Diskriminierung von Regenbogenfamilien: Zwei lesbische Mütter wollen Klärung vor Gericht
Gesa Teichert-Akkermann und Verena Akkermann wollen die Benachteiligung queerer Familien nicht hinnehmen. Die gerichtliche Entscheidung könnte wegweisend sein.
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Wenn man auf Twitter den Hashtag #PaulaHatZweiMamas sucht, tauchen etliche Tweets auf. Darin heißt es zum Beispiel „Gleiche Rechte für alle Eltern“ oder „Einmal mehr ein wichtiges Anliegen“. Regenbogenfarben sind auch dabei. Es geht um Diskriminierung, konkret die Ungleichbehandlung von Regenbogenfamilien gegenüber heterosexuellen Paaren. Gesa Teichert-Akkermann und ihre Ehefrau Verena Akkermann wehren sich seit vergangenem Jahr juristisch dagegen. Am Mittwoch steht der wohl bisher wichtigste gerichtliche Termin an.
Im Februar vergangenen Jahres sind die Akkermanns Eltern geworden. Da brachte Gesa Teichert-Akkermann die gemeinsame Tochter Paula auf die Welt. Doch im Gegensatz zu heterosexuellen Paaren hat Paula rein rechtlich gesehen nur ein Elternteil, nämlich ihre Mutter Gesa Teichert-Akkermann. Bis heute sieht das Abstammungsrecht vor, dass die Person, die ein Kind zur Welt bringt „Mutter“ ist und als zweites Elternteil nur ein „Vater“ in Betracht kommt.
Ungleichbehandlung im Abstammungsrecht
Deshalb wird Verena Akkermann beim Standesamt nicht automatisch als zweites Elternteil eingetragen, sondern muss ihr Kind erst adoptieren. Bei heterosexuellen Paaren ist das anders: Da wird der Ehemann automatisch als Vater eingetragen – selbst, wenn er es biologisch gar nicht ist. Bei unverheirateten Paaren kann ein Mann die Vaterschaft unproblematisch anerkennen. Verena Akkermann hat hingegen nur die Möglichkeit durch eine sogenannte „Stiefkindadoption“ rechtlich als Mutter anerkannt zu werden.
Auf Twitter schreibt Gesa Teichert-Akkermann dazu: „Der im Grundgesetz verankerte besondere Schutz von Ehe und Familie wird hier missachtet und Kinder aus Regenbogenfamilien werden gegenüber Kindern aus hetero Familien diskriminiert.“ In einem Gespräch mit dem Tagesspiegel nannte sie das 2020 eine „krasse Diskriminierung und Abwertung“ durch den Staat. Sie und ihre Ehefrau wollen die Diskriminierung im Abstammungsrecht nicht hinnehmen und klagen gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF).
„Mit der Klage hoffen wir ein hochinstanzliches Urteil zu bekommen, das die Grundrechte von queeren Familien ernst nimmt und die bestehenden gesetzlichen Regeln genauso auch auf sie anwendet"; sagt die GFF-Juristin und Verfahrenskoordinatorin Lea Beckmann. Ob in diesem oder einem anderen Verfahren sei das erklärte Ziel, die Frage vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich klären zu lassen. Die Diskriminierung im Abstammungsrecht sei in der Politik klar erkannt und benannt worden; dennoch verweigere der Gesetzgeber eine entsprechende Reform.
„Uns bleibt gar nichts anderes übrig als vor Gericht zu ziehen.“ Nachdem die Anträge der Familie von den Amtsgerichten Hildesheim und Hannover zurückgewiesen wurden, folgt am Mittwoch nun der Erörterungstermin beim Oberlandesgericht in Celle. Um die Akkermanns dabei zu unterstützen, posten zahlreiche User*innen auf Twitter solidarische Beiträge unter dem Hashtag #PaulahatzweiMamas.
Die Stiefkindadoption ist für viele eine „belastende Tortur"
Der Klage von Gesa und Verena Akkermann liegt ein strukturelles Problem zugrunde: Bei der Einführung der Ehe für alle wurden lesbische Paare in der Frage der Co-Mutterschaft nicht mit heterosexuellen Paaren gleichgestellt und das, obwohl mindesten 90 Prozent aller Kinder in Regenbogenfamilien bei zwei Müttern lebt. Familien, in welchen das zweite Elternteil ein trans Mann ist oder keinen Geschlechtseintrag oder einen divers-Eintrag hat, stehen vor ähnlichen Problemen.
Das geht vor allem zu Lasten der Kinder: „Bei heterosexuellen Ehepaaren hat das Kind automatisch zwei Elternteile und damit auch alle Absicherungen durch Sorgerecht, Unterhalt und erbrechtliche Ansprüche“, erklärt Beckmann. Auch die gebärende Person habe dadurch eine zusätzliche Absicherung. Kinder wie Paula haben laut ihrer Geburtsurkunde nur ein Elternteil und können dementsprechend keinerlei Rechte gegenüber dem zweiten Elternteil geltend machend. „Das Kind ist also darauf angewiesen, dass die Eltern eine Adoption machen und wird also einfach nur wegen des Geschlechtseintrags der Eltern benachteiligt“, sagt Beckmann.
