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Fast wie in Paris: Das „Entrecôte“ zu später Stunde.
© Julia Prosinger

Tipps für den späten Hunger: In diesen Berliner Restaurants kann man auch nachts gut essen

Nach dem Kino oder Konzert haben die Restaurantküchen oft schon geschlossen. Wohin für ein spätes Abendessen? Fünf Empfehlungen für die Nacht.

Entrecote

Manche Gäste rufen vom Flughafen durch, ob sie ihr Steak frites mit Sauce Bernaise (15 Euro) trotz der Verspätung noch erwischen, andere kündigen sich aus der Opernpause heraus an. Viele kommen, das sieht man an den Anzügen und Ledermappen, am Ende eines zu langen Arbeitstages, denn was entschädigt schöner für dröges Aktenstudium und zähes Verhandeln als ein paar Weinbergschnecken.

Im Entrecôte sagen sie dann meistens Ja, bis 23.30 Uhr hat die Küche ohnehin geöffnet, und selbst wenn der Grill schon erkaltet ist, wenn der letzte Tropfen Rotwein-Schalotten-Sauce aufgeleckt, wenn das Chateaubriand für mindestens zwei Personen (34 Euro für einen) bereits aufgegessen ist, bleiben noch Käseteller und Salate – mit diesem perfekt sauren Dressing – und natürlich die schwarzen Kochtöpfe voll thymiandampfender Muscheln (16 Euro).

Keine fünf Minuten brauchen die französisch säuselnden Kellner, um im Schummerlicht und Echo allergewichtigster Gespräche mit Bergen knusprigdünner Pommes allumettes durch die engen Reihen heranzutänzeln. Spätestens nach dem zitronigen Fingerwasserbad und dem zweiten Durchlauf der Edith-Piaf-Platte ist man entschlossen genug, um den Tag mit einer gewaltigen Portion der schokoladigsten Profiteroles zum Teufel zu jagen.

Schützenstraße 5, Mitte, Tel. 20 16 54 96, entrecote.de, Mo–Fr 11.30–24 Uhr, Sa+So 17.30–24 Uhr

The Butcher

„The Butcher“, das klingt erst mal nicht nach jemandem, dem man nach Mitternacht über den Weg laufen möchte. Aber wenn auf der Kantstraße die meisten asiatischen Restaurants schließen, ist der Letzte, der noch Essen mit Messer und Gabel anbietet, eben einer, der sich selbst „Der Fleischer“ nennt. Der Laden: chromblitzender Tresen, Hocker aus Holz und Stahl und überall weiße Kacheln wie im Schlachthaus. Die glatten Oberflächen wirken funktional, alles folgt offenbar einem großen Designplan. Man ahnt, dieser „Metzger“ ist einer, der mit dem bluttriefenden Tagesgeschäft nur kokettiert.

Dazu gehören selbstverständlich „bloody delicious Burger“ in vielen Varianten und außerordentlicher Qualität (knapp unter 10 Euro). Erstes Zeichen der Verfeinerung setzen der thailändisch angehauchte Spicy Beef Salat (15 Euro) und der Beef Steak Pie. Richtig feinsinnig wird der Metzger bei ausgezeichnetem Kabeljau in Bierteig, „Codfather“ genannt, und den Pommes mit pochiertem Ei in Trüffelsauce – Comfort Food extraedel, simpel in Papiertüten auf Chrom-Tabletts serviert, aber doch ausgefeilt, mit Stilbewusstsein und Ironie präsentiert.

Klingt bekannt? Richtig: „The Butcher“, im neuen Hotel Sir Savigny am Savignyplatz, ist eigentlich ein Hipster. Wie auch seine Gäste. Die sitzen nicht im grobschlächtigen Eingangsbereich, sondern dahinter am langen Holztisch in der Bibliothek. Blumengestecke, schweres Holzmobiliar, Foto- und Kunstbände zum Schmökern – der perfekte Rahmen, um Feingeister aus aller Welt kennenzulernen, die Spaß am Tiefstapeln haben.

Kantstraße 144, Charlottenburg, Tel. 323 01 56 73, the-butcher.com, letzte Bestellung: So–Do 0.45 Uhr, Fr, Sa 2.45 Uhr

Es muss eine Fata Morgana sein. Ein idyllischer Weingarten wuchert aus der Berliner Altbauwand heraus, üppige Trauben versprechend? Und das in der Glinkastraße, die tagsüber tot ist und am Abend mausetot? Warmes Kerzenlicht, das nach draußen dringt, der Geruch von Speck, um süße Pflaumen gewickelt? Was für eine Wohltat angesichts der Touristenfütterungsanstalten rund um den Gendarmenmarkt.

Nö, der Name ist so sympathisch wie das ganze Lokal mit den vielen Weinflaschen im Regal (von denen man 20 offen kredenzt) und der winzigen Küche, aus der Blutwurstcanapés getragen werden, Salate, Maultaschen, Weinbergschnecken. Alles schlicht und gut, mit Pfiff und zu moderaten Preisen. „Nö“ kann es schnell heißen: weil der Laden mal wieder voll ist. Oasen in der Wüste sind immer begehrt. Man rückt zusammen, setzt sich gemeinsam an einen Tisch, im Sommer stehen draußen Tische.

Weitsichtige Menschen erkundigen sich vorher, wann die Vorstellung in der Komischen Oper, die Symphonie im Konzerthaus vorüber ist, und reservieren. Die Musiker kommen dann auch gern hierher. Das Publikum ist gemischt. So wie es sich für eine Weinstube gehört und wie die Küche ist (süddeutsch und mediterran). Heißt: jung und alt, kleine und große Runden, leger und bürostilisiert. Ab elf wird die leicht reduzierte Nachtkarte gereicht, mit Flammkuchen in überraschenden Varianten – Blutwurst, Chorizo, Sardellen oder, ja, Trüffel, Wurst- und Käseplatten, Ziegenkäse-Chorizo-Canapés, ein Gewürztraminer dazu und: Seligkeit.

