Luxus-Immobilien in New York: Ein Schnäppchen für Milliardäre
Ein Ausblick wie aus einem Hubschrauber, Einrichtung vom Feinsten. New Yorker Makler wissen, was ihre Kunden wollen - und ihre Auswahl ist groß.
Das Allerwichtigste ist der Blick. Der freie, unverbaute Blick über New York, und das vor allem nachts. Wer die Stadt, die niemals schläft, am besten zeigen kann, ihre Wahrzeichen wie das Empire State Building, die Freiheitsstatue oder das riesige grüne Rechteck des Central Parks, der hat gewonnen. Auch darum sind die Wohntürme mitten in Manhattan in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen, immer schneller, immer dünner, ein Rekord nach dem anderen wird dabei gebrochen.
Mit Rekorden kennt Paul Gavriani sich aus. Sein Ziel ist, Marathons in 50 US-Staaten, in 50 Ländern und auf sieben Kontinenten zu laufen. Gerade eben hat der 50-Jährige in Afrika seinen 70. erfolgreich hinter sich gebracht, es war das 36. Land und der sechste Kontinent. Wenn er nicht läuft, hilft er wohlhabenden Menschen, in New York an die perfekte Wohnung zu kommen, auch das ähnelt manchmal einem Marathon. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Vince Falcone, 66, leitet Gavriani das sechsköpfige „Gavriani-Falcone-Team“, das die deutsche Immobilienfirma Engel & Völkers im Juni dem amerikanischen Luxus-Makler Corcoran abgeworben hat.
Sie lachen viel, ihre Arbeit macht ihnen sichtlich Spaß
Die Lage ihres Büros sagt viel aus über die Kunden, die Gavriani und Falcone vertreten. 11. Stock, 430 Park Avenue, das Gebäude neben „432“, einem der spektakulärsten und umstrittensten neuen Luxus-Wohntürme New Yorks und laut Vermarktung derzeit das „höchste Wohngebäude der westlichen Hemisphäre“. Nur 100 Meter trennen sie von diesem Bau des südamerikanischen Stararchitekten Rafael Viñoly in der „Billionaire’s Row“, einer Reihe von Luxus-Wolkenkratzern rund um die 57. Straße am südlichen Ende des Central Park. Gavriani und Falcone haben Kunden, die es sich leisten können, hier zu kaufen.
Die beiden sind ein eingespieltes Team. Gavriani, der Quirligere von beiden, redet meist, Falcone ergänzt, nicht immer kommt er wirklich zu Wort. Wenn er das anspricht, lachen sie beide. Sie lachen überhaupt viel, ihre Arbeit macht ihnen sichtlich Spaß. Seit 15 Jahren sind sie zusammen in New York unterwegs, vor allem in Manhattan und Brooklyn, das „Wall Street Journal“ hat sie mehrfach in der Rangliste der Top-250-Makler in den USA aufgeführt. „Unsere Kunden vertrauen uns, sie müssen wissen, dass sie sich auf uns verlassen können“, sagt Gavriani. Dunkler Anzug, Hemd, keine Krawatte, das ist ihr Makler-Outfit, so sind sie in Schwarz-Weiß auch auf ihren Visitenkarten abgedruckt. Sie sehen gut aus, sie passen zu den eleganten Wohnungen, die sie ihren Kunden zeigen.
Manche Käufer haben ihre Neuerwerbungen nie betreten
Wenn Gavriani und Falcone von ihren Maklergeschäften in New York erzählen, erinnert das etwas an „Monopoly“-Spielen. Gavriani und Falcone kennen die Eckdaten der meisten neuen Hochhäuser auswendig, sie wissen, wer die Wohnungen vertreibt, was sie offiziell kosten, und vor allem: was ein guter Preis ist. Ihre Kunden sind wohlhabend, viele sehr reich. Sie leben in den USA, aber häufig auch im Ausland, in Europa, den arabischen Golfstaaten und zunehmend in China. Nicht immer lernen die Makler ihre Auftraggeber persönlich kennen, manche kaufen auch, weil Gavriani und Falcone ihnen zu einer Wohnung raten, von der sie nur Fotos und Videos im Internet gesehen haben. Für solch zahlungskräftige Kunden ist die Auswahl derzeit groß.
New York ist ein Schnäppchen geworden – für Milliardäre. Wer in der Lage ist, zweistellige Millionen-Dollar-Beträge auf den Tisch zu legen, und das sind in diesen Zeiten offenbar gar nicht so wenige, manche tun das sogar in bar, kann in Manhattan gerade gut einkaufen gehen: Die Preise für Apartments sind zuletzt deutlich gesunken. Die simple Erklärung dafür ist, dass in den vergangenen Jahren zu viel im Super-Luxus-Segment gebaut wurde, dazu gehören in Manhattan Apartments ab zehn Millionen Dollar.
Die Gründe für den Erwerb solch teurer Immobilien ähneln häufig denen für den Kauf von Kunst. Sie sind Geldanlage – und Statussymbol.
