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Die Elbe ist zu einem schmalen Flüsschen geworden. Die Hitze hat nicht einmal mehr genug Wasser für die Ausflugsdampfer in Dresden übrig gelassen.
© Jürgen Hanel/imago

Die Hitzewellen 2015: Sommer ohne Ende

Zum Abschluss des Sommers könnte es noch einmal eine kleine Hitzewelle geben. Das hat Nebenwirkungen: Die Gesundheit leidet, die Ernten fallen schlecht aus und die Versicherer fürchten hohe Schäden.

Die Rekorde des „ Jahrhundertsommers“ von 2003 wird der Sommer 2015 in Deutschland wohl nicht einstellen. Aber er kommt ihm vielerorts ziemlich nahe. Nach zwei außergewöhnlichen Hitzewellen, von denen nur Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und das nördliche Niedersachsen wenig bemerkt haben, könnte sich der Sommer 2015 womöglich mit einer weiteren „kleinen Hitzewelle“ verabschieden, sagte Alexander Friedrich, Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD), dem Tagesspiegel. Von Mitte kommender Woche an könnten die Temperaturen noch einmal über mehrere Tage auf 30 bis 35 Grad Celsius steigen, erwartet der DWD.

Auch die Ozonwerte sind während der Hitzewelle zeitenweise auf unverträgliche Werte gestiegen. Am 7. August, dem heißesten Tag, ist der Schwellenwert von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in Berlin und Umgebung, in Sachsen und im Norden Bayerns überschritten worden. Das ist in den 1990er Jahren ständig vorgekommen. Seit der Jahrtausendwende sticht aber nur das Jahr mit dem Hitzesommer 2003 mit 69 Tagen hervor, an denen dieser Schwellenwert überschritten wurde. Zuletzt war das nur noch an weniger als 20 Tagen im Jahr der Fall.

Eine junge Frau erfrischt sich bei Temperaturen um 37 Grad Celsius an den Wasserspielen des Neptunbrunnens in Berlin. Das war am 11. August.
Eine junge Frau erfrischt sich bei Temperaturen um 37 Grad Celsius an den Wasserspielen des Neptunbrunnens in Berlin. Das war am 11. August.
© Wolfgang Kumm/dpa

Die Folgen der Hitze und Trockenheit in diesem Jahr sind gravierend, teilweise aber noch schwer abzuschätzen. Der Deutsche Bauernverband erwartet außer im  Norden deutlich schlechtere Ernten beim Getreide, bei Obst und Gemüse sowie  Zuckerrüben und vor allem Futtermais. Am Oberrhein, wo es im Juli und August  besonders heiß und trocken gewesen ist, hat der Mais teilweise nicht einmal Kolben ausgebildet. Freudige Erwartung gibt es  nur bei  den Winzern. Wenn nun kein Hagel die Ernte ruiniert, könnte es ein sehr guter Weinjahrgang werden.

Die Charité hat mehr Hitzepatienten versorgt

2003 sind in Europa rund 70 000 Menschen mehr in der damaligen außergewöhnlichen Hitzewelle gestorben als in „normalen“ Jahren. Ob das 2015 wieder so war, ist derzeit noch nicht absehbar. Bisher gibt es keine verlässlichen Zahlen aus den Krankenhäusern und Arztpraxen, was die Zahl der hitzebedingten Aufnahmen oder gar Todesfälle angeht. Allerdings sind in den Rettungsstellen der Charité in Berlin vermehrt Hitzepatienten behandelt worden. „Vor allem Menschen mit Kreislaufproblemen mussten versorgt werden“, sagte die stellvertretende Charité-Sprecherin Manuela Zingl. „Aufgrund von unzureichender Flüssigkeitsaufnahme litten die Patienten an Symptomen wie Benommenheit, Blutdruckschwankungen und Schwäche.“

Ein Blitz erhellt am 14.08.2015 den Himmel über Buchholz, einem Stadtteil von Annaberg-Buchholz in Sachsen.
Ein Blitz erhellt am 14.08.2015 den Himmel über Buchholz, einem Stadtteil von Annaberg-Buchholz in Sachsen.
© dpa

Der DWD hat als Lehre aus dem Hitzesommer 2003 im Folgejahr damit begonnen, Alten- und Pflegeheime zu warnen, wenn Temperaturen höher als 30 Grad erwartet wurden. In keinem Jahr seit der Einführung 2004 hat der DWD häufiger vor Hitze gewarnt, sagt Friedrich. Für Passau in Bayern beispielsweise warnte der DWD zwölf Tage lang in Folge vor Hitzefolgen. „Das ist schon außergewöhnlich“, sagt er.

