Diskriminierung von Regenbogenfamilien: Tony und Tara wollen Klärung vor Gericht
Regenbogenfamilien werden in Deutschland gegenüber heterosexuellen Paaren rechtlich benachteiligt. Dagegen klagt nun eine weitere Familie.
Fast zehn Wochen ist der Erörterungstermin beim Oberlandesgericht Celle mittlerweile her. Da waren Verena Akkermann und Gesa Teichert-Akkermann gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) vor Gericht gezogen, um gegen die Ungleichbehandlung von Regenbogenfamilien gegenüber heterosexuellen Paaren zu klagen.
Denn im Februar vergangenen Jahres wurden die Akkermanns Eltern, doch rein rechtlich gesehen hat Paula nur ein Elternteil, nämlich Gesa Teichert-Akkermann, die sie zur Welt brachte. Verena Akkermann wird hingegen beim Standesamt nicht automatisch als Elternteil eingetragen. Gegen diese Diskriminierung im Abstammungsrecht haben die Akkermanns geklagt. Seit Monaten warten sie auf die gerichtliche Entscheidung, die nun am Mittwoch bekannt gegeben werden soll.
Falls das Gericht im Sinne der Akkermanns entscheidet, wäre das nicht nur für die Akkermanns, sondern für viele Regenbogenfamilien in Deutschland ein wichtiger Tag. Falls das Gericht die Klage abweist, würden die Akkermanns Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einlegen.
Abstammungsrecht soll endgültig in Karlsruhe geklärt werden
Aber selbst wenn die Akkermanns Erfolg haben sollten, will die Gesellschaft für Freiheitsrechte die Frage des Abstammungsrechts endgültig vor dem Bundesverfassungsgericht klären lassen. Dann soll ein anderes Verfahren nach Karlsruhe begleitet werden, "um die aktuelle Diskriminierung ein für alle Mal und auch strukturell zu beenden“, wie die GFF-Juristin und Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann sagt.
Denn die GFF unterstützt neben den Akkermanns außerdem Tony und Tara bei der rechtlichen Anerkennung der Elternschaft. Die Namen sind Pseudonyme und dienen ihrem Schutz. „Die beiden würden gerne offen darüber sprechen, aber weil Tony nicht männlich oder weiblich ist und einen divers-Eintrag hat müssen wir leider mit viel Hass rechnen“, erklärt Beckmann, „Das ist sehr schade und auch unfair, weil die beiden dadurch in ihrer Möglichkeit, für das Thema öffentlich einzustehen, eingeschränkt sind.“
Die Stiefkindadoption zieht sich oft über Jahre
Im Februar 2020 brachte Tara das gemeinsame Kind auf die Welt. Doch Tony hat den Geschlechtseintrag „divers“ und wird deshalb rechtlich nicht automatisch als Elternteil eingetragen. Bis heute sieht das Abstammungsrecht nämlich vor, dass die Person, die ein Kind zur Welt bringt, „Mutter“ ist und als zweites Elternteil nur ein „Vater“ in Betracht kommt. Bei heterosexuellen Paaren ist das anders: Da wird der Ehemann automatisch als Vater eingetragen – selbst, wenn er es biologisch gar nicht ist. Auch bei unverheirateten Paaren kann ein Mann die Vaterschaft unproblematisch anerkennen.
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Tony hat – ebenso wie Verena Akkermann – nur die Möglichkeit, durch eine sogenannte „Stiefkindadoption“ rechtlich als Elternteil anerkannt zu werden. Ein Verfahren, das sich häufig über Jahre zieht und für die Familien sehr belastend sein kann. Tara und Tony wollen deshalb gerichtlich durchsetzen, dass beide als Elternteile anerkannt werden.
"Die Richterin hat das Verfahren verweigert"
Bereits vor der Geburt des Kindes stellten die beiden gemeinsam mit der GFF-Kooperationsanwältin Friederike Boll einen gerichtlichen Antrag, weil das Standesamt bereits klar gemacht hatte, dass es Tony nicht als Elternteil eintragen werde. Dann wurde das Kind zu früh und deshalb in einem anderen Krankenhaus geboren – und die Gerichtszuständigkeit änderte sich.
Die Richterin am dann zuständigen Amtsgericht Frankfurt habe zunächst die örtliche Zuständigkeit nicht anerkannt, anschließend sei das Gericht ungewöhnlich lange untätig gewesen. „Die Richterin hat das Verfahren gewissermaßen verweigert, wir konnten nichts tun. Das war für die Familie extrem frustrierend.“ Tony entschied sich dazu, das Kind parallel zu adoptieren. „Es ist eine schwierige Abwägung, wenn man auch rechtlich Elternteil des Kindes sein will, um es abzusichern und auch eine persönliche Frage, ob die Adoption in Frage kommt“, sagt Beckmann.
Verstoß gegen das Grundgesetz
Das Gericht kann im Adoptionsverfahren Informationen über die Finanzen oder Gesundheit erfragen oft kommt das Jugendamt, stellt übergriffige Fragen und bewertet die Familie in einem Bericht. Nachdem bei Tony und Tara die Adoption abgeschlossen war, stellte die Familie ihren Antrag bei Gericht, um rechtlich feststellen zu lassen, dass die ursprüngliche Weigerung, Tony als Elternteil anzuerkennen, rechtswidrig war. Auch, damit ihnen das beim nächsten Kind nicht noch einmal passiert. Diesen Antrag hat das Amtsgericht Frankfurt am Main jetzt als unzulässig zurückgewiesen. In seiner Begründung erklärte das Gericht, dass es keine Veranlassung sehe, darüber zu entscheiden, ob das Standesamt Tony schon bei der Geburt als Elternteil hätte anerkennen müssen.
Beckmann sieht in der Benachteiligung der Familie einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und das Grundrecht auf besonderen Schutz von Ehe und Familie. „Tony die rechtliche Elternstellung vorzuenthalten verstößt gegen das Grundgesetz“, sagt sie. Jemanden aufgrund des Geschlechts zu diskriminieren sei verboten, dementsprechend sei es auch nicht zulässig, Ehepartner*innen zu benachteiligen, weil sie kein Mann seien.
Angestrebt wird grundsätzliche Klärung für Regenbogenfamilien
Dass das Amtsgericht Frankfurt den Antrag nun abgewiesen hat, überrascht Beckmann nicht. „Damit haben wir gerechnet“, sagt sie, „Nur die besonders schwache rechtliche Begründung, die sich mit Grundrechten nicht im Ansatz auseinandersetzt, hat uns überrascht. Ich bin aber optimistisch, dass die Folgeinstanz, also das Oberlandesgericht, diese Frage genau prüfen wird.“
Beckmann hofft, dass die Diskriminierung von Regenbogenfamilien damit grundsätzlich geklärt werden kann, denn: „Einzelne Familien können diese große Last nicht tragen.“ Gerade die Nachfragen der Jugendämter, die im Verlauf des Adoptionsverfahrens gestellt würden, seien „sehr unangenehm und belastend“. Sie betont außerdem, dass trans Personen und Menschen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ beim Abstammungsrecht unbedingt mitgedacht werden müssen: „Diese Gruppe darf bei einer Gesetzesreform auf keinen Fall hinten runterfallen.“