Von Windenergie bis Wasserstoff: Was noch alles im Klimapaket enthalten ist
Beim CO2-Preis handelt es sich um einen Minimalkonsens. Es gab aber auch Erfolge bei den Verhandlungen zum Klimapaket. Eine Analyse.
Nach knapp 20 Stunden Verhandlung präsentieren die Koalitionsspitzen und das Regierungskabinett das Maßnahmenpaket, mit dem Schwarz-Rot die Klimaziele bis 2030 erreichen will. Der CO2-Preis, über den so viel diskutiert wurde, soll anfangs nur bei zehn Euro pro Tonne liegen. Auch deswegen hagelt es von Energie- und Klimaexperten teils vernichtende Kritik.
Wenig überraschend haben sich die Koalitionäre auf ein Mischsystem aus CO2-Festpreis und Emissionshandel geeinigt. Starten soll es ab 2021 über einen Fixpreis und dieser ist extrem niedrig angesetzt: 2021 soll er bei zehn Euro pro Tonne CO2 liegen. In jährlichen Schritten geht es bis 2025 rauf auf 35 Euro pro Tonne CO2 liegen. Diese Höhe wurde ursprünglich mal als Einstiegspreis diskutiert.
Ab 2026 soll der Emissionshandel übernehmen. In dem Emissionshandel soll auch ein Höchstpreis von 60 Euro gelten. Ob dieser ewig gilt, soll diskutiert werden. Laut Energierechtlern ist zu klären, ob die Umsetzung eines Emissionshandels mit Preisdeckel vor verfassungsrechtlichen Hürden steht.
Der Kontrollmechanismus: Jedes Jahr den Finger in Klimalücke legen
Der extrem niedrige CO2-Einstiegspreis mag vor allem Umweltverbände enttäuschen. Doch mit Blick auf die gesetzlichen Regelungen, die das Klimapaket vorsieht, wird klar, dass die SPD sich hat diesen Einstiegspreis hoch bezahlen lassen: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich mit ihrer Forderung nach festen Sektorzielen gegen die Union durchgesetzt. Jährlich definierte CO2-Minderungsziele sollen nun gesetzlich festgeschrieben, ihre Einhaltung soll mithilfe externer Experten überprüft werden. Damit schaffe man „größtmögliche Transparenz und Erfolgskontrolle“. Die Federführung bei Monitoring soll das Klimakabinett erhalten, das von einer befristeten zu einer festen Institution wird. Reißt ein Sektor sein Ziel, muss der zuständige Minister dem Klimakabinett binnen drei Monaten ein Sofortprogramm zum Nachsteuern präsentieren.
Windenergie: Offshore statt Onshore
Auf den letzten Metern haben sich die Koalitionäre auch noch beim heftig umstrittenen Thema Windenergie geeinigt. In einem Radius von 1000 Metern um Wohngebiete sollen künftig keine Windräder mehr errichtet werden dürfen, um den Konflikt mit den Anwohnern zu befrieden. Dadurch würde allerdings die verfügbare Fläche für die Onshore-Windkraft um rund die Hälfte reduziert, hatte das Umweltbundesamt berechnet. Und das, wo doch in diesem Jahr aus Mangel an genehmigten Flächen ohnehin kaum noch neue Windräder ans Netz gehen.
Im Gegenzug soll das Ausbauziel für die Offshore-Windkraft für 2030 von 15.000 auf 20.000 Megawatt steigen – vorbehaltlich verbindlicher Vereinbarungen mit den Küstenländern und Übertragungsnetzbetreibern für einen stärkeren Netzausbau. Bei der letzten Überarbeitung des Eckpunktepapier am Freitag kam auch noch die Aufhebung des Ausbaudeckels für Solar-Dachanlagen von 52.000 Megawatt in das Papier. Einen Prüfauftrag enthalten die Eckpunkte für die Verbesserung der Rahmenbedingungen beim Mieterstrom.
Die neuen Abstandsregelungen gelten auch für bestehende Flächenpläne, die vor dem 1. Januar 2015 in Kraft traten. Außerdem gibt es eine Länderöffnungsklausel beziehungsweise Opt-Out-Regel: Die Länder können innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten einer Neuregelung geringere Mindestabstände festlegen. Auch Kommunen haben die Möglichkeit unbefristet, geringere Abstände festzulegen. Sie sollen auch an den finanziellen Erlösen durch die Windräder beteiligt werden. Umso stärker, wenn sie von der Opt-Out-Regel keinen Gebrauch machen.
Sektorkopplung: Wasserstoff vor allem für den Verkehr
Die Koalition will Hindernisse für die Sektorkopplung aus dem Weg räumen, „soweit das wirtschaftlich sinnvoll ist“. Dazu sollen Energiespeicher von Umlagen befreit werden und den Letzverbraucherstatus erhalten. Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung soll „weiterentwickelt“ und bis zum Jahr 2030 verlängert werden.