Lang anhaltende außergewöhnliche Wetterlagen können teuer werden

Die Munich Re, die größte Rückversicherung der Welt, hat sich ebenfalls Gedanken über die Hitze und ihre Folgen gemacht. Der Chef der Risikoforschung bei Munich Re, Peter Höppe, weist ebenfalls auf die „extreme Dürre“ in Deutschland hin. Denn schon vor den beiden Hitzewellen im Juli und August lag die Niederschlagsmenge vor allem in der Mitte Deutschlands deutlich unter normalen Jahren. Viele Flüsse haben so niedrige Wasserstände, dass die Schifffahrt eingestellt oder eingeschränkt werden musste. Und auch die Kraftwerksleistung vor allem in Süddeutschland ist zurückgegangen, weil die Wassertemperaturen zu hoch und die Wassermengen zu gering für die Kühlung der Atom- und Kohlekraftwerke waren. Auch wenn die Hitzewelle als Einzelereignis „nicht direkt dem Klimawandel zugeordnet werden kann“, passe sie in den „langfristigen Trend bereits zunehmender Häufigkeiten und Intensitäten von Hitzewellen“, sagt Höppe. Diese seien das „Primärsymptom des Klimawandels“.

Im Umfeld der Hitzewellen ist es an vielen Orten zu schweren Gewittern mit Starkregen oder sogar Hagel gekommen. Diese Unwetter haben weitere Schäden verursacht.

Die Windverhältnisse in großer Höher ändern sich

In einer ersten Bewertung beschreiben Eberhard Faust und Alexa Mayer-Bosse von der Munich Re die Hitzewellen dieses Sommers als  Folge der Veränderungen des sogenannten Jetstreams, die Klimaforscher  seit einiger Zeit beobachten. Der Jetstream ist ein Starkwindband, das in größerer Höhe in den Polarregionen im Norden und Süden aus westlicher Richtung um die Erde verläuft. Berge beulen den Jetstream aus, der dann wellenförmig verläuft. Am Trog,  der Ausbeulung in  Richtung Äquator, sammelt sich oft regenreiche Luft, wie  2013, als Elbe und Donau massiv über ihre Ufer traten. Am Rücken des Jetstreams dagegen werden warme Luftmassen in die Polregionen transportiert. Das war in diesem Sommer der Fall.

Der Hopfen leidet schwer unter der Hitze dieses Sommers. Die Bierpreise könnten steigen, wenn die Ernte sehr schlecht ausfällt.
Der Hopfen leidet schwer unter der Hitze dieses Sommers. Die Bierpreise könnten steigen, wenn die Ernte sehr schlecht ausfällt.
© Felix Kästle/dpa

Faust und Mayer-Bosse beobachten nun, dass solche  Wetterlagen immer öfter stabil über einen längeren Zeitraum anhalten. Das erhöht die Schäden, weshalb sich die Munich Re dafür interessiert. Einige Klimaforscher sehen einen Zusammenhang zwischen der Verlangsamung des nördlichen Jetstreams und der dramatischen  Erwärmung der Arktis. Jedenfalls mehren sich die Indizien, dass es einen Zusammenhang geben könnte.   

Schneesicher sind nur noch Zugspitze und Nebelhorn

Die Vorsitzende des Umweltausschusses, Bärbel Höhn (Grüne), sagt: „Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen haben schon in den vergangenen zehn Jahren spürbar zugenommen. Das sei aber nur ein „kleiner Vorgeschmack“ auf die Veränderungen, die noch bevorstehen, sagte sie dem Tagesspiegel. Stefanie Groll hat gerade eine Studie im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion vorgelegt, in der sie die regionalen Klimafolgen in Deutschland zusammengetragen hat. Eine davon ist in diesem Sommer in Bayern zu besichtigen: Die Hitze setzt dem Hopfen stark zu . Etwa ein Drittel des für die Bierbrauerei in aller Welt erzeugte Hopfen wird in Bayern angebaut, hat Groll recherchiert. In den kommenden 50 Jahren muss Bayern demnach nicht nur mit Missernten wegen einer Dürre sondern auch mit schneefreien Wintern in den Alpen rechnen. Schneesicher dürften dann nur noch die Zugspitze und das Nebelhorn sein, schreibt Groll.

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