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Kommissar Karow (Mark Waschke, rechts) und Armin (Jens Harzer), der homosexuelle Ehemann des toten Lehrers, kommen sich näher.
© RBB/Andrea Hansen

Montagabend: Berliner "Tatort": Tod im Rollbergkiez

Homofeindlichkeit im Problemkiez: Mit „Amour fou“ ist dem RBB ein ungewöhnlicher „Tatort“ geglückt. Wegen Pfingsten wird der neue ARD-Krimi am Montag ausgestrahlt.

Robert Karow ist kein Verräter, er trägt keine Schuld am Tod seines Kollegen, das steht nun fest. In den ersten vier Folgen des Berliner „Tatort“ mit Meret Becker und Mark Waschke fragte sich Kommissarin Nina Rubin immer wieder, wie weit sie ihrem Kollegen trauen darf. Die Antwort darauf gab es in „Dunkelfeld“ Ende vergangenen Jahres. Die Verschwörung, von der Karow erzählte, sie hat es wirklich gegeben. Doch wie wirkt sich die Entlastung Karows nun auf die Zusammenarbeit der beiden eigenwilligen Persönlichkeiten aus? Und wird es erneut einen Handlungsstrang geben, der über einzelne Folge hinausreicht, der mehr einschließt als die Frage, ob die beiden miteinander können?

Das Ende der Geschichte um organisierte Kriminalität und Korruption stellt jedenfalls eine Erleichterung da. Sie war nicht so außergewöhnlich, dass sie jedermann sofort im Gedächtnis bliebe, zumal zwischen den Folgen jeweils ein halbes Jahr lag. Tatsächlich stellt sich bei „Amour fou“, dem neuen „Tatort“ des Rundfunk Berlin-Brandenburg, eine ganz andere Frage: Welchen Einfluss hat es, wenn an zentralen Stellen plötzlich fast ausschließlich Frauen stehen, wie Produktionsleiter Konstantin von Carlowitz bemerkte? „Allein unter Frauen, das hatte ich noch nie. Sehr spannend“, lautete sein Kommentar.

Tatsächlich ist die Aufzählung bemerkenswert. Regie führte Vanessa Jopp, an der Kamera agierte Judith Kaufmann. Für das Szenenbild war Isabel von Forster, für Kostüme Petra Kray, für die Maske Sonia Salazar-Delgado und für die Herstellungsleitung Ira Wysocki verantwortlich. Und beim RBB betreuten Cooky Ziesche als Leiterin der Filmabteilung und Redakteurin Josephine Schröder-Zebralla den Entstehungsprozess. Nicht zu vergessen: Sybille Stellbrink als Produzentin. „Es lief extrem professionell und angenehm, sogar entspannter. Manche Männer neigen dazu, auch mal laut zu werden. Das gab es bei diesem Dreh gar nicht. Die Konstellation passte also perfekt zum feinfühligen Drehbuch. Und das stammt von einem Mann, von Christoph Darnstädt“, stellte der Produktionsleiter fest.

Eine stark verkohlte Leiche im Schrebergarten

Schon nach wenigen Minuten fällt auf: „Amour fou“ wird sehr ruhig erzählt, obwohl der „Tatort“ mit einem äußerst drastischen Todesfall beginnt. In einem Schrebergarten nahe dem Tempelhofer Feld wird eine stark verbrannte Leiche gefunden. Bei dem Toten handelt es sich um einen Lehrer, der in einer Gesamtschule im Neuköllner Rollbergkiez unterrichtet hat – bis er einen Tag zuvor beurlaubt wurde. Enno Schopper war offen schwul, er kämpfte als Lehrer für mehr Akzeptanz für Homosexualität.

Eine schwierige Aufgabe in einem Kiez mit extrem hohem Anteil von türkisch- und arabischstämmigen Menschen mit einer ausgeprägt homophoben Einstellung. Beurlaubt wurde er, weil er sich angeblich im Sport-Umkleideraum sexuell an einem Schüler vergangen hat. Ausgerechnet an Duran (Justus Johannssen), jenem früher verwahrlosten kroatischen Jungen, den Enno unter seine Fittiche genommen hatte und der nun dank seiner Unterstützung bald Abitur machen sollte.

Eine Annäherung des Kommissars an einen Verdächtigen?

Mit Anfeindungen hatte Enno schon länger zu kämpfen. Vor Jahren war das Auto des Lehrers angezündet worden, erzählt Ennos Ehemann Armin (Jens Harzer). „Sie wissen ja, was man sagt: Erst die Schwuchtelkarre, dann die Schwuchtel“, sagt er zu den Ermittlern. Armin, gut situierter Erbe eines großen Vermögens, führte den Haushalt, zu dem auch Duran (Justus Johanssen) gehörte – der seit Ennos Tod vermisst wird. Dies besonders von Jasna (Lisa Vicari), Durans Freundin, die gerade erfahren hat, dass sie von ihm schwanger ist. Doch wer sollte ein Motiv für einen Mord haben?

Jenseits des aktuellen Falls aber müssen Rubin und Karow ihren Modus Vivendi finden. Mitunter wird es dabei laut, und dann auch heftig. Dann fällt das F-Wort besonders häufig. Sie meine wohl, dass er alles flachlege, „was nicht schnell genug auf den Baum kommt“, hält Karow seiner Chefin entgegen, als sie eine Annäherung des Kommissars an Armin, der ja zum Kreis der Verdächtigen gehört, vermutet.

Auf Klischees verzichtet

„Amour fou“ hat für einen Krimi ungewöhnlich viele schöne Seiten. Das Klischee vom sozialen Brennpunkt Rollbergkiez wird nicht strapaziert, ganz im Gegenteil gibt es auch hier den positiven Blick und die Suche nach Perspektiven. Jens Harzer spielt den schwulen Hausmann – die „Mutti“, wie Karow provokant sagt – auf gleichermaßen einfühlsame wie bestimmte Weise. Und auch der Anspruch des RBB, dass Berlin in den „Tatorten“ als weiterer Hauptdarsteller eine bedeutende Rolle spielen soll, wird erfüllt – unter anderem durch ein Plädoyer von Nina Karow für die Stadt, aber auch durch die Bilder vom Tempelhofer Feld, das für Enno Schoppe und vermutlich viele andere Menschen auch „ein Stück Meer in der Stadt“ ist.

Passend dazu werden die Bilder von wogendem Wasser mit Charles Trenets „La Mer“ unterlegt. „Und durch ein Liebeslied hat das Meer mein Herz ins Leben gewiegt“, heißt es zum Ende des Chansons. Von der Musik zum Ton, für den bei „Amour fou“ Kai Lüde zuständig war: Wenn möglich, sollte man sich den Film mit Kopfhörer anhören und dabei auf die Hintergrundgeräusche achten, ob jetzt im Kommissariat oder auf der Schultoilette. Wie wichtig die Kamera für einen gelungenen Film ist, muss nicht erwähnt werden. Dass der für den Ton Verantwortliche dafür sorgt, dass man die Akteure gut verstehen kann, sollte ebenfalls selbstverständlich sein. Doch welchen Einfluss die Geräusche haben, die – wie zum Beispiele die unterschwelligen Töne aus einer Turnhalle – bewusst häufig gar nicht wahrgenommen werden, ist spektakulär.

„Tatort: Amour fou“, ARD, Montag, 20 Uhr 15

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