weder die gleichen medialen noch finanziellen Möglichkeiten wie das männliche Pendant. Obwohl Spielerinnen häufiger offen zu ihrer Homosexualität stehen, werden auch hier Klischees produziert und reproduziert. Das prominenteste Beispiel ist die durchsetzungsstarke, muskulöse Kampflesbe. Auf unserer Konferenz gab es dazu auch den Schwerpunkt „Frauen im Fußball“. Fanvertretungen diskutierten über die Beteiligung und Einbindung von Frauen im Fußball an sich.

Gab es eigentlich einen konkreten Annlass für die Gründung Ihrer Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“?

Vor fünf Jahren traten Fans von Tennis Borussia Berlin zu den Respect Games mit einem Banner an, das zwei küssende Männer und den nun bekannten Slogan zeigte. Das Banner wanderte seitdem durch 150 Stadien, von der Bundesliga bis zur Freizeitliga. Hinzu kamen 100 weitere Stadien außerhalb Deutschlands. Oft wurde die Präsentation des Banners durch Aktionstage und Angebote zur Aufklärung und zur Prävention gegen Sexismus und Homophobie flankiert. An zahlreichen Orten wie in den USA, Kanada, Mexiko, Norwegen, Schweden, Österreich und in der Schweiz entstanden Nachahmungen des Banners und eigene lokale Initiativen.

Thomas Hitzlsperger hat im Januar 2014 öffentlich über seine Homosexualität gesprochen. Allerdings erst nach seiner aktiven Karriere.

Das Coming Out war wichtig für die Debatte. Hitzlsperger trägt seitdem sehr viel zur Sensibilisierung bei, sein Beispiel hat das Thema auch an die letzten Stammtische gebracht. Dennoch stellt ein Outing im Profisport für den oder die Betreffende immer noch ein hohes Risiko der Stigmatisierung dar. Es bedroht das Verständnis als Sportlerin oder Sportler wie auch die eigene Existenz. Er oder Sie wird danach vor allem auf die sexuelle Komponente reduziert und nicht als Sporttreibende gesehen.

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