Perspektiven für Berlins Baupolitik: Zurück zur Platte?
Über die Risiken und Chancen des modularen Bauens für die Berliner Stadtentwicklung diskutierten am Montagabend Experten aus Senat und Bauwesen in der Urania.
Einen Erfolg konnte Berlins Senatsbaudirektorin und bekennender Union-Fan Regula Lüscher an diesem Abend verbuchen: den Aufstieg in die Fußball-Bundesliga. Gut vorbereitet war sie jedenfalls, pünktlich um halb neun zog sie den Fanschal auf dem Podium in der Urania aus ihrer Handtasche.
Dabei ging es in dieser Runde eigentlich gar nicht um Fußball, sondern um ein anderes Thema, das Berlin umtreibt: das Bauen. Denn einerseits braucht Berlin dringend neuen Wohnraum, Schulen und Kitas, andererseits muss es schnell gehen und darf nicht zu viel Kosten. Modulares und serielles Bauen schwebt der Senatsbaudirektorin dafür vor – also: Häuser nach dem Baukastenprinzip, bei denen die Bauteile nicht mehr vor Ort hergestellt, sondern dort nur noch montiert werden.
Zurück zur Platte? Sofort schrillen bei manchem Ureinwohner sämtlich verfügbare Alarmglocken. Modulares Bauen, das gab es schließlich schon einmal in der deutschen Hauptstadt und prägt ihr Erscheinungsbild im Ostteil bis heute. Platte 2.0, gerade für Westberliner ein Schreckensszenario.
Dabei scheinen die Vorteile modularen Bauens erst einmal auf der Hand zu liegen: die Vorfertigung führt zu kurzen Montagezeiten bei gleichbleibender Qualität und ermöglicht das Bauen unabhängig von den Witterungsbedingungen.
Die Vielfalt bleibt beim Bauen in Serie natürlich etwas auf der Strecke. Aber das weitaus größere Problem sei, dass sich keine Baufirmen finden, die die vom Senat geplanten 30 neuen Kitas in serieller Bauweise umsetzen wollen, gab Lüscher zu. Die Pläne dafür seien längst fertig, die Ausschreibung werde jetzt nach einer erfolglosen ersten in die zweite Runde gehen.
Keine Firma für Kita-Bau gefunden
„Wir haben die Ausschreibung jetzt auf jeweils fünf bis zehn Kitas verkleinert“, erklärte der für die Planung zuständige Architekt Andreas Kopp. „Damit wollen wir jetzt auch kleinere Baufirmen ansprechen.“
Große Pläne erfordern aber nicht nur Firmen, die sie umsetzen können. Zu aller erst brauche modulares Bauen die freie Fläche, darüber war man sich einig. In der DDR damals war das kein Problem, erinnerte Architekturkritiker Wolfgang Kil, in den 70ern angestellter Architekt im Wohnungsbaukombinat Ost-Berlins.
„Damals konnten wir auf der grünen Wiese bauen, aber auch in der DDR wurde Anfang der 80er Jahre die Fläche knapp“, erinnert sich Kil. Schließlich sei Architektur in Serie nicht per se etwas Schlechtes, aber es müsse vernünftig durchgeplant sein. In den heutigen dicht besiedelten europäischen Großstädten funktioniere das so nicht mehr. Architektur in der Stadt sei zwar mehr als das „Villen-Potpourri“, aber man dürfe heute nicht die gleichen Fehler machen, wie damals beim Plattenbau, so Kil. Noch fehle jedenfalls ein gutes Konzept für modulares Bauen in der modernen Großstadt.
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Und schließlich sind da noch die Ansprüche von Politikern und Anwohnern, brachte HOWOGE Geschäftsführer Ullrich Schiller in die Diskussion ein. „Die Stadt wünscht sich viel Grün und trotzdem schnell neuen Wohnraum“, so Schiller. Das ist ein Problem, das wir nicht lösen können.“ Wenn Bauträger wie die Howoge 50 Prozent neu gebauter Wohnungen zu einem Quadratmeterpreis von 6,50 Euro anbieten müssen, Baufirmen aber gleichzeitig immer höhere Preise aufrufen, dann finanziere sich das einfach nicht.
Serielles Bauen: Keine Kosten-, aber Zeitersparnis
Dieses Problem wird wohl auch der Modulbau nicht lösen können. Wirklich günstiger sei er nämlich nicht, erklärte Architekt Kopp. Serielles Bauen sei nicht eine Kosten-, aber sehr wohl eine Zeitersparnis. Leider scheitere auch das manchmal an den Gegebenheiten.
Bisher sind die Planungen teuer und die Umsetzung lässt auf sich warten. Serielles und modulares Bauen ist nicht wirklich effizient, wenn Vergabeverfahren langwierig sind und Ausschreibungen gar keine Bewerber finden. Und dann ist da auch noch das Berliner Verwaltungschaos, das die Sache zusätzlich erschwert.
„In Berlin ist mit der Verwaltung in zehn Jahren keine Schule zu bauen“, kommentierte ein Besucher, seinerseits Architekt, im Nachgang die Veranstaltung. „In München steht eine Schule in vier Jahren“. Jedenfalls dominierte die Kostenfrage den Abend. Der Gestaltunganspruch kam nur am Rande zum Tragen.
Sicherlich sei der Typenbau nicht der Königsweg für Berlin, bestätigte Senatsbaudirektorin Lüscher, aber gerade für infrastrukturelle Gebäude, wie Kitas und Schulen, die oft freistehend sind, sei es eine gute Möglichkeit, um effizient neuen Raum zu schaffen.
Berlin habe zu lange die Sanierung seiner Schulen verschlafen. „Jetzt muss ich mit dem Etat von 5,5 Milliarden Euro gleichzeitig sanieren und neu bauen“, beklagte sich Lüscher. „Deshalb steht für mich an erster Stelle die Effizienzfrage“. Und schließlich könne man ja bei der Fassade durchaus variieren.
Die Debatte fand im Rahmen der Diskussionsreihe „Stadt im Gespräch – Berlin im Wandel“ statt, die der Tagesspiegel gemeinsam mit der Architektenkammer und der Urania veranstaltet.