Diskussion zur Finanzierung von ARD & Co.: Sollte der Rundfunkbeitrag von der Inflation abhängen?
Die Rundfunkpolitik überlegt, die Erhöhung des Rundfunkbeitrags mit der Höhe der Inflationsrate zu koppeln. Klingt einfach, hat aber einen Haken.
Im vergangenen Jahr lag die Inflationsrate in Deutschland bei 1,8 Prozent. Würde der Rundfunkbeitrag von aktuell 17,50 Euro im Monat um diesen Prozentwert steigen, läge er bei rund 17,82 Euro. Für 2019 wird die Inflationsrate bisher bei 1,6 Prozent geschätzt. Der Rundfunkbeitrag würde auf 18,15 Euro steigen.
Das ist jetzt eine fiktive Rechnung, die davon ausgeht, dass die Einnahmen für ARD, ZDF und Deutschlandradio automatisch Jahr für Jahr um die Inflationsrate des Vorjahres klettern würden. Zugleich ist das Rechenmodell nicht aus der Luft gegriffen. Würde die monatliche Abgabe von Privathaushalten, Institutionen und Gewerbe nicht länger über das gültige KEF-Modell – Sender melden für eine vierjährige Periode an, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs schlägt eine Beitragshöhe vor, 16 Regierungschefs prüfen, 16 Länderparlamente billigen die endgültige Höhe – fixiert, dann wären es Faktoren wie Lebensmittel, Verkehr, Wohnung, Wasser, Gas und Freizeit, die die Einnahmen der öffentlich-rechtlichen Sender bestimmen. Energie geht mit knapp 14 Prozent, Wohnungsmiete mit rund 21 Prozent in den Preisindex ein.
Beschlossen ist die Systemumstellung keineswegs, aber sie hat längst Eingang gefunden in die aktuelle Rundfunkdiskussion, die sich im Kern um den künftigen Auftrag und um die künftige Finanzierung der Anstalten dreht. Man könnte auch sagen: im Kreise dreht.
Am kommenden Mittwoch wollen sich die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer wieder über das Thema beugen. Beratungen zum Finanzierungsmodell wird es geben, das ist sicher, sehr unsicher ist, ob es Beschlüsse geben wird.
Verantwortung wird ausgelagert
Das KEF-System hat im Kreise der Rundfunkpolitiker an Zustimmung verloren, das Index-Modell bei selbigen gewonnen. Zwei Stimmen dazu: Der Chef der sächsischen Staatskanzlei, Oliver Schenk (CDU), sagte bei den Medientagen Mitteldeutschland, die Höhe des Beitrags spiele für Akzeptanz und Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks „eine ganz zentrale Rolle“. Die Debatte über das Indexmodell sei „kein ganz dummer Vorgang und wir sollten ihn auch weiter vorangehen, weil er uns hilft, die Akzeptanz des Systems wieder zu stärken.“
Die rheinland-pfälzische (Medien-)Staatssekretärin Heike Raab (SPD) betonte, ein Indexmodell werde kein Geld sparen, aber „vielleicht Beruhigung in die politische Debattenlage“ bringen.
Da stecken einiges Wunschdenken und der Wunsch drin, dass sich das ungeliebte Thema der Beitragssteigerung von der Rundfunkpolitik abkoppelt. Kommt der Index via Inflationsrate, dann wird die Inflationsrate sagen: Was kann ich dafür, dass der Index so hoch ist? Und die Rundfunkpolitik wird sagen: Was können wir dafür, dass der Rundfunkbeitrag so hoch ist? So wird Verantwortung ausgelagert.
Der Vorsitzende der KEF-Kommission, Heinz Fischer-Heidlberger, hat sich gegen eine Systemänderung ausgesprochen. Ein Indexmodell vorzuschlagen und zugleich Beitragsstabilität zu fordern, sei nicht möglich, betonte er. Ein Indexmodell laufe auf eine Lotterie hinaus, bei der die Anstalten gemessen an ihren Bedarfen entweder zu viel oder zu wenig Gelder erhielten, erklärte Fischer-Heidlberger.
Die Inflationsrate ist, anders als die rundfunkspezifische Teuerung gemäß KEF-Empfehlung, tatsächlich eine unwägbare Größe. 2015 lag sie bei 0,3 Prozent. Die Anstalten fordern zu Recht Planungssicherheit. Wer kontrolliert dann, wie die Sender mit den anwachsenden Milliarden umgehen? Werden Über- oder Unterfinanzierung ausgeglichen?
Vom Thema genervt
Erkennbar ist: Nicht wenige in den Senats- und Staatskanzleien sind vom Thema genervt, in einem mühsamen Abstimmungsprozess, der schließlich in den Konsens aller 16 Länder münden muss, die faktische Beitragshöhe festzulegen. Mit einer Steigerung nach welchem Modell auch immer werden kaum Stimmen und kaum Wahlen gewonnen, umso weniger, als die AfD, erklärter Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen vor eklatanten Zugewinnen steht.
Sollte sie eine der künftigen Landesregierungen in welcher Dimension auch immer mitdominieren, steht ein Plus beim Rundfunkbeitrag zur nächsten Beitragsperiode 2021 Spitz auf Knopf.
Die Rundfunkpolitik hat sich – quasi mit Ansage – in diese unerfreuliche Lage gebracht. Über den Programmauftrag wird seit Jahren diskutiert, dito die Finanzierung, Papiere werden geschrieben und verworfen, Allianzen finden sich und zerbrechen. Nur in einer Hinsicht formiert sich der Chor: Die Anstalten müssen sparen. ARD, ZDF und Deutschlandradio sagen, sie hätten hart gespart, jetzt könne nur noch an den Programmen gespart werden. Ein Unentschieden ist ein Ergebnis, eine Lösung ist es nicht.