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Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
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Steigende Preise: Die Butter vom Brot nehmen

Das Paket Butter ist so teuer wie noch nie seit Einführung des Euro. Ein Ende der Preissteigerung ist nicht absehbar – ihre Folgen schon.

Von Maris Hubschmid

Die Deutschen und ihr Brot, das ist eine besondere, eine lange und innige Beziehung. Die Deutschen und ihre Butter, diese gehört zwangsläufig dazu. Kein anderes Volk in Europa isst mehr Brot, und kein anderes Volk in der Welt rühmt sich einer größeren Vielfalt. Wie schmeckt es noch besser? Mit Butter, na klar.

Guter Butter. Ein Begriff, der uns von unseren Müttern und Großmüttern in den Ohren klingt. Für die Nachkriegsgeneration, die Butter lange entbehrte, ist sie Inbegriff von Wohlstand. Von Versorgtsein, von: Mach dir keine Sorgen. Alles in Butter: Es geht uns gut.

Nicht nur zahlreichen älteren Menschen, denen bis heute kein Olivenöl in die Pfanne kommt, gilt Butter dabei auch als Prädikat, ein Indiz für Qualität. War eine Weile alles Fett als ungesunder Dickmacher in Verruf geraten, ist die Ära der Light-Produkte nun vorbei. Genuss ist wieder angesagt: „Mit 24 Prozent Butter“ steht auf der Packung Käse-Gebäck- Stangen bei Deutschlands führendem Supermarkt. Noch vor ein paar Jahren hätten viele das als Drohung gelesen. Jetzt soll es ein Versprechen sein.

Palmfett macht sich nicht mehr gut als Inhaltsstoff

Und es ist Teil des Problems. Denn auch, weil die verarbeitende Lebensmittelindustrie plötzlich wieder voll auf Butter setzt, ist deren Preis auf Rekordhoch geklettert. Das umstrittene Palmfett macht sich nicht mehr gut in der Inhaltsangabe – also steigt der Butter-Bedarf. Auch die Chinesen sind auf den Geschmack gekommen, das Land hat sich zum größten Butterimporteur schlechthin entwickelt. Ein ungünstiges Zusammentreffen, dass zur selben Zeit das Angebot gesunken ist.

Nicht an allem ist die Politik Schuld. Aber daran: Noch vor einem Jahr sah die Situation ganz anders aus. Nach der Aufhebung der Milchquote in der EU 2015 war viel zu viel Milch produziert worden, die Preise stürzten ab. Aus Protest kippten Bauern ihre Milch medienwirksam in den Gulli. Manche mussten aufgeben. Um gegenzusteuern, gab es Fördergelder mit der Auflage, dass die Produktion zurückgefahren wird.

Genau das ist geschehen. Hinzu kommt: An den Rand ihrer Existenz gedrängt, kauften Landwirte billigeres, minderwertigeres Futter, das weniger gehaltvoll ist. Im Ergebnis produzieren die Kühe weniger gehaltvolle Milch. Das ist wieder schlecht für den Butterpreis, weil mehr Milch benötigt wird, um Butter herzustellen. Auch für andere fetthaltige Produkte müssen Verbraucher in diesen Tagen viel Geld hinlegen, wie Ludwig Börner, Milchexperte des Bauernverbands, bestätigt. Sahne, Quark, Käse: je höher der Fettgehalt, desto größer der Preissprung.

Die Folgen des kalten Frühlings

Zu allem Überfluss hat das kalte Frühjahr seinen Teil dazu beigetragen, dass die Kühe nicht so recht auf Wohlfühltemperatur kamen. Am anderen Ende der Welt war es dagegen zu heiß. Deswegen lieferten auch australische Kühe nicht die erwartete Menge. Das Angebot auf dem Weltmarkt sinkt.

