Deutschlands bekanntester Immobilienmakler: „In Berlin habe ich mich total verschätzt“
Christian Völkers ist größter Immobilienhändler des Landes. Ein Interview über den schlechten Ruf seiner Branche, die Preise in Berlin und seine WG-Zeit.
Herr Völkers, Sie sind Deutschlands größter Immobilienhändler. Ihr Berufsstand hat einen schlechten Ruf. Makler erfinden Preise, heißt es. Stimmt, oder?
Da interpretieren Sie unsere Rolle über.
Tippte man auf Ihrer Website Kreuzberg ein, fand sich als erstes eine 500-Quadratmeter-Wohnung für sieben Millionen Euro, der Preis pro Quadratmeter lag drei Mal so hoch wie der Bezirksdurchschnitt. Darf man sagen: ein Mondpreis?
Das ist eine Frage des Zeitpunkts. Vor zehn Jahren hätten wir nicht erwartet, dass die Entwicklung in Berlin so rasant vorwärts marschiert. Ob wir in zehn Jahren sagen „15 000 Euro, wie günstig“, das kann ich nicht beurteilen.
Liegt es an diesen Preisen, dass der Ruf so leidet?
Der Makler ist nicht stärker als der Markt. Er kann höchstens dessen Spitzen ausloten, wenn er gut ist.
Sie sind seit 40 Jahren auf den Luxusbereich spezialisiert. Finden Sie diese Preise gerechtfertigt?
Ich bin ein Verfechter der freien Marktwirtschaft. Preise entstehen durch Angebot und Nachfrage. Ob ich selber zu diesen Preisen kaufen würde, ist unwichtig bei der Betrachtung. Ich glaube nicht, dass man das korrigieren oder regulieren kann.
Gerade darüber wird in Berlin diskutiert. Die Deutsche Wohnen hat mehr als 600 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee gekauft, nun will die Stadt das Vorverkaufsrecht nutzen und diese zurückkaufen.
Das halte ich für den falschen Weg. Es gibt eine Vielzahl von freien Grundstücken, die sich im kommunalen Besitz befinden. Dort ist die Stadt aufgerufen, günstigen Wohnraum zu erstellen. Sehen Sie sich unser Hauptquartier in der Hamburger Hafencity an. Auf dem Grundstück haben wir drei verschiedene Nutzungsarten. Bürogebäude, Eigentumswohnungen und mietpreisgedämpfte Wohnungen. Das schrieb die Baugenehmigung vor. So einen Weg finde ich richtig. Wenn sich Immobilien bereits am Markt befinden wie an der Karl-Marx-Allee und der Staat glaubt, eingreifen zu müssen, halte ich das für gefährlich.
Sie denken ans Geld, das fließt?
Überlegen Sie mal, zu welchem Preis damals die Wohnungen von der Stadt verkauft wurden.
Heute sollen sie das Acht- bis Zehnfache kosten, acht bis 14 Milliarden Euro.
Da wird mit Steuergeldern in einer Art und Weise herumhantiert, das finde ich unverantwortlich.
Die Befürworter argumentieren, es handle sich um eine Investition in die Zukunft.
Das kann man sich sicherlich so schönreden.
Vergangenes Jahr sind die Kaufpreise für Immobilien in Berlin wieder gestiegen. Macht Ihnen das genauso viel Angst wie dem Normalbürger?
Ich finde ein gedämpftes Wachstum gesünder, ob es sich um den Häuser- oder Aktienmarkt handelt. Immobilien sind für mich ein wesentlicher Bestandteil der persönlichen Investition und stehen für größtmögliche Stabilität. Zu rasche Preissteigerungen gefährden diese Stabilität.
Sie sind also gegen die Spekulation mit Immobilien?
Das habe ich nicht gesagt. Wenn der Markt das bietet, wird man den Investor davon nicht abhalten können.
Dadurch entstehen ganz schön obszöne Preise.
Ich möchte darauf anders antworten. Wir bewegen uns in bestimmten Märkten, wo Kurioses zusammentrifft. Ein ganz kleines Angebot mit einer großen internationalen heterogenen Nachfrage. Dann entstehen in der Tat Preisblüten. Ich nenne sie eine lokale Hyperinflation.
Trifft das auch auf Deutschland zu?
Nein, ich rede beispielsweise von Manhattan. Vor zwei Jahren konnten wir dort noch andere Erlöse als heute erzielen, dann wurden in Midtown so viele Hochhäuser gebaut, dass es zu einem Preisverfall kam. Das will keiner erleben, dass seine Wohnung plötzlich ein Drittel weniger wert ist.
Und wie sehen Sie die Entwicklung Berlins?
In Berlin habe ich mich total verschätzt. Nie hätte ich gedacht, dass die Preise so weit nach oben gehen. Wir hatten Ende der 90er Jahre ein Riesenangebot von Wohnungen in Berlin. Im Ostteil der Stadt sind straßenzugweise Mehrfamilienhäuser gekauft und ohne Umbaumaßnahmen zu Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Dieses Angebot musste man erst mal kompensieren. Für meine Begriffe ist der Anstieg dem Umstand geschuldet, dass Berlin eine internationale Stadt geworden ist, in die viele Leute ziehen.
