Vorschläge abgelehnt: Selbstbestimmungsgesetz für trans Menschen gescheitert
Das oft kritisierte Transsexuellengesetz bleibt bestehen. Die Große Koalition lehnt im Bundestag ein Selbstbestimmungsrecht für trans Menschen ab.
Ein neues Selbstbestimmungsrecht für trans Menschen wird es erst einmal nicht geben. Entsprechende Gesetzentwürfe von FDP und Grünen wurden am Mittwochabend mit jeweils einer großen Mehrheit der Stimmen im Bundestag abgelehnt.
Damit bleibt das seit 40 Jahren geltende Transsexuellengesetz weiter bestehen. Vorab hatte die Opposition Druck auf die SPD gemacht, die Abstimmung ähnlich wie bei der Ehe für alle offen freizugeben und die Gesetzentwürfe gegen den Koalitionspartner durchzusetzen.
Für den Entwurf der Grünen gab es nur 118 Ja-Stimmen, für den der FDP 181 Ja-Stimmen bei jeweils 653 abgegebenen Stimmen.
Mit den Gesetzentwürfen sollte die Personenstandsänderung deutlich vereinfacht werden. Vorgesehen war, dass trans Menschen diese künftig per Antrag auf dem Standesamt ändern lassen können. Das sollte auch für Jugendliche ab 14 Jahren gelten.
Bisher entscheiden Gerichte über eine Personenstandsänderung, trans Menschen müssen dafür zwei psychologische Gutachten beibringen. Das Prozedere wird von vielen Betroffenen als entwürdigend kritisiert und überdies als teuer - im Schnitt kosten die Verfahren 1500 bis 2000 Euro.
Die Opposition warb in der Plenarsitzung nochmal für ihre Entwürfe. "Das Transsexuellengesetz verletzt seit 40 Jahren die Würde des Menschen. Es ist überfällig, es durch ein modernes Selbstbestimmungsrecht zu ersetzen", sagte Sven Lehmann, queerpolitischer Sprecher der Grünen.
Druck der Opposition auf die SPD
Im Parlament gebe es ja eine Mehrheit für eine solche Reform, sagte er mit Blick auf die SPD - diese müsste nur für ihre Überzeugungen einstehen: "Wer montags die Regenbogenfahne schwenkt, muss mittwochs im Bundestag Taten folgen lassen." Damit spielte er darauf an, dass die CDU zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit am Montag die Regenbogenflagge vor ihrer Parteizentrale aufgezogen hatte.
Für die FDP sagte der queerpolitische Sprecher Jens Brandenburg, das Transsexuellengesetz gehöre abgeschafft: Das gebiete der Respekt von trans Menschen. Die Koalition habe vier Jahre Zeit gehabt für eine Neuregelung und das versäumt. „Die reine Selbstauskunft muss für den Geschlechtseintrag beim Standesamt ausreichen. Es gibt keinen besseren Experten als die Person selbst."
Doris Achelwilm (Linke) kritisierte, das Transsexuellengesetz stehe "für jahrzehntelanges Leid", das ihnen von Staatswegen zugefügt wurde.
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Die SPD-Abgeordnete Susann Rüthrich ließ zwar durchaus Sympathien für die LGBTI-Anliegen erkennen: "Wir sind klar für Selbstbestimmung und gegen Ungleichbehandlung." Sie schob die Schuld auf den Koalitionspartner von der Union, der alle Verbesserungen blockieren würde.
Das Transsexuellengesetz wurde als verfassungswidrig eingestuft
Rüthrich machte aber auch klar, dass die SPD "nicht vollumfänglich" die Vorschläge von FDP und Grüne teile. "Wir würden uns aber schnell auf ein neues Gesetz einigen." Sie nutzte dann die Gelegenheit, für Mehrheiten für einen "echten Neuanfang" zu werben und vor Schwarz-Grün und Schwarz-Gelb zu warnen. Ihr Parteikollege Karl-Heinz Brunner griff zwar ebenfalls die Union an - sagte aber auch, er werde das "durchsichtige Spiel" von FDP und Grünen nicht mitmachen und deren Entwürfe nicht mittragen.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte zuvor schon auf Twitter erklärt, der SPD fehle es zwar nicht an Mut dem Gesetz zuzustimmen. Es wäre aber unverantwortlich, in der Pandemie die Regierungsarbeit zu gefährden.
[Lesen Sie auf Tagesspiegel Plus: Mehr Rechte für trans Menschen? Beim Geschlecht selbstbestimmt. Was hinter den Plänen von FDP und Grünen steckt.]
Für die Union sagte Bettina Wiesmann, die Gesetzentwürfe würden "weit über das Ziel hinausgehen". Sie appellierte an die Koalition, noch einmal zusammen zukommen, um einen neuen Versuch für einen gemeinsames Gesetz zu finden. Andere Unionsabgeordnete lehnten die Entwürfe noch deutlich vehementer ab. Beatrix von Storch (AfD) sprach von "irren Vorschlägen", und das war noch eine ihrer freundlicheren Formulierungen.
Das Bundesverfassungsgericht hat Teile des Transsexuellengesetzes in der Vergangenheit mehrfach als verfassungswidrig eingestuft. Eigentlich ist die Politik also gefordert - doch erst einmal bleibt es bei dem alten Gesetz.
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