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In dem neuen Star-Wars-Kapitel "Rogue One" suchen die Rebellen die Pläne des Todessterns.
© Disney/image.net

Neue Star-Wars-Episode "Rogue One": Das Paralleluniversum

Mit dem Kinofilm „Rogue One“ schlägt der Disney-Konzern ein Zwischenkapitel der Star-Wars-Saga auf.

Star-Wars-Erfinder George Lucas hat für sich in Anspruch genommen, eine eigene Welt zu erschaffen „in einer weit, weit entfernten Galaxis“. Doch handelte es sich bei der Kinosage eigentlich nur um den Familienzwist der Skywalkers, das ewige Ringen von Vätern und Söhnen, die einander auf die gute oder böse Seite ziehen wollen. Die Orestie im Hollywoodformat. Erst jetzt, mit „Rogue One“, der am Donnerstag in Deutschland startet, bekommt der Kinomythos seine eigene Binnenhistorie geliefert. Denn der Film fügt der Sage ein interessantes Puzzleteil hinzu.

Die Handlung setzt ein vor Episode IV, genauer: vor jenem Ur-Moment der Weltraumsaga, da deren Schöpfer George Lucas 1977 ein Raumschiff von einem riesigen Sternenkreuzer durchs All jagen ließ, an Bord Prinzessin Leia, die kurz bevor sie gefangen wird, dem kleinen Droiden R2D2 eine elektronische Botschaft zusteckt. Man lernte damals, der Beginn aller Macht war ein Datenträger. Wie die geheimen Informationen in die Hände der Prinzessin gelangt waren, musste erst einmal niemanden interessieren. Denn bald schon hatte sich Luke Skywalker mit der eigenwilligen technischen Einheit herumzuschlagen. Der Rest ist Kino-Geschichte.

Ein Star Wars-Film ohne Jedi-Ritter

Jedes Kind weiß seither, wie mächtig das Imperium ist. Dass Darth Vader auf eine böse Art mächtig ist und sein Sohn auf eine gute. Dass der Todesstern noch mächtiger ist und „die Macht“ das mächtigste überhaupt. Aber hat man je die Konsequenzen von Unterwerfung, Gewalt und Willkür bei Star Wars vor Augen geführt bekommen?

Darth Vader, dieser düstere, schwarze Ritter, kann Untergebene durch die Kraft seines Willens und ohne dass er sie berühren müsste, erwürgen. Wo immer die imperialen Sturmtruppen landen, hinterlassen sie Tod und Asche. Und einmal jagen sie den Planeten Alderaan dank ihrer Superwaffe wie einen kosmischen Knallfrosch in die Luft. Doch die technische Überlegenheit ist stets mit dem Makel spiritueller Blindheit behaftet. Die Jedi wiegen das auf und so sieht man in den alten „Krieg der Sterne“-Episoden nie, wie es ist, wirklich chancenlos zu sein.

In „Rogue One“ von Regisseur Gareth Edwards („Monsters“, „Godzilla“) gibt es keine Jedi-Ritter und kein telepathisches Gegenstück zur militärischen Machtentfaltung des Imperiums oder der Ersten Ordnung, wie sie immer auch heißen mögen. So nimmt das Gefühl der Ausweglosigkeit viel Raum ein. Und es macht eine Menge Märtyrer. Das ist eine deprimierende Wende für die ursprünglich von George Lucas im Geist des Optimismus erschaffene Star-Wars-Mythologie.

Jyn Erso, gespielt von Felicity Jones, ist die Hauptfigur in dem Weltraumepos "Rogue One".
Jyn Erso, gespielt von Felicity Jones, ist die Hauptfigur in dem Weltraumepos "Rogue One".
© Disney/image.net

Seit Lucas die Markenrechte von Star Wars für eine Milliardensumme an den Disney-Konzern abgetreten hat, wird eifrig daran gebastelt, dieses Universum mit seinen ikonischen Figuren und Konflikten weiter auszugestalten. Ähnlich des verzweigten Marvel-Kosmos, der Jahr für Jahr mindestens zwei Filme produziert und astronomische Umsätze generiert. Allein 2016 spielten „Captain America: Civil War“ und „Doctor Strange“ weltweit 1,8 Milliarden Dollar ein. Ursprünglich wollte auch Disney jedes Jahr mit einer Star-Wars-Story aufwarten, zehn weitere Filme seien geplant, hieß es zunächst. Aber der Aufwand, den das Niveau der Star-Wars-Mythologie voraussetzt, ist wohl zu groß.

