Wanderexperte über die USA: „Die Alligatoren hatten mehr Angst vor mir“
Blogger Cam Honan wandert durch die Welt. Mehr als 90 000 Kilometer hat er zurückgelegt. Sein Lieblingsziel sind die USA – trotz Alligatoren, Stürmen und Hitze.
Cam Honan gehört zu den bekanntesten Wanderexperten weltweit und schreibt den Blog „The Hiking Life“. Der Australier zog nach seinem Studium 1993 nach Mexiko, begann Gelegenheitsjobs wahrzunehmen und die Welt zu Fuß zu erkunden.
In den vergangenen 25 Jahren hat er mehr als 90 000 Kilometer zurückgelegt, von Neuseeland bis zur Sächsischen Schweiz. Zu den beeindruckendsten Zielen zählt Cam Honan die USA. Sein Buch „Wanderlust USA“ (322 Seiten, 39,90 Euro) ist gerade im Gestalten Verlag erschienen.
Mister Honan, Sie wandern seit mehr als zehn Jahren durch die ganze Welt. Gerade haben Sie ein Buch über die besten Routen in den USA veröffentlicht. Was fasziniert Sie an dem Land?
Seine große geografische Vielfalt. Von den Wüsten im Südwesten der Staaten zu den Hochgebirgsregionen der Rocky Mountains, von den tropischen Inseln Hawaiis zur arktischen Tundra in Alaska, die bloße Bandbreite der Wandererfahrungen in den USA ist unschlagbar.
In Ihrem Buch empfehlen Sie weltberühmte Nationalparks wie Yellowstone oder Joshua Tree. Sind das die Trails, die man unbedingt machen sollte, wenn man die vielseitige Landschaft der USA am besten kennenlernen will?
Das ist genauso, als würden Sie mich nach dem besten Beatles-Lied fragen – die Frage ist praktisch unmöglich zu beantworten. Ein Kandidat für solch eine Tour wäre sicherlich der Pacific Crest Trail, der an der kanadischen Grenze im Norden beginnt und 4000 Kilometer weiter südlich an der mexikanischen endet. Entlang der Strecke wandern Sie an Wasserfällen vorbei, durch endlose Nadelwälder, bizarre Felsenformationen und die Mojave-Wüste. Jede Wanderung durch die unwirkliche Landschaft des Grand Canyon ist unvergesslich. Wenn Sie lieber buntes Herbstlaub und ländliche Idylle suchen, gehört eine Tour durch Neuengland im Oktober dazu.
Sie stammen aus Australien. Wann sind Sie das erste Mal in die USA aufgebrochen?
Ich habe den Sommer 1998 in Alaska verbracht, das war eine der besten Reisen, die ich je unternommen habe. Alles erschien mir groß: die Berge, die Gletscher, die Tiere, die Geschichten der Menschen, sogar die Bärte der Männer! Die erste mehrtägige Wanderung in jenem Sommer hat mich auf den Chilkoot Trail geführt, eine legendäre Route im Südosten des Bundesstaates, die den Spuren des Goldrausches am Klondike River folgt. Von 2011 an habe ich fünf Jahre zum großen Teil in den Staaten verbracht, danach wurde es deutlich weniger.
Sie sind 2011 eineinhalb Jahre lang auf zwölf Wegen hintereinander gewandert, haben dabei 29 US-Bundesstaaten sowie vier kanadische Provinzen durchquert. Ganz schön kräftezehrend.
18 Monate lang ununterbrochen zu wandern und dabei 23000 Kilometer zurückzulegen, von der sengenden Hitze der Wüste bis zu Schneestürmen im Winter, da reicht das Verlangen nach Abenteuer nicht aus. Man muss sich vorher eine gesunde Fitness antrainieren, man braucht die mentale Fähigkeit, sich ständig an neue Wetterbedingungen anzupassen. Es gehört eine bedingungslose Liebe für die Wildnis dazu, kombiniert mit einer lebenslangen Wanderlust. Ob Sie nun durch die Staaten wandern oder ein anderes Land, ich kenne keine größere Erfüllung, als die Wunder des Festlands zu Fuß zu erkunden und alles, was ich brauche, dabei auf dem Rücken mit mir herumzutragen.
Während der langen Wanderung haben Sie schlappe 28 Schuhe verschlissen. Wo bekamen Sie unterwegs neue her?