Im Kontext der Sektorkopplung unerwähnt lässt das Papier Power-to-X-Technologien, mit denen grüner Strom zur Erzeugung von Wasserstoff, synthetischen Kraftstoffen oder Wärme genutzt werden kann. Das lässt darauf schließen, dass die Bundesregierung wenig Potenzial für die Nutzung von Überschussstrom aus Wind- und Solaranlagen sieht, der wegen mangelnder Leitungskapazitäten nicht eingespeist werden kann.
Wasserstoff taucht in dem Koalitionspapier im Unterkapitel „Sektor Verkehr“ auf. Hier denken die Koalitiosspitzen an die Nutzung von Wasserstoff in Brennstoffzellen. Man werde Rahmenbedingungen schaffen für eine „großvolumige Skalierung der Elektrolyse- und Raffinerieprozesse zur Erzeugung von strombasierten klimaneutralen Gasen und Kraftstoffen“. Zum Einsatz kommen sollen sie vor allem im Schwerlast-, Luft- und Schiffsverkehr, in der Chemie und in der Industrie. Keine Rede ist von einer Wasserstoffeinspeisung ins Gasnetz anstelle von Erdgas.
Gebäude: Viel Förderung, aber keine strengen Standards
Einen Durchbruch hat die Koalition mit der Steuerförderung der energetischen Gebäudesanierung geschafft. Wer seine Immobilie selbst nutzt, kann 20 Prozent der Kosten verteilt auf drei Jahre von der Steuerschuld abziehen. Gefördert werden auch Einzelmaßnahmen, während die wichtigen Förderprogramme der KfW auf Komplettsanierungen abzielen. Steuerförderung und KfW-Förderung gleichzeitig ist ausgeschlossen. Wer aber lieber die KfW-Förderung in Anspruch nimmt, bekommt dort in Zukunft zehn Prozent mehr.
Um die Eigentümer zu unterstützen, soll die „Energieberatung für Wohngebäude“ verbessert werden. Zu bestimmten Anlässen wie einem Eigentümerwechsel werden Beratungen verpflichtend.
Die energetischen Standards werden bis 2023 nicht erhöht. Immerhin: Neue Ölheizungen sollen ab 2026 nicht mehr eingebaut werden und Gasheizungen anteilig erneuerbare Energien einbinden. Der Bund selbst will – entgegen seiner bisherigen Strategie – bei eigenen Gebäuden vorbildlich werden und ab 2022 bei neuen Gebäuden die beste Effizienzklasse (KfW40) erreichen. Bei allen neuen großen Sanierungs- und Modernisierungsbauvorhaben ab einem noch zu definierenden Stichtag soll der zweitbeste Standard (KfW 55) gelten.
Entlastung: Über die Ökostrom-Umlage
Eine Senkung des Strompreises für Bürger und Unternehmen soll durch eine niedrigere EEG-Umlage erreicht werden, zunächst aber nur in geringem Maß. Sie soll um 0,25 Cent pro Kilowattstunde, später um 0,625 Cent sinken. Die Pendlerpauschale soll ab dem 21. Kilometer von 30 auf 35 Cent steigen, auch das Wohngeld soll erhöht werden.
Die Finanzierung: 54 Milliarden Euro bis 2023
Dass das Klimapaket ein Volumen von allein 54 Milliarden Euro bis 2023 habe, zeige, „dass wir die Herausforderung angenommen haben“, sagte VizekanzlerOlaf Scholz (SPD) bei der Vorstellung des pakets. Finanzieren will er etwa über die Einnahmen aus dem bestehenden Europäischen Emissionshandel. Aber man müsse auch über andere Möglichkeiten nachdenken. Scholz denkt da auch an die Einnahmen aus dem neuen Emissionshandel.
Die Reaktionen
„Erschreckend kraft- und mutlos“ nennt Patrick Graichen, Direktor des Thinktanks Agora Energiewende. Insbesondere die vorgeschlagene CO2-Bepreisung sei schlicht ein schlechter Scherz.
Laut Klimaökonom Ottmar Edenhofer ist der Beschluss ein Dokument der politischen Mutlosigkeit. „Mit dieser Entscheidung wird die Bundesregierung die selbstgesteckten Klima-Ziele für 2030 nicht erreichen. „Der CO2-Preis hätte das klimapolitische Leitinstrument werden müssen, hat aber nun nur eine Alibi-Funktion.“
Zur leicht positiver bewertet hingegen Marie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, das Paket. Die heutige Einigung im Klima-Kabinett enthalte zwar einige wichtige Weichenstellungen. Das Gesamtpaket enttäusche jedoch, sagt sie.
Michael Ebling, der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen, schaut hingegen auf die Entlastungen für Bürger über das Abschmelzen der EEG-Umlage. Dies sei zu wenig. „Die geplante Entlastung macht für einen durchschnittlichen Haushalt gerade einmal 20 Euro pro Jahr aus.“ Das sei in etwa eine Bahnfahrt von Mainz nach Frankfurt/Main und zurück.