„Wir befinden uns in keinem erhitzten Markt“
Die teuerste Wohnung der Welt soll in Monaco verkauft werden. Ein Penthouse, 3000 Quadratmeter, mit Wasserrutsche, für 300 Millionen Euro.
Ich habe von einer Wohnung in Hongkong gehört, die für 400 Millionen US-Dollar angeboten wird. Da entwickeln sich abenteuerliche Preisblüten.
Wer braucht so was?
Keine Ahnung.
Sie vergleichen diese Käufer mit Kunstsammlern. Da geht es doch um völlig unterschiedliche Werte.
Es gibt eine Ähnlichkeit. Sowohl bei Top-Immobilien als auch bei Kunstwerken stehen die Herstellungskosten in keiner Relation zum Verkaufspreis. Man behandelt manche Immobilie wie ein Gesamtkunstwerk. Das Chalet in Gstaad kostet einen Preis X, da wird sich kein Käufer hinsetzen und den Quadratmeterpreis runterrechnen.
Bei Architektenhäusern lassen Sie Vorsicht walten. Schwer zu verkaufen, sagen Sie.
Es gibt eine Diskrepanz zwischen demjenigen, der ein Haus wie ein Kunstwerk verehrt, und demjenigen, der sich darin wohlfühlen soll. Nehmen Sie die Architektur von Richard Meier in unserem Head-Office.
Der amerikanische Architekt hat Bauten wie das Getty Center in Los Angeles entworfen.
Er lässt nur bedingt die eigene Entfaltung zu. Man muss sich klar sein, in großen Räumen zu leben, mit viel Glas und breiten Korridoren. Die Räume gehen ineinander über, sind asymmetrisch, sorgen für Unruhe. Diese Trophäenimmobilien haben ihren Markt. Wenn es darum geht, darin zu leben, bedarf das einer speziellen Mentalität. Möglicherweise sind das Menschen, die eine Wohnung zuerst als Investment betrachten.
Reiche kaufen Apartments, wohnen dort zwei Wochen im Jahr, ansonsten stehen die Häuser leer. Was tun Sie, um solches Geldparken zu verhindern?
Ich bin dagegen, weil es kurz gesprungen ist. Das führt dazu, dass ganze Häuserzeilen nicht mehr spannend sind, und das wirkt sich negativ auf das Preisgefüge aus, wenn eine Gegend nicht mehr attraktiv ist. Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, die Käufer parken Geld. Sie haben investiert, jedoch zu wenig Zeit, um die Immobilie zu nutzen.
Jetzt reden Sie sich etwas schön.
Unbenommen nützt das keinem etwas. Am Ende haben wir eine Situation wie in Dubai, wo Hochhäuser entstanden sind, in denen abends nur 30 Prozent der Lichter angehen.
Vorschlag: Vorher die Käuferabsichten einholen.
Wir können dem Verkäufer doch schlecht sagen, Käufer X bekommt das Haus nicht, obwohl er den ausgehandelten Preis akzeptieren würde.
Haben Sie keine Skrupel?
Doch, gegenüber dem Verkäufer, ihm so ein Angebot zu verschweigen.
Und dem Viertel, der Stadt gegenüber?
Das liegt in der Verantwortung des Verkäufers. Wir haben eine Sorgfaltspflicht einzuhalten, Angebote weiterzuleiten.
Einige Experten befürchten in Deutschland eine Immobilienblase. Sie glauben nicht daran. Warum?
Wir befinden uns in keinem erhitzten Markt. Die Substanz der Käufer wird nicht getrieben durch außergewöhnliche Ereignisse wie einen Notstand. Insgesamt geht es der Wirtschaft gut, die Menschen verdienen ordentlich, wir sehen eine Vielzahl von Käufern, die in der Lage sind, ihre Wohnungen aus ihrem Vermögen zu bezahlen.
Sorgen Sie sich nicht, dass sich die Krise von 2008 wiederholt?
Ob die Preise rauf und runter gehen, ist für uns nicht relevant. Die Marktgröße entscheidet, das heißt, die Anzahl der Transaktionen mal Kaufpreis. Und da sind die Abweichungen der letzten Jahre gering. Selbst im schwierigen Jahr 2008 haben wir unseren Umsatz steigern und Marktanteile gewinnen können. Weil sich die Verkäufer noch genauer überlegen, mit wem sie ihr Haus verkaufen – und da macht es eben nicht der Makler, der an der Ecke sitzt.
Haben Sie Adressen, an denen Sie solche Weltereignisse ablesen können?
London generell. Als die Russen in den 90er Jahren viel Geld verdient haben, gehörte es zum guten Ton, erstmal die teuren Häuser in London zu kaufen. Auch für die Asiaten ist die Stadt das Einfallstor in den Westen geworden. In Deutschland kommt da nicht eine Stadt heran.
Zum Glück oder leider?