Wer eine richtig teure Wohnung in New York sucht, wird im 11. Stock der 430 Park Avenue vielleicht einmal Platz nehmen. Gavrianis und Falcones Arbeitsplatz ist ein modernes, offenes Büro. Heller Holzboden, weiße, fast leere Arbeitsflächen, dunkle, hohe Decke. Ab und zu unterteilt eine weiße Säule den Raum, ansonsten gibt es wenig Wände. Für Vertrauliches stehen verglaste Besprechungszimmer zur Verfügung. In so einem sitzen Gavriani und Falcone an diesem Montag und erzählen von den derzeit aufregendsten Bauprojekten. Gavriani, der Masterabschlüsse in Architektur, Geschichte und Stadtplanung hat und eine Zeit lang auch als Stadtplaner arbeitete, liebt es, über die jüngsten Entwicklungen New Yorks zu sprechen. Eine Stadt, die sich immer wieder verändert und neu erfindet. Für Makler perfekt, mehr als 27 000 gibt es in New York.
Ein Spaziergang zu den neuesten Bauprojekten könnte im Meatpacking District starten, einem Viertel, das früher vor allem für seine Schlachthöfe und sein zwielichtiges Nachtleben bekannt war, heute aber zu den angesagten Ecken von Manhattan gehört. Oder eine Meile nördlich davon, auch nahe dem Hudson River, wo über dem West Side Yard, dem Betriebsgelände der Long Island Rail Road, seit 2012 ein komplett neues Stadtviertel entsteht. Die „Hudson Yards“. Nach Quadratmetern ist es das derzeit größte private Immobilienvorhaben der Stadt, erklären die Makler, die natürlich auch hier mitspielen, in einer Gegend, die bislang von Gleisen, Lagerhäusern und abgewirtschafteten Industriekomplexen geprägt war.
Ein neues Stadtviertel - auf 300 Stützen
Fast ein bisschen stolz auf dieses typische New Yorker Gigantismus-Bauvorhaben zählen sie die Details auf: 20 Milliarden Dollar soll die Anlage am Hudson River kosten, zu der 15 verspiegelte Hochhäuser, rund 4000 Wohnungen, Büros, mehr als 100 Geschäfte, diverse Restaurants und ein Hotel gehören sowie eine zeltförmige Kulturhalle. Als architektonisches Wahrzeichen ragt jetzt schon das Kunstwerk „The Vessel“ heraus, das der Brite Thomas Heathervick entworfen hat: eine begehbare Treppenskulptur aus Bronze, Stahl und Beton, die im Frühjahr 2019 eröffnet werden soll. Gavriani klingt begeistert, wenn er davon erzählt. Es ist ja auch ihre Stadt – beide sind sie hier geboren, und gern geben sie ihren Kunden gleich Empfehlungen für die neuesten Restaurants und Veranstaltungstipps mit auf den Weg, sie kennen New York.
Die endgültige Fertigstellung von „Hudson Yards“ ist für 2024 geplant. Auf dem riesigen West-Side-Yard-Gelände liegen 30 Gleise, auf denen tagsüber Hunderte Pendlerzüge abgestellt werden, die die Penn Station bedienen, den meistgenutzten Bahnhof der USA. Darüber wurde eine auf 300 Stützen ruhende Plattform gebaut – auf der das neue Stadtviertel entsteht. Wohnraum für sehr Wohlhabende. Im 88 Stockwerke hohen Wohnturm „15 Hudson Yards“ soll der durchschnittliche Quadratmeterpreis für eine Eigentumswohnung bei etwa 33.000 Dollar liegen.
Die Wohnungen können sich potenzielle Käufer derzeit nur in einem Vorführraum ansehen. Der Kunde steht in der Mitte des runden Raums, während auf einer durchgehenden Leinwand ringsherum die Bilder der zukünftigen Traumwohnung fließen: großzügige Schlafzimmer, noch großzügigere Wohnzimmer, offene Küchen mit frei stehenden Kochinseln samt allen erdenklichen Hightechgeräten, lichtdurchflutete Badezimmer mit viel italienischem Marmor und diverse Gemeinschaftseinrichtungen mit Hotelcharakter, die nur von den Wohnungseigentümern genutzt werden können. Exklusivität und Diskretion ist Pflicht. Listenpreis für die Wohnungen: zwischen 3,9 und 32 Millionen Dollar.
"Riverside ist in wie nie", sagt Gavriani
Spektakulär an dem „Hudson Yard“- Projekt ist auch eine offene Aussichtsplattform über dem westlichen Teil des Geländes. Die Plattform in einer Höhe von 336 Metern an einem der Wolkenkratzer wird öffentlich zugänglich sein.
Ein anderes aufsehenerregendes Neubauprojekt ist der 20 000 Quadratmeter große „Waterline Square“ direkt am Ufer des Hudson River, wo Midtown New York die Upper West Side trifft, wie es in dem Werbeprospekt der Entwicklungsgesellschaft heißt. „Riverside ist in wie nie“, sagt Gavriani. „Wollten die reichen New Yorker früher noch so weit wie möglich entfernt vom Wasser wohnen, also eher nah am Central Park, ist das heute anders.“ Darum sind Ufergrundstücke auf einmal heiß begehrt. Auch mit dem „Waterline Square“ soll ein ganz neues Viertel entstehen. Zu dem Komplex gehören ein öffentlich zugänglicher Park und mehrere Restaurants. Im Frühjahr 2019 soll alles bezugsfertig sein.