Meine Ausrüstung habe ich mir vorher zusammengestellt, oder sie wurde mir von Sponsoren zur Verfügung gestellt. Ich habe vieles vorher postlagernd an Postämter geschickt, die sich auf dem Weg befanden. Auch was ich an Essen benötigt habe. Den Rest habe ich in Lebensmittelläden entlang der Route gekauft.
Wie haben Sie sich vor Unwettern geschützt?
Indem ich die richtige Kleidung, das nötige Equipment für jedes mögliche Wetter mitgenommen habe. Ich habe es mir zur Regel gemacht, extreme Wetterbedingungen von der Warte des objektiven Beobachters und nicht des subjektiven Teilnehmers aus zu betrachten, also bewusst Stolz und das Ego vom Entscheidungsprozess fernzuhalten. Der Rucksack darf nicht zu schwer sein. Wenn ich im Sommer unterwegs bin, wiegt meine Ausrüstung nicht mehr als drei oder vier Kilogramm – ohne Essensvorräte und Wasser. Im Winter sind es wahrscheinlich zwei Kilogramm mehr.
Besonders berüchtigt für schlechtes Wetter sind die White Mountains im Nordosten der Vereinigten Staaten. Da waren Sie auch unterwegs.
Das war im Oktober 2012, gerade als ich mich auf dem Pfad durch die Berge befand, erreichte der Hurrikan Sandy die Region ein bisschen früher als vorhergesagt. Während ich die Presidential Traverse überquerte, ein besonders gefährlicher und ungeschützter Streckenabschnitt, auf dem alle Berge nach früheren Präsidenten benannt sind, bliesen mir Winde von mehr als 100 Stundenkilometern ins Gesicht. Zum Glück schaffte ich es, geschütztes Terrain unterhalb der Baumgrenze zu erreichen, bevor der schlimmste Sturm durchzog. Ich habe die darauffolgenden Tage bei einem Freund den Sturm abgewartet, der bei Lincoln in New Hampshire ein Haus hat.
Das ist kein Wanderweg für Anfänger. An welche Routen sollten sich Novizen besser wagen?
Im Idealfall sollten sie zuerst kurze Wanderungen unternehmen, bevor sie mehrtägige Routen ausprobieren. Sie dienen dazu, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten aufzubauen. Solch ein kürzerer Weg könnte der Ocean Path im Acadia National Park von Maine sein, wo man sieben Kilometer entlang des Atlantiks läuft, unter anderem über rosafarbenen Granit. Oder der Gorge Trail, der sich im Watkins Glen State Park im Bundesstaat New York befindet – eine fünf Kilometer lange Strecke durch eine malerische Schlucht.
Nicht alle Routen gelten als so ungefährlich. Auf einem Wanderweg in Florida sind Sie 18 Alligatoren begegnet. Nachts haben Sie inmitten der Reptilien Ihr Zelt aufgeschlagen.
Na ja, die Tiere haben nicht mein Zeltlager umzingelt, wie Sie das jetzt darstellen. Sie leben eben im St. Marks National Wildlife Refuge, durch den ich gelaufen bin. Im Grunde war ich der Eindringling. Wie bei fast jeder Begegnung mit wilden Tieren hatten die Krokodile mehr Angst vor Menschen als umgekehrt. Wenn Sie sich an bestimmte Regeln halten, werden Sie eher von einem Blitz erschlagen als von einem Tier angegriffen.
Welche Regeln wären das?
Wenn Sie im Territorium der Alligatoren schlafen, dürfen Sie niemals Essensreste um das Lager herum aufbewahren. Vermeiden Sie es, die Wasserflaschen im Morgengrauen oder der Dämmerung am Fluss aufzufüllen – in dieser Zeit sind die Tiere am aktivsten. Das Profil eines Wanderers, der sich am Ufer zum Fluss hinabbeugt, wirkt aus Alligatorenperspektive unter Wasser wie Wild und damit wie potenzielle Beute.
Auf dem Pacific Crest Trail haben Sie einen Wanderer getroffen, der 4281 Kilometer in 26 verschiedenen Hochzeitskleidern absolvierte. Konnten Sie da mit Ihrem Outfit mithalten?
Im Vergleich dazu klingt meines langweilig. Ich pflege eine einfache Herangehensweise an Kleidung. Bei mir bestimmen praktische Aspekte, was ich trage, und wie wohl ich mich darin fühle. Sowohl auf dem Wanderweg als auch im normalen Leben.
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