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Butter ist nichts anderes als Sahne, der die Flüssigkeit entzogen wurde.
© imago/chromorange

Gutes Fett: Butter auf die Tische

Sie ist wieder da – zum Braten, Kochen, Binden und auf dem Sauerteigbrot. Feine Butter kann magisch sein. Jetzt kostet sie endlich, was sie wert ist.

Schließen Sie die Augen. Und stellen Sie sich vor, wie ein weiches Stück Butter, groß wie ein Ei, sanft auf Ihrem Kopf landet. „Während es langsam zu schmelzen beginnt, vermittelt es ein exquisites Gefühl,“ verspricht der Zen-Buddhist Hakuin Ekaku, „durchtränkt Ihren Kopf von innen wie außen“. So sickert die Butter in Gedanken immer weiter nach unten, fließt durch alle Organe, bis die Beine ganz warm werden – und Sie schließlich das Gefühl haben, in einem heißen Bad voll duftender Heilkräuter zu sitzen.

Diese Buttermeditation empfahl der japanische Zenmeister im 18. Jahrhundert seinen Schülern, die sich im Zustand der Disharmonie befanden. Was gar nicht so extravagant ist, wie es klingt, denn seit jeher werden der Butter magische Kräfte zugeschrieben, wurde sie in religiösen Ritualen und Opfergaben auch als Heilmittel eingesetzt. Etwas Magisches hat schon ihr Entstehungsprozess, wie jeder weiß, der aus Versehen mal Sahne zu lange geschlagen hat.

Was gut für die Götter ist, kann nicht schlecht für den Menschen sein. Sollte man meinen. Aber in der Nachkriegszeit wurde aus der guten Butter, wie man sie einst nannte, der große Bösewicht, verantwortlich für alle Herzinfarkte dieser Welt. Esst Margarine!, hieß die Losung. Die keine Lösung war. Vor ein paar Jahren schwenkten die Wissenschaftler wieder um, wiesen auf die gesundheitsfördernden Nährstoffe der Butter (natürlich in Maßen) hin. Nun wurde Margarine, im 19. Jahrhundert erfunden von einem französischen Chemiker, als Kunstprodukt verdammt, in dem unter Umständen mehr Zusatzstoffe und Transfette stecken, als dem Genießer lieb ist, weshalb der Absatz drastisch sank. Auch die Low-Fat-Produkte gerieten in Verruf.

Butter wird wieder als etwas Kostbares betrachtet – und ist so teuer wie seit Jahrzehnten nicht. 1,99 Euro für die 250-Gramm-Packung, selbst beim Discounter. Unerhört! Dabei ist das, was viele empört, in Wirklichkeit eine gute Nachricht. Der neue Preis entspricht dem wahren Wert. 99 Cent für ein Produkt, in das Mensch, Vieh und Natur so viel Arbeit stecken, ist ein Hohn.

Schlichte Genüsse sind wieder gefragt

Der Anstieg hat verschiedene Gründe. Zum einen gibt es zur Zeit keine staatlich subventionierte Überproduktion, weder Milchpulver- noch Butterberge. Dazu kommen die gesteigerte Nachfrage sowie ein gewachsenes Umweltbewusstsein, das zu erhöhtem Druck auf die Lebensmittelbranche führt. So wird weniger Palmöl und -fett (das in Eis, Plätzchen und Fritteusen landet) zumindest aus Monokulturplantagen verwendet, für die tropischer Regenwald abgeholzt wurde.

Durch den Preisanstieg der industriell hergestellten Massenware ist der Abstand zu teureren Premiumprodukten deutlich geschrumpft. Wenn diese aber nur noch unwesentlich teurer sind, kann man auch gleich zur edleren Version greifen, um sie aufs frische Sauerteigbrot zu streichen, das man ebenfalls wieder in wesentlich besserer Qualität bekommt. Vielleicht noch ein bisschen Schnittlauch drauf, ein weiches Ei dazu – und die Welt ist so heil, wie es die Margarinewerbung einst suggerierte und die Butter-Meditation provozierte. Schlichte Genüsse aus besten Zutaten sind wieder gefragt.

Heute bekommt man deutsche Butter in einer Vielfalt und Qualität wie nie zuvor, selbst in Supermärkten. Es hat ein Bewusstseinswandel auch bei den Großeinkäufern stattgefunden: „Vom Rohstoff und Nahrungsmittel zum Genussmittel“, wie Peter Knopp, Geschäftsführer der Gläsernen Molkerei, beschreibt. Die Bio-Molkerei aus dem Spreewald produziert neben ihrer Süß- und Sauerrahmbutter neuerdings Fassbutter. Die wird zwar nicht mehr mit der Hand im kleinen Holzfass geschlagen, sondern maschinell in großen Edelstahltanks, aber das Prinzip ist das gleiche. Der Rahm bekommt Zeit und Raum, zu reifen, bevor er sanft geschleudert wird. Bei der industriellen Herstellung im großen Stil wird die Butter in einem Rutsch produziert, durch die Zentrifuge geschossen und hinterher ins Rechteck gepresst. 2014 hat die Molkerei mit der Fassbutter angefangen, eine halbe Tonne pro Woche. Heute sind es zehn.