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Von Oppositionsparteien gibt bereits mehrere Versuche, die diskriminierende Gesetzeslücke zu schließen. Sie hatten allerdings keinen Erfolg. Im vergangenen Jahr wurde etwa ein Vorschlag der Linken abgelehnt. Dieser sah vor, die nachgeburtlichen Stiefkindadoptionsverfahren für Kinder in queeren Partnerschaften abzuschaffen und im Abstammungsrecht eine Elternschaftsanerkennung einzuführen, die alle Kinder, die in die eheliche und nichteheliche Partnerschaft hineingeboren werden, einschließt.
Auch ein Gesetzesentwurf der Grünen, der darauf abzielte, Kinder in lesbischen und heterosexuellen Partnerschaften im Abstammungsrecht gleichzustellen, wurde abgelehnt. Dementsprechend muss die Co-Mutter, also in diesem Fall wäre das Verena Akkermann, auch weiterhin das Kind als Stiefkind adoptieren – selbst dann, wenn die Schwangerschaft durch eine anonyme Samenspende beziehungsweise durch eine Embryonenspende erfolgte.
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Das Verfahren zur Stiefkindadoption sei eigentlich für Familien mit einem „abgebenden“ und einem „neu hinzukommenden“ Elternteil gedacht, sagt Beckmann. Aufgabe der Jugendämter und der Gerichte ist es zu untersuchen, inwiefern eine Eltern-Kind-Beziehung entstanden ist. „Das passt aber überhaupt nicht bei sogenannten Herkunftsfamilien, wo ein Paar sich gemeinsam entscheidet, ein Kind zu bekommen und das Kind gar keine anderen Eltern hat“, sagt Beckmann.
Notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht
Schließlich gucke man bei heterosexuellen Paaren auch nicht, ob eine „Bindung“ vorliege. Darüber hinaus dauert das Verfahren oft Monate, wenn nicht sogar Jahre. Die Jugendämter besuchen die Familien und verfassen Berichte über das familiäre Leben. Gerichte dürfen sogar umfassende Dokumente etwa über den Gesundheitszustand der Elternteile und die finanzielle Situation anfordern. Beckmann berichtet, dass junge Familien das häufig als „eine belastende Tortur“ beschreiben.
Doch nicht nur lesbische Paare sind betroffen. „Die bisherigen politischen Reformvorschläge zielen allenfalls auf lesbische Konstellationen ab, aber es ist wichtig anzuerkennen, dass das Problem nicht nur für lesbische Paare besteht.“ So sind auch Paare, in denen der zweite Elternteil keinen Geschlechtseintrag oder den Geschlechtseintrag divers hat, und zum Teil auch trans Männer betroffen. „Wir befürchten, dass diese kleine und schlecht geschützte Gruppe hinten runterfällt", so Beckmann.
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Eine Entscheidung wird das Gericht am Mittwoch voraussichtlich noch nicht bekannt geben. Beckmanns Auffassung nach kommen vor allem zwei Ausgänge in Frage: Entweder entscheidet das Gericht im Sinne der Akkermanns und stellt fest, dass Verena Akkermann ebenfalls Mutter ist. „Für Familie Akkermann wäre das natürlich ein großer Tag. Aber auch über ihren Fall hinaus wäre das ein ganz wichtiges Signal, weil dann ein bedeutendes Gericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichen würde.“
Die andere Möglichkeit wäre, dass das Gericht die Klage abweist. Dann würden die Akkermanns eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgerichtshof einreichen. „Falls das Gericht im Sinne der Akkermanns entscheidet, dann könnte das bedeuten, dass die bisher recht einheitliche Rechtsprechung anfängt, einzuknicken“, meint Beckmann.
Weitere Gerichte könnten folgen. Die grundsätzliche Klärung liegt allerdings beim Bundesverfassungsgericht. Das kann darüber entscheiden, dass die Regelung im Gesetz zwingend auf Menschen aller Geschlechter anzuwenden ist. „Wenn wir beim OLG Celle Erfolg haben, dann gehen wir mit einem anderen Verfahren zum Bundesverfassungsgericht, um die aktuelle Diskriminierung ein für alle Mal zu beenden.“
Nach dem Termin ist die Rechtsanwältin "guter DInge"
Im Anschluss an den Gerichtstermin am Mittwoch sagte Gesa Teichert-Akkermann: „Wir haben dem Gericht heute ganz persönlich geschildert, was es für Paula und uns bedeutet, dass queere Familien bei der Anerkennung von Elternschaft diskriminiert werden. Wir kämpfen nicht nur für uns selbst, sondern für die Rechte aller Regenbogenfamilien.“
Falls das Gericht nach dem Termin nicht erkenne, dass Verena Akkermann die Mutter der gemeinsamen Tochter Paula sei, dann stehe der Entschluss, weiterzumachen, sagt Verena Akkermann - notfalls würden sie bis nach Karlsruhe gehen.
Die Rechtsanwältin Lucy Chebout zeigt sich am Mittwochnachmittag „guter Dinge": Der Erörterungstermin habe noch einmal gezeigt, dass sich das Oberlandesgericht „ sehr ernsthaft und umfassend" mit ihren Argumenten auseinandersetze. „Bis zu einer Gesetzesänderung ist es die Aufgabe der Gerichte, für Einzelfallgerechtigkeit zu sorgen und das Recht verfassungsgemäß so anzuwenden, dass es niemanden diskriminiert."