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Die Forderung nach der Reform des Abstammungsrechts, das Regenbogenfamilien diskriminiert, wird immer lauter.
© dpa/ jens Kalaene
Exklusiv

Forderung nach Reform des Abstammungsrechts: „Mit dieser Bundesregierung wird es keine Reform für Regenbogenfamilien geben“

FDP-Abgeordnete fordern, noch in dieser Wahlperiode eine Reform des Abstammungsrechts auf den Weg zu bringen. Doch die Regierung scheint weiter uneinig.

Obwohl zwei Gerichte das Abstammungsrecht für verfassungswidrig halten, will die Große Koalition das Thema vor der Wahl nicht mehr anfassen. Das geht aus einem Brief des Justizministeriums an die FDP-Abgeordneten Katrin Helling-Plahr und Jens Brandenburg hervor.

Die beiden Politiker*innen hatten Bundesjustizministerin Christine Lambrecht dazu aufgefordert, noch in dieser Wahlperiode eine Reform des Abstammungsrechts auf den Weg zu bringen. In ihrem Brief bezogen sie sich auf einen Diskussionsteilentwurf der ehemaligen SPD-Justizministerin Katarina Barley, der unter anderem die Einführung einer Mitmutterschaft vorsah.

Brandenburg und Helling Plahr forderten, die Einführung einer automatischen Mit-Mutterschaft zusammen zu denken mit der rechtlichen Implementierung der Mehrelternschaft.

Gemeinsames Ziel müsse es sein, endlich die Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren im Abstammungsrecht zu beenden und sicherzustellen, dass kein Elternteil auf dem Rücken der Kinder ausgebotet werde.

Diskriminierendes Abstammungsrecht

Auf Grundlage des Abstammungsrechts werden seit vielen Jahren Regenbogenfamilien gegenüber heterosexuellen Paaren benachteiligt. So müssen Kinder, die in queere Ehen hineingeboren werden, von der Person, die das Kind nicht geboren hat, erst adoptiert werden. Ein Verfahren, das sich über Jahren ziehen und sehr belastend sein kann. Bisher verliefen sämtliche Vorstöße der Politik im Sande, hier für Gleichberechtigung zu sorgen.

Nachdem nun das Obergericht Celle und das Berliner Kammergericht das Abstammungsrecht als verfassungswidrig eingestuft hatten, haben auch einige Abgeordnete aus der Opposition den politischen Druck erhöht.

Eine Mehrelternschaft wäre der Rechtsordnung "fremd"

Nun hat das Justizministerium auf die Forderung der FDP-Abgeordneten reagiert. In der Antwort, die dem Tagesspiegel vorliegt, heißt es unter anderem: „Die Einführung einer gleichberechtigten Mehrelternschaft sah der Diskussionsteilentwurf nicht vor, er hielt bewusst am ‚Zwei-Elternprinzip‘ fest." Gegen die Mehrelternschaft bestünden auch bei Expert*innen des Arbeitskreises Abstammung erhebliche Bedenken. „Nicht nur, weil eine solche Mehrelternschaft der deutschen Rechtsordnung fremd wäre, sondern auch weil die Einführung komplexe Auswirkungen etwa im Sorgerecht oder im Unterhaltsrecht haben würde."

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Zu dem Entwurf seien zahlreiche und zum Teil „sehr kritische Stellungnahmen“ eingegangen, die Arbeiten am Reformvorhaben zum Abstammungsrecht würden noch andauern. Weiter heißt es: „Über die Inhalte des Entwurfs bestehen innerhalb der Bundesregierung jedoch unterschiedliche Auffassungen, die bislang trotz intensiver Bemühungen leider noch nicht aufgelöst werden konnten.“

Familienrecht muss der Lebensrealität gerecht werden

Die Abgeordneten Helling-Plahr und Brandenburg kritisieren die Antwort des Bundesjustizministeriums.

„Mit dieser Bundesregierung wird es keine Reform für Regenbogenfamilien geben“, sagt Helling-Plahr. Die Regierung lasse „wertvolle Zeit“ verstreichen und offenbare sich als „Bremse gesellschaftlichen Wandels“.

Die Urteile der zwei Obergerichte nehme die Bundesjustizministerin lediglich mit Interesse zur Kenntnis, sagt Helling-Plahr. Ansonsten ordne sie sich dem CSU-geführten Innenministerium unter, „das scheinbar kein Interesse hat, die Vielfalt familiären Zusammenlebens endlich auch im Recht abzubilden.“

Jens Brandenburg sieht das ähnlich: „Das Celler Urteil lässt die Bundesregierung offenbar kalt. Die versprochene Reform des Abstammungsrechts sitzt die Bundesjustizministerin aus.“

Es sei höchste Zeit, dass lesbischen Elternpaaren endlich die aufwändige Stiefkindadoption erspart bleibe. Andere Konstellationen von Regenbogenfamilien dürften bei der Reform aber nicht unter die Räder geraten: „Wenn ein schwules und ein lesbisches Paar ein Kind zeugen und gemeinsam erziehen wollen, soll sich der leibliche Vater die Elternschaft nicht erst vor Gericht erstreiten müssen.“

Mehrelternfamilien und frühe Elternschaftsvereinbarungen müssten zum Wohle des Kindes endlich anerkannt werden, betont Brandenburg, denn: „Das Familienrecht muss der Lebenswirklichkeit der Menschen gerecht werden, nicht umgekehrt.“

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