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Der Böse und die Guten. Kylo Ren (Adam Driver) erwartet Finn (John Boyega) und Rey (Daisy Ridley) mit dem Laserschwert.
© Lucasfilm

"Star Wars - Das Erwachen der Macht": Stell dir vor, es ist Sternenkrieg

J.J. Abrams hat die Weltraum-Saga "Star Wars" neu aufgelegt - mit Altstars, neuen Hauptakteuren und einem hübsch aufgemöbelten Secondhand-Universum.

So, nun können alle mal tief durchatmen. In einem über Monate sorgfältig orchestrierten, zuletzt immer schriller werdenden Aufmerksamkeitscrescendo wurde die Fortsetzung des mutmaßlich wichtigsten Epos der bisherigen Kinogeschichte herbeigesehnt. Das von George Lucas erdachte, weite Bereiche der Populärkultur beeinflussende Fantasieuniversum ist dabei in den Rang eines Welterklärungsmodells des späten 20. Jahrhunderts erhoben worden, gar nicht zu reden von der wirtschaftlichen Bedeutung eines weit über die Kinovermarktung hinausreichenden Franchise-Unternehmens, das Schätzungen zufolge 30 Milliarden Dollar umgesetzt hat. Nun ist er endlich da, der siebente Teil der „Star Wars“-Saga, und man möchte in den Lärm hineinrufen: „Beruhigt euch, es ist doch nur ein Film!“

Allerdings, und das dürfte die für Millionen Fans entscheidende Nachricht sein, kein schlechter. Denn Regisseur J.J. Abrams, der zuvor das Konkurrenz-Franchise „Star Trek“ reanimiert hatte, gelingt es, mit einem Team aus alten und neuen „Star- Wars“-Kämpen den Geist der originalen Trilogie aus den Jahren 1977 bis 1983 einzufangen – und die Fehler zu vermeiden, die George Lucas bei der von ihm selbst inszenierten Prequel-Trilogie 1999 bis 2005 unterliefen.

30 Jahre später

Inhaltlich setzt „Das Erwachen der Macht“ gut 30 Jahre nach „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ (1983) ein. Das durch die von Luke Skywalker angeführten Rebellen besiegte Imperium hat sich neu formiert und ist wiederum dabei, die Herrschaft über das Universum an sich zu reißen. Der Versuch, eine neue Generation von Jedi-Rittern auszubilden, ist gescheitert. Seither ist Luke verschollen.

Das Geheimnis seines Aufenthaltsorts birgt der kugelförmige Droide BB-8 in seinem mechanischen Inneren, wodurch er zum Ziel des sinistren Kylo Ren (Adam Driver) wird. Der tritt als von der dunklen Seite der Macht verführter Jedi in die Fußstapfen des legendären Erzschurken Darth Vader, nicht nur dramaturgisch und schauspielerisch, sondern auch bezüglich seiner Stellung in der Hierarchie des Bösen. Nicht nur von dem arroganten General Hux (Domhnall Gleeson als Wiedergänger von Peter Cushing) muss er Befehle entgegennehmen, sondern vor allem vom „Supreme Leader“ Snoke, der wie eine überdimensionierte Version von Gollum aus „Der Herr der Ringe“ aussieht (und ebenso wie jener von Andy Serkis verkörpert wird).

Um den niedlichen Droiden und seine Botschaft sorgen sich Rey (Daisy Ridley), eine so bastelfreudige wie kampfeslustige Schrottsammlerin vom Wüstenplaneten Jakku, und der desertierte Imperiumssoldat Finn (John Boyega). Es ist eine gewagte Entscheidung, die beiden wichtigsten Rollen mit vergleichsweise unbekannten Darstellern zu besetzen. Allenfalls Boyega dürfte Science-Fiction-Fans aus der Alien-Invasions-Satire „Attack the Block“ (2011) bekannt sein. Doch was schon 1977 mit den seinerzeit namenlosen Harrison Ford, Carrie Fisher und Mark Hamill geklappt hat, funktioniert auch hier: Star Power fehlt hier keineswegs, im Gegenteil, die unverbrauchten Gesichter ermöglichen den Zugang zur Wiederaufnahme der Saga.

Flucht in einem vergammelten Raumschiff

Zumal die Newcomer Leinwand-Beistand von echten „Star Wars“-Routiniers bekommen. Denn zur Flucht von Jakku nutzen Rey und Finn ein seit Jahrzehnten vor sich hingammelndes Raumschiff: den Millennium Falken. Was – nach halsbrecherischen Flugmanövern im zyklopischen Wrack eines Sternenzerstörers – keine zwei Weltraumecken später zum Wiederauftauchen der ursprünglichen Besitzer führt: Han Solo und Chewbacca.

