Podium "Gute Lesbe, böse Lesbe": Die Haare von Anne Will
Trotz aller Fortschritte sind lesbische Frauen in der Öffentlichkeit kaum präsent. Bei der Podiumsdiskussion "Gute Lesbe - böse Lesbe" im Berliner SchwuZ wurde nach Gründen gesucht.
Kleine Kinder treffen in ihrer Art unverblümte Fragen zu stellen manchmal äußerst erhellende Aussagen über die Gesellschaft, in der sie aufwachsen. Wenn sie zum Beispiel eine kurzhaarige Musikerin fragen "Wachsen deine Haare nicht?", sagen sie damit vor allem etwas über eine früh von ihnen erkannte Norm: Frauen haben lange Haare. Wenn nicht, stimmt etwas nicht mit ihnen. Vielleicht haben sie eine Krankheit oder Ähnliches.
Dass sogar in Berlin aufwachsende Kinder zu einer solchen Einschätzungen kommen, ist ein wenig erschütternd, illustriert jedoch die fortbestehende Dominanz eines traditionellen, engen Frauenbildes. Eine Butch wie die Kinderliedermacherin Suli Puschban wird deshalb als absolut irritierende Abweichung gesehen.
Die Kreuzbergerin berichtet bei der Podiumsdiskussion "Gute Lesbe - böse Lesbe" im vollen Berliner SchwuZ von ihren Erlebnissen als offen lesbische Musikerin. Die von L-Mag-Chefredakteurin Manuela Kay moderierte Runde des "Dyke*Out"-Abends befasst sich mit der Frage, wie lesbische Frauen* in Medien und Gesellschaft präsentiert werden. Die zentrale These von Kay - nachzulesen auch in der aktuellen Ausgabe des queeren Stadtmagazins Siegessäule: "Lesben werden immer unsichtbarer, außer sie sehen aus wie Anne Will oder Ruby Rose". Diese beiden Stars werden den "guten Vorzeigelesben" zugeordnet, die meisten anderen den "bösen Kampflesben".
Kay bittet die Gäste um eine Selbsteinordnung in diese beiden Kategorien. Politaktivistin und Südblock-Geschäftsführerin Tülin Duman sieht sich ganz klar bei den "bösen Lesben", weil sie sich einsetzt gegen Unterdrückung und Diskriminierungen aller Art. Damit macht man sich in der Mehrheitsgesellschaft natürlich nicht nur Freund*innen, aber das ist Duman ohnehin egal: "Ich möchte gar nicht in die Mehrheitsgesellschaft aufgenommen werden", sagt sie. "Viele von uns haben den Irrtum begangen und geglaubt, wir seien irgendwo angekommen." Das sei aber keineswegs der Fall, es müsse weiter gekämpft werden.
"Queer klingt irgendwie netter als lesbisch"
Grünen-Politikerin Monika Herrmann sieht es ähnlich: "Wir haben uns etwas zu sehr einlullen lassen in den letzten Jahren", sagt die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Dabei hört auch sie immer noch die selben blöden Fragen und Sprüche wie in den Achtzigern ("Wer ist denn bei Euch der Mann im Bett?", "Bist du ein Mann oder eine Frau?") und bekommt homofeindliche Schmähbriefe. Es gelte in Erscheinung zu treten, gerade auch für Lesben in herausgehobenen Positionen. "Wenn ich sage, ich bin lesbisch, zucken die Leute oft richtig zusammen. Wenn ich sage, ich bin queer, ist das irgendwie netter." Und genau deshalb bezeichne sie sich bewusst als Lesbe.
Einen ganz anderen Kurs fährt hingegen Felicia Mutterer, Chefredakteurin des 2015 gegründeten Magazins "Straight". Sie vermeidet das Wort "lesbisch", spricht stattdessen von frauenliebend (was noch netter als queer klingt). Ihr Magazin richtet sich an "Frauen, die Frauen lieben". Anlässlich der ersten Ausgabe sagte sie im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung": "Wir wollen weg vom Klischee der ungeschminkten Lesbe mit Kurzhaarschnitt". Das Zitat nimmt die ungeschminkte Kurzhaar-Lesbe Manuela Kay nun gerne auf, um Mutterer zu fragen, was sie denn gegen diese Lesben habe und wo sie sich selber einordne. Mutterer mag die Rolle der guten, hübschen, langhaarigen Lesbe verständlicherweise nicht spielen. In ihrer mäandernden Antwort distanziert sich halbherzig von dem Zitat, sagt dann aber doch: "Mir war das alles zu sehr dominiert von einem Frauentyp." Sie wolle mehr Vielfalt, mehr Identifikationsangebote.