Episode VII war reichlich verworren - aber extrem erfolgreich

Zuletzt kam Ende 2015 das reichlich verworrene Epos „Erwachen der Macht“ in die Kinos, eine Fortsetzung der Geschehnisse um Luke Skywalker, die ins Freie einer unklaren Zukunft und Machtverteilung zielte und eine Reihe neuer Figuren wie die Heldin Rey einführte. Mit über zwei Milliarden Dollar spielte Episode VII das bislang höchste Einzelergebnis ein. Der zweite Teil dieser Trilogie ist für Ende nächsten Jahres angekündigt.

Mit „Rogue One“ wird nun ein Zwischenkapitel aufgeschlagen. Der Bau des Todessterns ist abgeschlossen. Doch die Tochter des Waffenkonstrukteurs und einige Gefährten wollen die Pläne des Kampfplaneten stehlen, um dessen Schwachstelle auszunutzen. Der Film, benannt nach dem Frachtschiff, das wie ein Trojanisches Pferd ins Innerste der imperialen Herrschaftsarchitektur vordringt, geht nicht in die Breite, sondern erzählt von dieser Kommandoaktion.

Geschickt werden zentrale Bausteine der Saga in die Handlung eingeflochten: die kryptofaschistische Arroganz des Imperiums, die Luftschlachten mit wirbelnden Schwärmen von Kampfgleitern, die Lasterhöhlen, als die sich Weltraumbasen auf irgendwelchen Monden stets erweisen. Ein Lügendetektor kommt als Krake daher, die an Ekligkeit selbst Jabba the Hutt noch in den Schatten stellt. Selbst vertraute Figuren wie Oberbefehlshaber Tarkin tauchen dank digitaler Reanimationstechnik auf. Doch zeichnet „Rogue One“ ein düstereres Bild vom Weltraumkrieg als die Skywalker-Trilogien.

„Ist Hoffnung alles, was wir haben?“

Die erzählten von der Korrumpierbarkeit durch Talent. Die Macht, um die es jetzt geht, ist nicht auf das innere Ringen eines Helden bezogen. Die Hauptfigur Jyn Erso (verkörpert von Felicity Jones) weiß jederzeit, was richtig ist. Und ebenso verhält es sich mit den anderen Protagonisten, die sich ihr anschließen. Da ist etwa der blinde Mönch Chirrut Imwe (gespielt von Donnie Yen), der mit seinem Stab scharenweise Gegner niederstreckt und die Zauberformel des Jedi-Ordens murmelt, "The Force is in me, I'm with The Force", Die Macht ist in mir und ich bin mit der Macht. Mit seiner Martial-Arts-Artistik erinnert dieser Kämpfer des Guten an Takeshi Kitanos blinden Samurai ("Zatoichi"), dessen übernatürliche Sinne selbst im Regenrauschen nicht versagen. Begleitet wird er von dem schwer bewaffneten Ballermann Baz Malbus (Jiang Wen), den jene tiefe Verbundenheit an seinen blinden Partner bindet, dass das Opfer nicht so schmerzt. Schließlich ist auch ein umprogrammierter Druide ein Sinnbild der Treue. Konflikte tauchen vor allem auf politischer Ebene innerhalb der Rebellenallianz auf, wenn es um die Frage geht, wie radikal die Mittel des Widerstands sein dürfen.

Einer geht dabei besonders weit. Saw Gerrera (Forest Whitacker) ist der extreme Prediger der Gewalt, der Attentate verübt und keine Schonung kennt. Dass es nun Szenen von einem Hinterhalt gibt, die an Bagdad und Afghanistan denken lassen, dass Aufständische wie Araber gekleidet den IS-Kämpfern ähneln, dass wiederum gute Soldaten ihre Helme so nachlässig tragen wie amerikanische GIs in Vietnam, dass eine Festungsstadt, wie Aleppo es auch einmal war, dem Erdboden gleichgemacht wird, zeigt Edwards’ Ehrgeiz, Star Wars für den Bilderfundus der Gegenwart zu gewinnen. Aber es ist eine dreckige Aktualität, pessimistisch. „Ist Hoffnung alles, was wir haben?“, lautet eine stets wiederkehrende Frage.

Am Ende läuft „Rogue One“ darauf hinaus, bloß ein Kriegsfilm zu sein, mit der hübschen Pointe, dass ein Datenleck alles entscheidet. Um an den Bauplan des Todessterns zu gelangen, schießt sich das Rebellengrüppchen um Jyn Erso den Weg ins imperiale Zentralarchiv frei. Man weiß, dass sie es schließlich schaffen werden. Doch steht dem Erfolg eine ungeheure Zerstörungskraft entgegen. Edwards inszeniert sie mehrfach als apokalyptisches Zeitlupenspektakel, heller als tausend Sonnen.

In einer früheren Version war fälschlicherweise von Jabba the Hud die Rede gewesen.

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