Meret Becker und Mark Waschke: „Wir sind kein Herz und eine Seele“
Meret Becker schießt gerne, Mark Waschke findet es merkwürdig. Die neuen Berliner „Tatort“-Kommissare sprechen im Tagesspiegel-Interview über ihren ersten Einsatz.
Meret Becker, Mark Waschke. Sie haben gerade mit den Dreharbeiten für den ersten „Tatort“ des neuen Berliner Ermittlerteams mit den Kommissaren Nina Rubin und Robert Karow begonnen. Haben Sie schon ihre Schießübungen hinter sich?
MARK WASCHKE: Ich war schon, du musst noch.
MERET BECKER: Und zwar am heiligen Schabbat werde ich schießen.
MARK WASCHKE: Ich war vor zwei Wochen draußen am Wannsee und habe mit der P6 geübt. Mit der Pistole werden wir auch im „Tatort“ ausgestattet. Das Ding ständig bei sich zu tragen, finde ich eine ganz merkwürdige Vorstellung. An dem Samstag kamen nach mir noch ganz viele andere Leute: Jäger, Schützen, die nach Polizisten aussahen, und über und über tätowierte Türsteher. Das war schon sehr interessant, wer sich hier gemeinsam am Samstag zum Ballern mit großkalibrigen Waffen trifft.
Da haben Sie möglicherweise nicht nur Schießen gelernt, sondern auch andere Sachen, die man für einen „Tatort“ gut gebrauchen kann.
MERET BECKER: Einen Türsteher hat man sicherlich auch schon im anderen Leben getroffen. Ich war zwar noch nicht da, aber meine Phantasie blüht bereits. Ich schieße übrigens sehr gerne. Allerdings mit Luftgewehren. Das ist eine ganz andere Tasse Tee. Neulich hat ein Freund meine neue Platte als surrealen Western verfilmt, da haben wir wildwestmäßig schon auch mit richtigen Gewehren geschossen. Das ist trotzdem etwas ganz anderes als das, was wir jetzt machen müssen: den „Tatort“-Ernstfall simulieren. Das ist schon sehr beeindruckend. Ich gucke mir jetzt öfters die Jungs an und denke: Die stehen in der Uniform wie mit einem rotem Tuch da. Ich möchte nicht in ein Haus gehen, wenn dort einer mit einer echten Waffe ist.
Werden die Kommissare Rubin und Karow häufig gezwungen sein, von der Waffe Gebrauch zu machen?
MARK WASCHKE: Das wird man erst im Rückblick sehen.
MERET BECKER: Das ist ja gerade das Ding bei den „Tatorten“, dass das eine Entwicklung ist. Aus dieser Folge lässt sich das jedenfalls nicht absehen.
MARK WASCHKE: Wir haben erst den Anfang gedreht. Wirklich toll ist, die erste Begegnung der Kommissare am Anfang gemacht zu haben, das war ein Geschenk.
Und war das eher ein Aufeinandertreffen oder ein Aufeinanderprallen?
MERET BECKER: Ich sag mal so. Nina Rubin ist da in einer Chefposition. Und wenn da jetzt ein Zweiter kommt, dann guckt man erstmal, wer das ist.
MARK WASCHKE: Wir treffen uns am Tatort, wo ich früher als geplant und überraschend ankomme. Und wir sind kein Herz und eine Seele.
MERET BECKER: Und es fehlt die Leiche. Das bringt Konflikte mit sich. Aber in einem Film ist es ohnehin interessanter, Konflikte zu erzählen.
Was macht Nina Rubin aus, die aus dem Wedding stammt, zwei Kinder und einen Ehemann hat und ansonsten das Berliner Nachtleben liebt?
MERET BECKER: Die kommt aus einem Jungshaushalt, ist mit dem Vater und zwei Brüdern aufgewachsen in einem sehr sportbetonten Umfeld und sozialem Brennpunkt. So ist sie auch zur Polizei gekommen.
Und die Berliner Göre gibt es noch?
MERET BECKER: Wenn man darunter eine Frau mit einer gewissen Ausstrahlung versteht, die auch ab und zu berlinert und die nicht auf den Mund gefallen ist, dann wird man das vielleicht so nennen. Ich jedenfalls bin eine Berlinerin.
Wie ist Robert Karow angelegt?