Dass sie meint, diese nur über eine starke Abgrenzung erreichen zu können, ist fragwürdig und auch schade. Denn zu versuchen, einen Begriff wie "straight" umzudeuten oder sich auf ein unpolitisches "frauenliebend" zurückzuziehen, wirkt trennend in einer ohnehin kleinen Community. Diese müsste sich ihrerseits natürlich auch einmal fragen, weshalb Mutterer und ihr Mitstreiterinnen sich nicht im großen "L" wiederfinden und auch nicht im "Q". Es hängt sicher mit einer gewissen Femme-Feindlichkeit zusammen, die Monika Herrmann in Erinnerung an die Achtziger auf dem Podium beschreibt. Die langhaarigen, lippenstifttragenden Lesben hätten damals keine gute Zeit gehabt in den Bars und Clubs. "Sie repräsentierten ein Frauenbild, das wir politisch nicht wollten." Tülin Duman wirft ein, dass das heute auch nicht anders sei.
Es erscheint paradox: Feminine Lesben sind eine Minderheit in der Minderheit. Sie haben es oft nicht leicht mit der Mehrheit. Diese wiederrum sieht sich durch die größere mediale Präsenz von Minderheitslesben wie Anne Will in die Unsichtbarkeit gedrängt.
Überhaupt: Anne Will! Sie gerät an diesem Abend fast schon zur Universal-Projektionsfläche. Sowohl Herrmann als auch Puschban sagen, sie wären in ihren Jobs sicher erfolgreicher, sähen sie ähnlich gut aus wie die Moderatorin. Das mag stimmen, doch verdankt Anne Will ihre Karriere sicher noch einigen anderen Qualitäten. Und immerhin ist ihre sexuelle Orientierung republikweit bekannt. Jeden Sonntagabend sitzt eine Lesbe in Millionen von Wohnzimmern. Davon könnte man sich doch auch als Kurzhaar-Lesbe bestärkt fühlen.
Rapperin Sookee sagte wegen heftiger Anfeindungen im Vorfeld ab
Tülin Duman, jetzt langhaarig, früher auch mal kurzhaarig, sieht im Stil einer Frau eher eine individuelle Entscheidung. Wobei sie noch einen wichtigeren Punkt einbringt als sie sagt: "Bei mir spielen die Haar- und die Hautfarbe eine viel größere Rolle." Sie habe nichts davon, wenn jemand lesbenfreundlich sei, ihr aber dann mit rassistischen Vorurteilen komme. Sie appelliert dafür zu schauen, wo man sich verbünden könne im politischen Kampf. Das hatte zu Beginn des Abends auch Querverlag-Gründerin Ilona Bubeck in ihrem als "Brandrede" annoncierten Statement getan. Das war eine Reaktion auf eine aus dem Ruder gelaufene Facebook-Diskussion auf der Veranstaltungsseite des "Dyke*Out"-Abends. Die dort gegen die eingeladene Rapperin Sookee erhobenen Trans*feindlichkeitsvorwürfe hatten zur Absage der Musikerin geführt (mehr dazu hier).
Bubeck und Kay bedauerten dies und den heftigen Ton, mit dem Sookee angegangen worden war. Im SchwuZ blieb es dann friedlich. Eine Zuhörerin bemängelte am Ende die in ihren Augen zu gleichförmige Zusammensetzung des Podiums und das Fehlen einer Trans*person dort. Das kann sicher als Manko gesehen werden. Doch es stimmt auch, was Ilona Bubeck zu Beginn gesagt hat: "Hass spaltet und macht uns schwach gegenüber einer Gesellschaft, die wieder konservativer und gefährlicher wird."
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