Sophia Cicilioni, Verkaufschefin für das Projekt, erklärt im Showroom von „Waterline Square“ die Details. Originalgetreu stehen hier die neuen Türme und das gesamte Areal als Modelle, sie überragen die Maklerin, die sie „meine Babys“ nennt. In einem zweiminütigen Werbefilm soll den interessierten Kunden die „Vision“ des Areals nahegebracht werden, denn nichts weniger soll hier verkauft werden: „We create space not buildings“, heißt es darin, wir schaffen Raum, keine Gebäude.
Höhenangst ist von Nachteil
„Wenn Sie das gesehen haben, werden Sie kaufen wollen“, schwärmt Sophia Cicilioni bei der Fahrt mit dem offenen Baustellenaufzug in den 37. Stock des ersten Wohnturms. Höhenangst ist in diesen Lagen eindeutig von Nachteil, da nutzt auch der Helm nicht viel, den Besucher der Baustelle aufsetzen müssen. Oben im riesigen Penthouse angekommen, das in den nächsten Monaten fertiggestellt werden soll, wird klar, was sie meint: Der Blick über den Hudson River und das Skyline-Gebirge von Manhattan ist atemberaubend.
Da die Wohnung ausnahmsweise über eine große Terrasse verfügt – in diesen Höhen ist das eher selten, der Wind ist meist zu stark –, spürt man noch intensiver, wie weit man sich gerade über der Stadt befindet. Und wie wenige Menschen diesen Blick und dieses Gefühl wohl haben werden. Das Penthouse im 38. Stock des zweiten Wohnturms (vier Schlaf- und fünf Badezimmer plus ebenfalls riesige Terrasse) ist schon auf dem Markt, für 17,25 Millionen Dollar.
Das reicht schon fast an die Kategorien der „Billionaire’s Row“ nahe dem Central Park heran, wo in den vergangenen Jahren Wolkenkratzer in den Himmel geschossen sind, die wieder alle bisher bekannten Dimensionen sprengen sollen. Mit Ausblicken wie aus einem Hubschrauber, aber eben aus dem Wohnzimmer, aus den Schlafgemächern, aus der Küche und aus der natürlich frei stehenden Badewanne, und zwar aus den immer gleich quadratischen, drei mal drei Meter großen Fenstern, wirbt das „432“.
Wer nicht die Chance hat, einmal hier auf Besichtigungstour zu gehen und in weniger als 60 Sekunden mit dem Aufzug in den 88. Stock katapultiert zu werden, kann sich über die Bilder im Internet einen Eindruck verschaffen. Das Beeindruckendste ist die Sicht aus dem 426 Meter hohen Wolkenkratzer, der nach dem „One World Trade Center“ (541 Meter) in Lower Manhattan das zweithöchste Gebäude der Stadt ist.
767 Quadratmeter für 82 Millionen Dollar
Doch nicht nur die Höhe des Wohnturms, auch seine Silhouette ist ungewöhnlich: Das Gebäude steht auf einer quadratischen Grundfläche von gerade mal 28 mal 28 Meter, der Turm ist gertenschlank. Das sollte Kritikern entgegenkommen, die befürchteten, er werde zu viel Schatten werfen.
Fünf der etwa 100 Apartments sind noch zu haben, darunter das 767 Quadratmeter große Penthouse PH95 mit sechs Schlafzimmern und sieben Badezimmern für 82 Millionen Dollar. Verkauft wird es wohl für deutlich weniger, bis zu 25 Prozent Abschlag vom Listenpreis sind derzeit normal in Manhattan.
Das geben auch die Makler der Verkäufer unumwunden zu. Einer von ihnen, bei dem Gavriani und Falcone im Namen eines ihrer wohnungssuchenden Kunden vorstellig wurden, simste nur Minuten nach der Besichtigung der zweistöckigen Luxuswohnung direkt am Central Park: „Macht uns einfach irgendein Angebot.“ Das sei ungewöhnlich, sagt Gavriani. Und beweist, dass der Vorteil derzeit aufseiten potenzieller Käufer liegt.
Die können sich Zeit lassen bei ihrer Entscheidung. Mehrere große Agenturen berichten über das erste Halbjahr 2018, dass das Luxussegment in New York schwächelt. „Die Zahl der Transaktionen von mehr als fünf Millionen Dollar ist in der ersten Jahreshälfte um ein Drittel zurückgegangen“, sagt Falcone. Allein in Manhattan würden im kommenden Jahr 8000 neue Apartment-Wohnungen fertiggestellt. „Es braucht rund viereinhalb Jahre, um die zu verkaufen.“
Ob die Käufer jemals in diesen Wohnungen leben werden, darf bezweifelt werden. Meist geht es allein darum, sie zu besitzen, weil sie die derzeit teuersten auf dem Markt sind und damit: exklusiv und einzigartig. Rekordverdächtig eben. Typisch New York.