Kreuzberger Sterneköche rühren ihre Butter selber an

Gute Butter, das hieß in feinen deutschen Restaurants früher automatisch französische. Oder gar keine, sondern Olivenöl. Heute setzen junge Spitzenköche, die ja schon Omas Gemüsesorten wie Rote Bete oder Blumenkohl wiederentdeckt haben, auf Butter aus regionaler Produktion.

Im „Tulus Lotrek“ serviert Max Strohe Heurohmilchbutter aus Vorarlberg („da schmeckt man die Weide!“); wer Rohmilch nicht verträgt, kriegt hessische Hüttenthalerbutter (gibt’s bei „Blomeyer’s Käse“ in Charlottenburg), dazu Sauerteigbrot von der Neuköllner Bread Station. Wie er in der Küche mit Butter umgehen? Strohe lacht: „Großzügig.“ Er klärt sie selbst, um darin kräftig braten zu können (wegen des hohen Wasseranteils geht das sonst nicht), konfiert Speisen damit, reicht Apfelessig-Beurre-Blanc zur Forelle, gart Topinambur darin, reichert das Selleriepüree an, bindet die Saucen mit einem kalten Stück Butter, und zum Schluss des Menüs gibt’s geräucherten Butterfudge. Am Nussbuttereis arbeitet Strohe noch.

Im Kreuzberger Sternelokal „Nobelhart & Schmutzig“ (Motto: „brutal lokal“) rühren die Köche ihre Butter sogar selber an: aus extrem fetthaltiger, 70-prozentiger Rohmilchsahne vom kleinen Milchbauern Erdhof Seewalde (da kostet der Liter dann auch 18 Euro netto), die sie im Sommer mit Joghurt zur Säuerung versetzen, ein paar Tage stehen lassen, dann schlagen, leicht salzen und in Tontöpfen reifen lassen. Zuerst bekommt der Gast die junge Butter, vier Wochen alt, später die ältere, drei Monate, die dann schon in Richtung Käse geht – „reifer, fülliger, würziger“, beschreibt Nobelhart-Wirt Billy Wagner das Aroma. Dass diese nicht ranzig wird, dafür sorgen regelmäßige Pflege und Kontrolle sowie Salzwasser auf dem Fett. Auf der Speisekarte erscheinen auch Butter und Sauerteigbrot (von Alfredo Sironi): um den Wert der Delikatesse zu betonen. Zum Kochen benutzen sie die Butter der Gläsernen Molkerei.

Man muss nicht mehr eine für alles nehmen

Auf den Geschmack gekommen war Nobelhart-Wirt Wagner 2010 bei Magnus Nilsson, einem der Pioniere der nordischen Küche, der abends sechs Monate alte Butter reichte, was den zukünftigen Nobelhart-Wirt „total geflasht“ hat.

Über die Qualität der Butter entscheiden so viele Faktoren, vor allem natürlich die Kuh, ihre Rasse, aber auch ihr Temperament, ihr Futter, der Boden, ihre Haltung, das Klima, die Jahreszeit, ja sogar die Tageszeit des Melkens.

Was als besonders delikat empfunden wird, ist aber auch eine Frage der kulturellen Prägung (in Nordfrankreich etwa liebt man seit jeher die gesalzene Version) und des individuellen Geschmacks. Der eine schwört auf die Rohmilchbutter aus dem Bregenzer Wald, die er in der Markthalle Neun kauft, die andere auf italienische Occelli (gibt’s bei Real und Kaufland), der Dritte bleibt Lindner treu, und der Vierte pilgert für die Beurre Bordier ins Lafayette.

Dank der großen Vielfalt muss man auch nicht mehr eine für alles nehmen, kann differenzieren, welche man zum Backen, Kochen, Binden oder aufs Brot nimmt, welche alltags und welche am Wochenende. Morgens, wenn’s schnell gehen muss, kann man sich auch mit Biobutterprodukten behelfen, die mit Rapsöl oder Joghurt streichfähiger gemacht werden. Zum Braten eignet sich besonders gut Ghee aus dem Biosupermarkt.

Gekaufte Butter kann man für Gäste auch aufpeppen, indem man zum Beispiel das macht, was ein Spitzenkoch wie Max Strohe tut: Er schlägt sie noch mal fünf bis acht Minuten in der Küchenmaschine locker auf, salzt ein wenig nach und reicht sie natürlich zimmerwarm, damit die Aromen sich entfalten können. Denn das ist wie beim Käse: Kalt serviert, taugt die beste Butter nichts.

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