Dem 71-jährigen Chewbacca-Darsteller Peter Mayhew sieht man unter dem cockerspanielfeinen Wookiefell sein Alter ja nicht an. Han Solo hingegen wirkt keinen Tag jünger als die 73 Jahre, die Harrison Ford mittlerweile ist. Und die leichte Alterssteifheit des immer noch kein Fettnäpfchen auslassenden Weltraumtunichtguts wird genüsslich ausgeschlachtet. Im Versteck der Rebellen kommt es schließlich zum Wiedersehen mit Leia (Carrie Fisher, mit 59 die jüngste der Alten). Die einstige Prinzessin ist inzwischen taffe Generalin des Widerstands, ihre Liebe zu Han Solo an einer familiären Tragödie zerbrochen.

Doch die drohende Gefahr kittet alle Zerwürfnisse. Denn die dunkle Macht hat ihre einstige Superwaffe, den Todesstern, durch eine noch ungeheuerlichere Zerstörungsapparatur ersetzt. Ein kompletter Planet wurde in eine solare Kanone umgebaut, mit dem über interstellare Entfernungen hinweg ganze Planetensysteme ausgelöscht werden können.

Überwiegend unterhaltsam

„Das Erwachen der Macht“ ist, was man von zweieinhalb Dritteln der letzten Trilogie nicht sagen konnte, über einen Großteil seiner 135 Minuten Laufzeit unterhaltsam – sofern man nicht Grundbausteine der „Star Wars“-Dramaturgie wie Laserschwertduelle, Raumschiffattacken oder das sich in stieren Blicken und theatralischem Gefuchtel erschöpfende Ringen zweier Jedi-Antagonisten ermüdend findet. Aber warum sollte man dann in einen Star-Wars-Film gehen? Eben. Man besichtigt diesen kunterbunten kosmischen Karneval, weil man, wie es die „New Yorker“-Kritikerin Pauline Kael 1977 anlässlich des allerersten „Star Wars“ beinahe resignierend anmerkte, in seine Kindheit zurückkehren möchte.

Die wohlige Regression funktioniert – je nach biografischer Vorbelastung – auf mehreren Ebenen. Wer noch nie einen „Star Wars“-Film gesehen hat, kann sich trotzdem vergnügt auf dieses durchgeknallte Universum einlassen, kann schwerelose Sturzflüge durch im Wüstensand versunkene Raumschiffwracks bewundern, kann über die teils humanoiden, teils wirklich sehr, sehr seltsam aussehenden Bewohner diverser Welten staunen, kann sich in die märchenhafte Einfachheit und gleichzeitig tragödische Wucht der sich nach und nach entfaltenden Handlung fallen lassen.

Wer hingegen das „Star Wars“-Universum bereits kennt, wird von Abrams und seinem Team fast schon überfüttert mit Anspielungen, Verweisen und Zitaten. Das reicht vom ikonischen Beginn mit dem in der Tiefe des Weltalls kleiner werdenden schriftlichen Prolog bis hin zu annähernd eins zu eins nachinszenierten Szenen und Dialogen. Die legendäre Bar-Sequenz auf Mos Eisley aus dem ersten „Star Wars“ wird mit einer nun noch bizarrer aussehenden Alien-Band ebenso aufgegriffen wie die hektischen Cockpit-Dialoge der X-Wing-Fighter-Piloten oder die aus Fiep- und Piepsgeräuschen bestehenden Kommentare des neunmalklugen Roboters BB-8, die auf sein genealogisches Vorbild R2-D2 anspielen.

In Würde altern auch die Dinge

Entscheidend für die filmimmanente Glaubwürdigkeit von „Das Erwachen der Macht“ ist der Umgang mit dem Faktor Zeit: Die 32 Jahre seit dem Finale der ursprünglichen Trilogie haben eben nicht nur Spuren in den Gesichtern der gealterten Originaldarsteller (und es tauchen nicht nur die oben genannten auf) hinterlassen, sondern, und das ist entscheidend, auch auf der Oberfläche der Dinge. Der ausgemusterte Millennium Falke sieht mit seinen abgewetzten Sesselbezügen wie Weltraumschrott aus, Darth Vaders Helm ist zerquetscht und sogar der Hochglanzdroide C-3PO muss sich mit einer angerosteten Armprothese begnügen.

Die Etablierung eines „gebrauchten“ Universums war 1977 eine von Lucas’ besten Ideen, die seither – als Gegenentwurf zur cleanen Welt von „Star Trek“ – zum Science-Fiction-Standard geworden ist. Die Ausstattung von Rick Carter („Avatar“) und Darren Gilford („Oblivion“) setzt hier neue Maßstäbe.

Ein rundum gelungenes Weltraumabenteuer also? Die Fans werden es nicht hören wollen, aber bereits im Original angelegte Schwächen wie suboptimale Schauspielleistungen, ein zwischen Stillstand und Schweinsgalopp pendelnder Erzählrhythmus oder der bisweilen alberne Humor der Saga setzen sich auch im Update fort. Dem Erfolg der Sternenkrieger hat derlei irdische Mäkelei bislang nicht im Wege gestanden. Es gibt wenig Grund zu der Annahme, dass sich das ändern wird.

Ab Donnerstag in 26 Berliner Kinos.

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