All diese Gründe führen dazu, dass selbst beim Discounter das Paket Butter zurzeit nicht unter 1,99 Euro zu haben ist. Am Tiefpunkt waren es im vergangenen Sommer 79 Cent. Mitunter wird die traditionell luxuriösere irische Butter günstiger angeboten als heimische. Was sie so exklusiv macht, ist letztlich die begrenzte Verfügbarkeit. Die Firma Kerrygold wirbt in Videospots damit, dass Irlands Kühe pro Tier im Durchschnitt merklich weniger Milch geben als andere, die oft auf Hochleistung getrimmt sind: Etwas über 5000 Liter im Jahr. Die Botschaft: Hier gibt es die geballte Ladung Nährstoffe aus würzigen irischen Bergwiesen. In Dänemark bringt es eine Kuh auf fast 9000 Liter, in Deutschland immerhin auf über 7000.

Statt der historisch niedrigen 20 Cent bekommen die Erzeuger pro Kilo jetzt im Durchschnitt 35 Cent, sagt Björn Börgermann vom Milchindustrie-Verband (MVI). „Tendenz steigend.“ Beim Landesbauernverband Brandenburg betont man gleichwohl: Aufatmen ist nicht. „Die Betriebe haben immer noch ein sehr großes Defizit der vergangenen zwei bis drei Jahre auszugleichen.“

Zu Weihnachten Engpässe bei Milch, Sahne und Butter

Das geht nicht von heute auf morgen. Gleiches gilt mit Blick auf die aktuelle Knappheit – es dauert eben, eine Milchkuh zu züchten. Der Chef des dänischen Molkereikonzerns Arla sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass es gen Jahresende wohl zu weiteren Engpässen bei Milch, Sahne und Butter kommen dürfte. „Es wird absolut unmöglich sein, den Bedarf bis Weihnachten zu decken.“

Spekulatius, Baumkuchen, Stollen – auch auf Spezialitäten wie diese wirkt sich der Butterpreis aus. Laut Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks mussten bereits viele Bäcker ihre Preise für Butterbrezeln, Croissants oder Plunder anheben. Beim Hersteller Bahlsen prüft man, „ob eine Anpassung des Abgabepreises notwendig ist“.

Insgesamt isst ein Bundesbürger laut MVI rund sechs Kilogramm Butter im Jahr. Der Butterpreis, er zieht auch die Inflation nach oben. Butter – das neue Gelbgold also? Wann der Zenit erreicht ist, vermag keiner zu sagen. Die Zwei-Euro-Marke wird wohl auf jeden Fall geknackt. Entscheidend für den Wert auf dem Weltmarkt ist zunächst, wie das Frühjahr in Neuseeland verläuft. Und das ist noch eine ganze Weile hin.

Der Absatz von Mischfetten steigt

Bei aller Liebe kaufen die Deutschen darum vorerst etwas weniger von ihrem favorisierten Brotaufstrich. Helmut Hübsch vom Marktforschungsunternehmen GfK spricht von einem Nachfragerückgang von „bis zu 24 Prozent“. Anders als in der Vergangenheit kann die Margarine davon nicht profitieren. „Wir beobachten aber, dass der Absatz von Mischfetten steigt.“ Das sind diejenigen, die in schimmernden Plastikdosen mit Deckeln und Aufschriften wie „gekühlt streichfähig“ dargeboten werden. Auch sie enthalten „gute Butter“. Das Kuriose: „Der Preisunterschied zur reinen Butter tendiert gegen null.“ Aber viele Käufer sehen wohl schlicht nicht ein, weshalb sie für ein Gut, das vor einem Jahr noch 79 Cent gekostet hat, jetzt zwei Euro ausgeben sollen. Da greifen sie offenbar lieber zu dem, das – weil aufwendiger verpackt und weiter verarbeitet – schon immer teuer war.

Und diejenigen, die der Butter die Treue halten? Müssen es sich leisten können. Oder, wenn nicht kleinere Brötchen backen, so doch kleinere Brötchen schmieren.

Hinweis: In einer vorherigen Version war davon die Rede, das Pfund Butter koste 1,99 Euro. Das war falsch, richtig ist: Ein Paket (250 Gramm).

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