Berliner CDU besucht Clan-Kiez: „Wir kriegen sie nur über die Kohle und die Kinder“
Berliner CDU-Politiker luden am Mittwoch zu einem Rundgang durch das Einflussgebiet der arabischen Großfamilie R. in Neukölln – und forderten Härte.
Eigentlich hätten die drei CDU-Politiker auch schriftlich über ihre Vorschläge zur Bekämpfung der Clankriminalität informieren können. Doch die Bundestagsabgeordnete Nina Warken, der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, sowie der Neuköllner Jugendstadtrat Falko Liecke luden am Mittwoch lieber zu einem „Kiez-Rundgang zur Clankriminalität“, Treffpunkt war im Jugendfreizeitheim Lessinghöhe im Neuköllner Mittelweg. Die dreifaltige Botschaft der CDU-Politiker: Entschlossenheit und Konsequenz gegen kriminelle Strukturen arabischer Großfamilien, geschlossenes Vorgehen von Kommune, Land und Bund. Ihre Botschaften dürfen die Politiker noch vor dem Rundgang in dem pastellfarben möblierten Jugendraum setzen.
Warken sagt, es müssten alle Möglichkeiten des Rechtsstaates ausgenutzt werden und zwar auf allen Ebenen. Mit dem im Januar beschlossenen „Pakt für den Rechtsstaat“ stellte der Bund den Ländern Mittel zur Verfügung, um zusätzliche Richter und Staatsanwälte einzustellen. Dieser Ansatz müsse noch erweitert werden, die Hürden, die die Zusammenarbeit der Behörden in der Praxis erschweren, müssten abgebaut werden. So wie der Austausch von Daten oder die Regelung zur Vermögensabschöpfung etwa.
Mieteinnahmen bereits konfiszierter Immobilien fließen weiter an Familie
Bereits 2017 hatte die Bundesregierung eine neue Regelung auf den Weg gebracht, die die Beschlagnahme von Vermögenswerten wie Immobilien erleichtert. Im Juni 2018 dann beschlagnahmte die Berliner Staatsanwaltschaft auf dieser Grundlage 77 Immobilien der deutsch-arabischen Großfamilie R. Doch die Mieteinnahmen der Gebäude fließen weiterhin auf Konten der Familien im Libanon. „Ich fordere den Senat auf, in der Frage, ob die Mieteinnahmen der konfiszierten Immobilien eingezogen werden können, endlich zu handeln“, sagte Dregger am Mittwoch. „Das wird sie sehr empfindlich treffen“, sagt Dregger. Die rechtliche Grundlage dafür sei gegeben. Weiter forderte er eine Änderung des aktuell diskutierten Berliner Polizeigesetzes, um das Abhören von Telefongesprächen auszuweiten. Dass Berlin die Telefonüberwachung als Mittel gegen organisierte Kriminalität nicht vorsehe, sei absurd.
Frage nach Kindeswohlgefährdung
„Die machen uns hier richtig Probleme“, sagt Jugendstadtrat Liecke. 18 Straftäter zwischen 18 und 27 Jahren stammten aus besagter Familie R., insgesamt hätten sie 200 Straftaten verübt. „Sie akzeptieren unser Rechts- und Wertesystem nicht, sie machen sich den Staat zur Beute und das können wir nicht länger hinnehmen“, sagt Liecke. Die Präsenz und der Einfluss der Familie sei in Neukölln auf vielen Ebenen zu merken – auch bei den Jüngsten. „Bei manchen Kindern reicht es schon, Angst und Schrecken zu verbreiten, wenn sie ihren Namen sagen.“ Lieckes Schluss lautet daher: „Wir kriegen sie nur über die Kohle und die Kinder.“ Zusammen mit einem Kinderpsychologen solle in Neukölln in Kürze eine externe Juristin bewerten, ob Kinder, die in den kriminellen Strukturen aufwachsen, einer Kindeswohlgefährdung ausgesetzt seien. „Wenn die ersten drei Brüder straffällig geworden sind, ist zu erwarten, dass vier, fünf und sechs auch straffällig werden“, sagt Liecke. Vor dem Familiengericht solle dann im Einzelfall geprüft werden, ob man die Kinder den Familien entziehen könne. Laut Liecke handelt es sich bei der angestrebten Maßnahme eindeutig nicht um eine Strafmaßnahme gegen die Familien, sondern einzig um den Versuch, das Wohl der Kinder im Blick zu behalten.
Rundgang zum ehemaligen Wohnhaus der Familie R.
Der tatsächliche Rundgang führt die CDU-Politiker dann zu zwei Gebäuden in der unmittelbaren Nähe des Jugendzentrums, zu sehen gibt es aber wenig. Da stehen Warken und Dregger dann verständnisvoll nickend neben Liecke und blicken auf ein graues fünfstöckiges Wohnhaus mit sieben Satellitenschüsseln an der Fassade. Liecke zeigt darauf und sagt: „Hier gibt es zum Beispiel ganz viele Razzien.“ Wenige Meter weiter macht der Tross aus Presse, Polizei und Politikern dann vor einem verzierten Haus mit rotem Grund Halt. Der Neuköllner Politiker erklärt, hier habe mal besagte Familie R. gelebt, der Vermieter habe ihnen aber vor Kurzem gekündigt, denn: „Er hatte die Schnauze voll.“
Darüber, dass Berlins Behörden im November unter Federführung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) einen Fünf-Punkte-Plan gegen Clankriminalität beschlossen haben, verlieren die CDU- Politiker kein Wort. Auch nicht über die verstärkten Kontrollen in Shisha-Bars und Spielotheken, nicht über das Vorgehen gegen kleinste Delikte und nicht über die neue Koordinierungsstelle beim Landeskriminalamt.
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