MARK WASCHKE: Ich bin der Neue, das bringt viele Geheimnisse mit sich. Er kommt von der Drogenfahndung. Die Umstände, unter denen sein ehemaliger Kollege ums Leben kam, spielen in den Film hinein. Man weiß nicht, wie genau ich da involviert war. Ansonsten ist Robert Karow mit einer regen Auffassungsgabe gesegnet. Zudem bin ich eher ein Einzelgänger und nicht unbedingt der sozial kompatibelste.
Die Rolle eines „Tatort“-Kommissars verfolgt einen mitunter über Jahrzehnte, siehe Ulrike Folkerts als Lena Odenthal. Wie bereitet man sich auf solch eine Aufgabe vor?
MARK WASCHKE: Ich merke, wie sehr die Rolle mit der Geschichte zu tun hat, die erzählt wird, obwohl ich die auch bewusst setze, vor allem mit dem ersten Fall. Da gibt es so schnell kein Zurück. Aber Menschen sind nie etwas Fixes, die verhalten sich in der einen Situation so und in einer anderen ganz anders. Da geht es auch darum, das in Bewegung zu halten.
Gibt es bei Ihnen die Angst, zu stark mit dieser Rolle identifiziert zu werden?
MERET BECKER: Ich habe so oft den Satz gehört: Die Rolle ist ja wie ich selber. Obwohl das so verschiedene Rollen waren. Und zu Ulrike Folkerts: Die Zeiten sind ein bisschen vorbei, wo das Rollenbild so festgenagelt ist. Jemand wie Til Schweiger macht Kinofilme und vieles mehr. Der „Tatort“ deckt zudem so viele Bereiche ab, das ist ein neues Spiel, das da aufgeht. Die Rolle ist entwickelbar. Natürlich setzt man jetzt bestimmte Dinge an. Aber wo die Reise hingeht, ist offen. Es geht jetzt darum, einen guten Film zu machen. Ich gucke mir auch keine anderen „Tatorte“ an und vergleiche...
MARK WASCHKE: ... ich schon...
MERET BECKER: Wir sind ja unterschiedlich. Ich bin sozial viel netter, wissen Sie, der ist ein Einzelgänger.
Das Interview führte Kurt Sagatz.
Zum Thema: Berlin, Berlin
Der neue RBB-„Tatort“ wird nach dem Willen des ARD-Senders drei Hauptdarsteller haben: Meret Becker, Mark Waschke und Berlin. „Ein ,Trio criminale‘, das Geschichten mit Ecken und Kanten garantiert, hauptstädtisch und kiezig zugleich“, gibt Dagmar Reim, die Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg, dem neuen „Tatort“ mit auf den Weg.
In der Praxis führt dies zunächst einmal dazu, dass für die erste Folge mit dem Titel „Das Muli“ statt der sonst üblichen 22 gleich 25 Drehtage angesetzt wurden. Anders wären die vielen Drehorte nicht zu organisieren gewesen. Gedreht wird unter der Regie des mehrfachen Grimme-Preisträgers Stephan Wagner unter anderem auf der Dauerbaustelle des Großflughafens BER, in der Bahnhofsmission am Zoo, im Plänterwald sowie in Heiligensee, Mitte, Kreuzberg und Wilmersdorf. So viel Berlin in einem „Tatort“ war selten.
Nicht minder komplex sind allerdings auch die Figuren. Stefan Kolditz („Unsere Mütter, unsere Väter“) hat die Profile entwickelt und das Drehbuch der ersten Folge geschrieben.
Nina Rubin ist – typisch Berlin – rau, aber herzlich. Sie wächst in Wedding ohne Mutter auf, muss sich gegen zwei Brüder durchsetzen, der Vater flüchtet sich in die Arbeit im Boxclub, ihrem zweiten „Kinderzimmer“. Inzwischen ist sie verheiratet mit einem Charité-Arzt, ihre beiden Söhne sind mitten in der Pubertät.
Ihr neuer Polizei-Partner Robert Karow kommt aus gutbürgerlichem Elternhaus in Pankow, hat jedoch sein Jurastudium abgebrochen. Er ist kulturell interessiert, lebt aber lieber allein. Ihr erster Fall führt die beiden ins Milieu obdachloser Jugendlicher. sag