Komplizierte Auftragsvergabe: Berlin findet niemanden, der Kitas baut
Bei einer Ausschreibung meldet sich kein Unternehmen für den Bau von 27 geplanten Kitas in Berlin. Wirtschaft und Kammern kritisieren das Vorgehen des Senats.
Rückschlag bei Berlins Kitaplanung: Für den Bau von 27 neuen Kitas mit bis zu 3300 Plätzen hat die Stadt bislang keine Baufirmen gefunden. Dies bestätigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung am Mittwoch auf Anfrage. Trotz Fristverlängerung sei kein Angebot eingereicht worden, sagte Sprecherin Katrin Dietl dem Tagesspiegel. In zwei bis drei Monaten solle die Ausschreibung wiederholt werden.
Auf das europaweite Interessenbekundungsverfahren hätten sich 30 Firmen gemeldet, so Dietl, von denen sich sechs beim anschließenden nicht-offenen Ausschreibungsverfahren beteiligt hätten. "Dies spiegelt exemplarisch die aktuelle Situation für Bauprojekte, sowohl der öffentlichen als auch der privaten Bauherren, derzeit ganz gut wider", sagte Dietl. Kurz: Die Auftragsbücher seien voll. Die Berliner Architektenkammer forderte als Konsequenz eine „Abkehr von der Bündelung in Großaufträge“. Die Industrie- und Handelskammer erneuerte ihre Kritik an den komplizierten Bedingungen bei der öffentlichen Auftragsvergabe.
Auf das europaweite Interessenbekundungsverfahren hatten sich laut Behördensprecherin Dietl 30 Firmen gemeldet, von denen sich sechs beim anschließenden nicht-offenen Ausschreibungsverfahren beteiligt hätten. Dass letztlich niemand ein Angebot abgegeben habe, spiegele „exemplarisch die aktuelle Situation für Bauprojekte, sowohl der öffentlichen als auch der privaten Bauherren“ wider. Kurz: Die Auftragsbücher seien voll. Nun werde daran gearbeitet, eine Lösung zu finden – im Austausch mit der Bildungsverwaltung. Dabei würden sie die Möglichkeiten in der Vergabeverordnung „vollumfänglich ausschöpfen“.
Um beim zweiten Anlauf Angebote zu bekommen, soll die Ausschreibung verändert werden. Ziel ist es, den Anbietern mehr Flexibilität bei der Staffelung der einzelnen Bauprojekte anzubieten. Zudem soll es ermöglicht werden, dass auch Firmen den Zuschlag erhalten, die nicht in der Lage sind, viele Kitas auf einmal zu bauen. Es könnten somit auch kleinere Firmen zum Zuge kommen. Damit würde zumindest teilweise das erreicht, was die Architektenkammer anmahnt.
Risiken bei Großaufträgen
„Die Bündelung von Leistungen birgt erhebliche Risiken: So kann die Bindung an ein einziges Bauunternehmen zu großen finanziellen und zeitlichen Abhängigkeiten der Verwaltung führen“, sagte Christine Edmaier, Präsidentin der Architektenkammer Berlin. Dass nun offenbar kein einziger Bieter bereit gewesen sei, den Großauftrag zu übernehmen, zeige „die Risiken dieser Vorgehensweise“. Die Verzögerung bei den dringend benötigten Kitaplätzen sei „hausgemacht“.
Als weiteres Problem wurde das Berliner Vergabegesetz genannt. Die Industrie- und Handelskammer erinnerte am Mittwoch daran, dass das komplizierte Vergaberecht dazu führe, „dass sieben von zehn Berliner Unternehmen sich nicht an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen“. Der FDP-Bildungspolitiker Paul Fresdorf ergänzte, dass Berlin im Bereich des Kitaneubaus dringend eine Entbürokratisierung der Prozesse benötige. Roman Simon (CDU) sprach von einem „Armutszeugnis für Rot-Rot-Grün“.
"Der Senat würgt Innovationen ab"
Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, gibt zu bedenken, dass die vom Senat vorgegebenen Bedingungen die regionale mittelständische Bauwirtschaft „weitgehend ausgeschlossen“ hätten.Eignungskriterien wie mindestens drei abgeschlossene Referenzen in den letzten drei Jahren in Holz- oder Holz-Hybridbauweise sowie ein Gesamtumsatz in diesem Bereich von mindestens 15 Millionen Euro netto pro Jahr im Durchschnitt der letzten drei Geschäftsjahre hätten eine Angebotsabgabe für die regionale Baubranche „unmöglich“ gemacht. Der Senat „würge“ seine intendierten baulichen Innovationen selbst wieder ab, „indem durch solch hohe Mindeststandards das Anbieten neuer Bauweisen für Mittelständler unattraktiv wird“. Schreiner appellierte an den Senat, bei der erneuten Ausschreibung „das Leistungsportfolio der hiesigen Unternehmen im Blick zu haben und das Gebot der mittelstandsfreundlichen Vergabe zu beachten."
Mögliche Standorte wurden bereits genannt
Die Siegerentwürfe für die "Modularen Kitabauten" (MokiBs) hatten die Senatorinnen für Stadtentwicklung und Bildung, Katrin Lompscher (Linke) und Sandra Scheeres (SPD), im Januar 2018 präsentiert. Die Entwürfe sollten in elf Bezirken realisiert werden: Mitte, Pankow, Reinickendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf, Treptow-Köpenick, Tempelhof-Schöneberg, Spandau, Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg.
Es wurden auch bereits mögliche Standorte genannt, darunter die Habersaathstraße in Mitte sowie in Pankow die Standorte Priesterstege und Eschengraben. Nur zwei Jahre sollte die Zeitspanne zwischen dem Planungsbeginn und der Fertigstellung dieser Kitas betragen, hatten die Senatorinnen damals hervorgehoben - um dem Berliner "Babyboom" gerecht zu werden. Die Zeit drängt, denn die Kitaplätze reichen nicht. Aktuell gibt es 50 offene Klagen von Eltern. Tausende Familien sind auf der Platzsuche.
Freier Träger bietet Hilfe an
Stefan Spieker, Geschäftsführer des großen Kitaträgers Fröbel, forderte die Jugendverwaltung auf, freie Träger stärker einzubinden: „Die Gelder aus dem MokiB-Förderprogramm sollten kurzfristig in ein Investitionsprogramm für Kitaplätze überführt werden. Diese könnten freie Träger beispielsweise für eine Sonderförderung nutzen, um neue Kitaflächen anzumieten“, lautet sein Vorschlag.
"Aus unserer Sicht ist das derzeit keine vernünftige Alternative", lautete die Reaktion der Bildungsverwaltung. Es gebe zwar nun Verzögerungen bei den MoKiB, aber das Projekt habe "mehrere Vorteile, die aus unserer Sicht überwiegen": Einmal gestartet, könnten dank der bereits erfolgten Vorplanungen und durch die modulare Bauweise in kurzer Zeit sehr viele neue Plätze geschaffen werden. Das Programm sei ist eine weitere Säule des Kita-Ausbaus – neben der Förderung des Engagements der Kitaträger. Im Übrigen würden die Mittel für das Kita-Landesprogramm aufgestockt.
Das Land Berlin als Auftraggeber hat einen schlechten Ruf, sowohl was die Zahlungsmoral angeht als auch die Preise, die hier immer möglichst billig sein sollen.
schreibt NutzerIn kola99
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