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Die Ampelkoalition will queerpolitisch einiges ändern.
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Aus für das Transsexuellengesetz, neues Abstammungsrecht: Ampel will weitreichende Verbesserungen für queere Menschen

Die Ampel plant viele Verbesserungen bei der Gleichstellung queerer Menschen. So soll das Transsexuellengesetz fallen. Das sind die Pläne im Überblick.

Das Transsexuellengesetz wird abgeschafft, das Familien- und Abstammungsrecht grundlegend reformiert: Das sind einige zentrale Vorhaben der Ampelkoalition im Bereich Queerpolitik. Von einem “queerpolitische Aufbruch” sprechen Ulle Schauws und Sven Lehmann von den Grünen. 

“Mit unseren geplanten Maßnahmen für eine vielfältige Gesellschaft und gegen bestehende Diskriminierung und Queerfeindlichkeit wird Deutschland ein offeneres und lebenswerteres Land für Alle sein”, erklärten Schauws und Lehmann am Mittwochnachmittag. 

Queerpolitik nimmt ein eigenes Unterkapitel im Koalitionsvertrag ein. “Um der gesellschaftlichen Wirklichkeit Rechnung zu tragen, ermöglichen wir gleichberechtigte Teilhabe und modernisieren die Rechtsnormen – vom Familienrecht bis hin zum Staatsbürgerschaftsrecht. Jeglicher Diskriminierung wirken wir entgegen”, heißt es gleich in der Präambel des Vertrages. 

Aus der queeren Community gibt es hohe Erwartungen an SPD, Grüne und FDP. Denn insbesondere die letzten Jahre der Großen Koalition wurden von vielen als Stillstand wahrgenommen, Neuerungen wurden oft nicht von der Politik vorgenommen, sondern durch Gerichte erzwungen. 

Die wichtigsten Vorhaben der Ampel im Bereich Queerpolitik im Überblick

Das sogenannte Transsexuellengesetz, das von vielen trans Menschen als diskriminierend und demütigend empfunden wird, wollen die Koalitionäre durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzen. Die Änderung des Geschlechtseintrags soll zukünftig beim Standesamt per Selbstauskunft möglich sein.

Entsprechende Gesetzentwürfe hatten Grüne und FDP in der Vergangenheit wiederholt eingebracht, sie waren aber wiederholt an der Großen Koalition gescheitert. Jetzt will die Ampel auch sicherstellen, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen vollständig übernimmt.

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Zudem sieht der Koalitionsvertrag vor, Lücken beim Verbot von Behandlungen an intergeschlechtlichen Kindern zu schließen. Für trans und inter Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung Körperverletzungen erlitten oder zwangsgeschieden wurden, wird ein Entschädigungsfonds eingerichtet. Die Höhe der dafür vorgesehenen Summe wird noch nicht genannt.

Auch das Grundgesetz wird nach dem Willen von SPD, Grüne und FDP ergänzt und queere Menschen in den Gleichbehandlungsartikel aufgenommen - also in Artikel Drei des Grundgesetzes, der vor der Diskriminierung aufgrund bestimmter Eigenschaften schützt.

Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen.
Die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen.
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“Wir wollen den Gleichbehandlungsartikel des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3 GG) um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität ergänzen und den Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ersetzen”, heißt es im Vertrag. Dass hier nicht die geschlechtliche Identität genannt wird, dürfte zu Kritik von queeren Verbänden führen.

Ein ressortübergreifender Nationaler Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Minderheiten erhält einen eigenen Haushaltstitel in Höhe von 70 Millionen Euro. Einen solchen Aktionsplan hatten Grüne und FDP seit langem gefordert. Der Koalitionsvertrag nennt einige Beispiel, was damit gefördert wird: Unter Aufklärung an Schulen und in der Jugendarbeit Diversity Management in der Arbeitswelt, insbesondere im Mittelstand und im öffentlichen Dienst. 

Reform des Abstammungsrechts geplant

Hasskriminalität gegen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten soll besser bekämpft werden. In das Strafgesetzbuch sollen geschlechtsspezifische und homosexuellenfeindliche Beweggründe explizit aufgenommen werden. Die Polizeien von Bund und Ländern sollen Hasskriminalität aufgrund des Geschlechts und gegen queere Menschen separat erfassen. 

Auch eine Reform des Abstammungsrechts ist vorgesehen. Bisher wurde bei lesbischen Paaren nur die biologische Mutter rechtlich automatisch zur Mutter. Die Partnerin musste das Kind adoptieren, um den Mutterstatus zugesprochen zu bekommen. Das soll sich nun ändern. “Wenn ein Kind in die Ehe zweier Frauen geboren wird, sind automatisch beide rechtliche Mütter des Kindes, sofern nichts anderes vereinbart ist”, heißt es in dem Vertrag.

Auch die Diskriminierung bei der Blutspende von Männern, die Sex mit Männern haben, sowie von trans Personen könnte bald der Vergangenheit angehören. Derzeit dürfen nur schwule und bisexuelle Männer sowie trans Menschen Blut spenden, die in einer monogamen Beziehung leben. Hat eine der Personen Sex außerhalb der Beziehung, darf sie vier Monate lang kein Blut spenden. Ebenfalls könnte sich die Lage für queere Geflüchtete verbessern. Ihre Asylverfahren sollen überprüft, die Unterbringung sicherer gemacht sowie eine eigene Rechtsberatung für sie eingerichtet werden.

"Das ist ein Meilenstein"

Für die grünen Abgeordneten Schauws und Lehmann, die bisher die queerpolitischen Sprecher*innen ihrer Fraktion waren, wird die Ampel mit ihren queerpolitischen Vereinbarungen “dem Ziel eines selbstbestimmten und diskriminierungsfreien Lebens und gleichberechtigter Teilhabe in den nächsten vier Jahren einen entscheidenden Schritt näherkommen.” 

Damit könne Deutschland aufschließen zu den Ländern, in denen queeres Leben und Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt politisch klar verankert ist.

Auch für Jens Brandenburg von der FDP ist das Queerkapitel "ein großer Aufbruch". Er freue sich, dass alle die Themen, die "wir in den vergangenen vier Jahren in der Opposition eingefordert haben", endlich umgesetzt werden. "Wir haben einen klaren Auftrag, an dem wir gemessen werden".

Die Menschenrechtsaktivistin Julia Monro, die die Öffentlichkeitsarbeit bei der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität macht (dgti), lobte den Vertrag grundsätzlich: „Noch nie hat es solch progressive Vorhaben für die Rechte queerer Menschen in einem Koalitionsvertrag gegeben. Das ist ein Meilenstein und die queere Community jubelt”, sagte Monro dem Tagesspiegel. 

Trotzdem habe sie Sorge ob diese Vorhaben auch in die Tat  umgesetzt werden - und wenn ja, wie. “In der Vergangenheit wurden viele Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten wurden. Deshalb bleibt auch nach wie vor eine große Portion Skepsis.” Sie forderte eine Nachbesserung bei der Grundgesetzergänzung: Auch die  geschlechtliche Identität müsse aufgenommen werden.

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