Ach, ich hätte schon gern eine größere Internationalität – generell für das Leben hier. Die erratischen Immobiliensprünge, die damit einhergehen, halte ich jedoch für ungesund.
„Dirk wollte nie groß werden“
Sie sind mit Ihrer Firma in 33 Ländern aktiv. Welche Unterschiede im Häuserkauf sehen Sie zwischen den Deutschen und dem Rest der Welt?
Mir liegt das Wort besonnen auf der Zunge, der Käufer hierzulande überlegt länger und ist verantwortungsvoller. Amerikaner leben nach dem Motto „Easy earnt, easy spent“ ...
... leicht verdient, leicht ausgegeben.
Ja, die hängen nicht so emotional an der Immobilie wie die Deutschen. Die Amerikaner sehen sie als auswechselbar, sie sind eher bereit, zu sagen: alte Bude weg, neues Haus eine Straße weiter.
Sie leben auch in Ihrem ersten Haus in Hamburg.
Vor 35 Jahren gekauft, eine Remise in Blankenese, eigentlich viel zu früh, weil ich mich gerade selbstständig gemacht hatte. Zum Glück konnte ich das Gebäude aufteilen. Ich habe eine Hälfte verkauft und davon den Kauf mitfinanziert. Zum anderen hat mir geholfen, dass ich die Baumaßnahmen zur Erhaltung steuerlich absetzen konnte. Jahre später habe ich die zweite Hälfte zurückgekauft und beide Häuser wieder zusammengelegt.
Was ist Ihnen beim Wohnen wichtig?
Ich liebe alte Häuser, weil sie über eine Energie verfügen, die Neubauten nicht haben. Eine Patina, die neue Häuser erst bekommen müssen.
Ist Ihnen die Quadratmeterzahl wichtig?
Nein, ich wohne selber auf wenig Raum.
Definieren Sie „wenig“.
Ich rede von nicht einmal 200 Quadratmetern, zwei Etagen, vier Personen, meine Frau, unsere zwei Kinder und ich.
Haben Sie mal in einer WG gewohnt?
Nach der Schule, in Hamburg. Allerdings waren wir keine Studenten. Mein Bruder hat bei einem Unternehmensberater gearbeitet, der dritte Mitbewohner war der Sohn eines Reeders, bei dem ich eine Schifffahrtskaufmannslehre gemacht habe.
Schon damals hatten Makler einen miesen Ruf.
Weil die durchschnittliche Ausbildung, die Qualität der am Markt agierenden Personen lange niedrig war. Ich nenne sie mal Küchentischmakler. Die Durchschnittsgröße eines Büros betrug drei Personen. Man konnte gar nicht über die ausreichende Menge von Daten verfügen, um zu guten Markteinschätzungen und Preisen zu gelangen.
Ihr Vater, ein Mathematiker, war ebenfalls wenig begeistert, als Sie Ihr Maklerbüro gründeten.
Nein, das passte nicht ins Hamburger Raster. In der Stadt sah die wünschenswerte Karriere von Akademikerkindern oft so aus: kaufmännische Lehre, Studium, ab ins Ausland und dann bei einer Unternehmensberatung arbeiten. Ganz unten in der Hierarchie stand der Beruf des Hausmaklers.
Warum wollten Sie es dann werden?
Es war die Gelegenheit, mit einem Freund etwas zusammen aufzubauen, mit Dirk Engel.
Er nahm sich 1988 das Leben. Sie zogen sich zwei Monate zurück und schrieben ein Handbuch zum Immobilienverkauf. War das Ihre Trauerarbeit?
Nein, war es nicht. Es war klar, dass der Tod irgendwann eintreten würde.
Engel litt an Depressionen.
Der Vater hatte sich das Leben genommen, der Großvater auch, zwei Jahre rechneten wir unbewusst damit, dass es bei Dirk passieren würde.
In welchen Situationen vermissen Sie ihn?
Ich vermisse ihn als Freund, allerdings nicht als Geschäftspartner. Wir hatten schon damals eine andere Unternehmensauffassung. Er wollte nie groß werden, ihm gefiel diese Kleinheit im Vorort. Deshalb haben wir bis zu seinem Tod nie ein zweites Büro aufgemacht.
Das Handbuch liegt in Ihrem Büro. Welchen Schritt muss der Makler beim Verkauf unbedingt einhalten?
Zuerst die Nachbarschaft abklopfen. Bei teuren Immobilien kauft häufig der Nachbar oder kennt jemanden im Freundeskreis, der sich interessiert.
Bloß nicht mit Sportwagen protzen, schreiben Sie.
Das passt nicht zum Bild, wenn der Makler mit einem Auto vorfährt, das teurer als das des Kunden ist. Er soll lieber Bescheidenheit zeigen.
Hinweis in eigener Sache: In unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken befassen wir uns nachhaltig, regelmäßig und ausführlich mit den Themen Wohnungsbau, Gentrifizierung und Mietenpolitik. Lokale Initiativen kommen zu Wort, ebenso wie Politik und Wirtschaft. Die Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen: leute.tagesspiegel.de
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