Glinkastraße 23, Mitte, Telefon 201 08 71, cafe-noe.de, Mo–Fr 12–1 Uhr.

Ein Spargel-Morchel-Risotto kurz vor Mitternacht

Fast wie in Paris: Das „Entrecôte“ zu später Stunde.
Fast wie in Paris: Das „Entrecôte“ zu später Stunde.
© Julia Prosinger

Cordobar

Wahrscheinlich ist mal wieder kein Platz, weil ein Trupp aufgekratzter österreichischer Winzer alle Plätze belegt hat. Oder einfach nur so, weil die Cordobar die Weinfreaks von sonst woher anzieht mit ihrem unverschämt lockeren Konzept. Diese Weinbar mit ihrer verblüffend kurzen Tradition verhält sich zu Berlin wie die Sansibar zu Sylt, alle denkbaren und undenkbaren Exaltationen eingeschlossen.

Je später, desto lustiger, das ist klar. Offen ist offiziell bis um zwei, die Küche schaltet schon früher aufs kleine Programm um, aber auch dann sind immer noch Überraschungen möglich aus den Töpfen von Waal Sterneberg, der Hähnchen mit Paprika, Hummus und Joghurt auftischt oder einfach was aus der Karte zum Teilen schickt, wenn er darf. Chef im Ring ist aber unangefochten Willy Schlögl, unerschütterlicher Master of Schmäh, der jedem Gast ansieht, welchen Wein er braucht, und ihn aus einem unerschöpflichen Vorrat herbeizaubert. Wein passend zum Essen? Ihm viel zu langweilig. Es hat also nahezu überhaupt keinen Sinn, hier nur für ein schnelles Glas hinzugehen, zumal sich die kunstfertige Konstruktion dieser Absturzstelle auch nur langsam erschließt. Dann allerdings umso nachhaltiger.

Große Hamburger Str. 32, Mitte, Telefon 27 58 12 15, cordobar.net, Di–Sa 19–2 Uhr

Manzini

Wilmersdorf und Nachtleben? Muss ein Witz sein. Von wegen. Noch zu Lebzeiten der mittlerweile ausgestorbenen Wilmersdorfer Witwen mit Hut gab es rund um den Fasanenplatz schon so legendäre Bars wie die Galerie Bremer und den Rum Trader. Und seit Anfang der 1990er gibt’s das Manzini, ein gepflegtes Lokal mit Patina: Die Wände tragen ein so warmes Gelb, als würde noch immer geraucht, die Bar sieht aus wie von Manet gemalt. Man sitzt in einem langen Schlauch auf einer langen grünen Bank, zieht sich in intime Nischen zurück oder hält, wie die Kulturschickeria, draußen auf dem Trottoir Hof.

Das Manzini ist das Wohnzimmer der bürgerlichen Bohème, viele Bewohner der Nachbarschaft. In dem Zwitter aus Bistro und Kaffeehaus, der als Ableger des Einstein begann, bekommt man Klassiker wie Entrecôte und Wiener Schnitzel, Crème Brûlée und Kaiserschmarrn, Club Sandwich und Kalbfleischpflanzerl mit Kartoffel-Gurken-Salat. Kurz vor Mitternacht kann man sich immer noch ein mit Rosmarin und Prosecco kräftig aromatisiertes, schön schlotziges Spargel-Morchel-Risotto bestellen. Später wird der Hunger der Gäste mit Sandwiches gestillt, serviert von einer in Berlin raren Spezies, einem echten, zuvorkommenden Kellner mit Schlips, Weste und weißer Schürze. Wilmersdorfer Witwenpreise.

Ludwigkirchstraße 11, Wilmersdorf, Tel. 88 578 20, manzini.de, täglich 8–2 Uhr.

Weitere Spätis

Aroma, Kantstraße 35, Charlottenburg,Tel. 375 916 28, tägl. 12–3 Uhr, Küche bis 2.30 Uhr: Kantonesische Küche mit Dim Sum. cafe-aroma.de

Cafè Jaques, Maybachufer 8, Neukölln, 694 10 48, täglich ab 18, Küche bis 23.30 Uhr: Bistro. facebook.com/cafe-jacques-am-maybachufer

Cassambalis, Grolmannstraße 35, Charlottenburg, Tel. 885 47 47, Mo–Sa 12–1 Uhr, So 14–1 Uhr, Küche bis 24 Uhr: Edle griechisch-italienische Küche. cassambalis.de

Grill Royal, Friedrichstraße 105b, Mitte, Tel. 28 87 92 88, täglich 18–23.30 Uhr: Steak- und Fischgerichte & Prominente am Nebentisch. grillroyal.com

Industry Standard, Sonnenallee 83, Neukölln, Tel. 627 277 32, Di–So 19–24 Uhr, letzte Bestellung 23.30: Fine Dining in Neukölln. industry-standard.de

Paris bar, Kantstraße 152, Charlottenburg,Tel. 3138052, tägl. 12–2 Uhr, Küche bis 1 Uhr: Französischer Klassiker. parisbar.net

Schwein, Elisabethkirchstraße 2, Mitte, Tel. 243 562 82, täglich ab 17 Uhr, Küche maximal bis 23 Uhr. schwein.online

Yafo, Gormannstr. 17b, Mitte, Telefon 923 502 50, Di–So bis 3 Uhr, Küche bis 23 Uhr: Tel Aviv in Berlin. yafoberlin.com

Julia Prosinger, Susanne Kippenberger, Kai Röger, Bernd Matthies

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