„Anne Will“ zum Klimapaket: Was muss denn nun geschehen?
Anne Will diskutiert mit ihren Gästen, ob das Klimapaket der Bundesregierung ein großer Wurf sei. Die Debatte gerät etwas anstrengend und wenig optimistisch.
Fernsehen kann schnell sein, aber die Welt der Nachrichten ist noch schneller. Anne Will hatte ihrer Sendung vom Sonntagabend das Motto gegeben: „Das Klimapaket der Bundesregierung – großer Wurf oder große Enttäuschung?“ Die Fachwelt und nicht nur die politischen Gegner der schwarz-roten Koalition hatten da längst ihr Verdikt gesprochen: Es reicht nicht. Genau das ist auch der Tenor der Schlagzeile auf Seite 1 der Tagesspiegel-Ausgabe vom Montag. Alles also nur Show, auf dem Weg zum Klimagipfel nach New York?
Während Anne Will am Sonntagabend noch ihre Moderationskarten sortierte, zogen über dem blauen Himmel von Berlin zwei vierstrahlige Düsenmaschinen ihre Spuren auf dem Weg nach New York und Washington. Klarer hätte man die Mühen der Ebene beim Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht dokumentieren können: Die Kanzlerin und die CDU-Vorsitzende machten sich in zwei und nicht etwa in einem Regierungsflieger auf den Weg über den Atlantik nach New York und Washington, obwohl doch ihre Ziele nur 330 Kilometer Luftlinie auseinander liegen. Getrennte Planung, das Argument. Wie schwach.
Verantwortung für den sozialen Frieden
Etwa zu der Zeit, zu der die Maschinen der beiden deutschen Politikerinnen im Landeanflug in den USA waren, wagten sich im Berliner Studio diese fünf als Gäste von Anne Will an die Analyse: Peter Altmaier, seit März 2018 Bundesminister für Wirtschaft und Energie, zuvor fünf Jahre Chef des Bundeskanzlerinnenamtes; Annalena Baerbock, eine der beiden Parteivorsitzenden der Grünen; Otmar Edenhofer, Direktor des Potsdam Institutes für Klimafolgenforschung, PIK; Claudia Kemfert, Abteilungsleiterin für Energie, Verkehr und Umwelt beim deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, in Berlin; Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“ und zuvor zehn Jahre Ressortleiter beim Tagesspiegel;
Wenig überraschend, dass Peter Altmaier in der Fünferrunde der Gäste der einzige war, der das Klimaschutzpaket verteidigte. Sein gewichtigstes Argument ließ sich freilich weder durch höhnisches Lachen noch durch Jubel für die Sichtweise der Gegenseite aus der Welt schaffen: Politik muss die Verantwortung für den sozialen Frieden wahren, deshalb könne sie nur langsam voranschreiten und nicht disruptiv. Was hilft eine Klimaschutzpolitik, für die sich keine Mehrheit findet?
Dass seine Vorsicht nicht ganz unberechtigt war, zeigte sich bei der Argumentation von Annalena Baerbock, der Co-Vorsitzenden der Grünen, die sich zum Thema der erhöhten Pendlerpauschale nicht eindeutig ausdrückte: Trägt ihre Partei diese Entlastung der Berufstätigen, die auf das Auto angewiesen sind, nun im Bundesrat mit, dass also die Kilometer-Pauschale angesichts steigender Benzinpreise erhöht wird oder nicht? Immerhin sind die Grünen in neun der 16 Länder an den Landesregierungen beteiligt, sie können also das Regierungspaket in der Länderkammer blockieren.
Weitere Texte zum Klimapaket der Bundesregierung:
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Diskussion plätschert im Konsens
Interessant die Argumentation der Nicht-Politiker: Otmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, hält den Einstiegspreis von zehn Euro für jede Tonne CO2 für völlig ungenügend und spiegelt damit die Position der Experten –50 Euro fände der angemessen. Claudia Kemfert vom DIW stimmt ihm prinzipiell zu, sieht das Regierungskonzept aber strategisch: Ein Anfang sei gemacht, nun werde eine Automatik der CO2-Einsparungen ausgelöst, der sich die Regierung nicht mehr entziehen könne. Das sei gut.
Ein Thema, dem sich die Politik weiter widmen sollte, auch das lehrte der Abend, ist das der Windenergie: Sind die Bürger wirklich nur gegen Windräder, weil sie Krach machen und hässlich sind, oder weil von ihrer Aufstellung oft nur die profitieren, die sie in die Landschaft pflastern, nicht aber die Anwohner? Wenn man hier auch zu einer lokalen Verteilung der Profite käme, würde sich vermutlich vieles regeln lassen.
Bernd Ulrich, der Zeit-Journalist, wurde der ihm zugedachten Aufgabe gerecht. Er heizte die Debatte an, wo sie im eher müden als überzeugten Konsens zu verplätschern drohte. Wie es wohl weiter gehen wird, deutete Wirtschaftsminister Peter Altmaier in einem fast schon flehenden Blick zur Grünen-Chefin Annalena Baerbock an: Lassen Sie uns reden.
Insgesamt eine etwas anstrengende Sendung, was weniger an der gut vorbereiteten Anne Will als am Thema lag. Um es mit dem Titel einer Kurzgeschichte von Heinrich Böll aus dem Jahre 1956 zu sagen: Es muss etwas geschehen. Nur was?