Berlins Kampf gegen die organisierte Kriminalität: Kinder aus den Clans in Obhut nehmen
Innensenator Andreas Geisel will den Kampf gegen kriminelle Clans breiter aufstellen. Nun wird gefordert: Auch die Jugendämter sind gefragt.
Innensenator Andreas Geisel will mit Finanzsenator Matthias Kollatz (beide SPD) und Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) neue Wege im Kampf gegen die organisierte Kriminalität durch Mitglieder deutsch-arabischer Großfamilien verabreden. Doch nach Ansicht der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), und dem SPD-Abgeordneten Tom Schreiber greift das zu kurz.
Herrmann und Schreiber fordern, dass auch Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) mit am Tisch sitzt. Besprochen werden soll bei dem im Senat verabredeten Treffen etwa, wie die Behörden mit der Steuerfahndung gegen die Clans vorgehen können. Herrmann und Schreiber wollen aber auch den Nachwuchs der Großfamilien in den Blick nehmen: Kinder und Jugendliche, die früh auffällig in der Schule werden und Straftaten begehen. „In bestimmten Familien ist ein Zugang fast nicht möglich, die lassen sich nicht von einem Familienhelfer begleiten“, sagt Herrmann.
Geisel räumt ein: Es wurde lange zu wenig getan
Schreiber hatte bereits 2015 vorgeschlagen, Kinder bekannter arabischstämmiger Krimineller wegen Kindeswohlgefährdung unter staatliche Obhut zu stellen. „Wenn das in zwei, drei Fällen geschieht, macht das etwas mit den Strukturen“, sagte Schreiber. Es müsse verhindert werden, dass Kinder in Clan-Strukturen rutschen, kriminell werden und später in Haft kommen.
Herrmann warnt allerdings vor allzu großen Erwartungen: Familiengerichte würden stets nur im Einzelfall feststellen, ob das Wohl der Kinder gefährdet ist und diese in Obhut genommen werden. Dennoch sei es wichtig, dass nicht nur Sicherheits-, Justiz- und Finanzbehörden ihr Vorgehen gegen die Clans abstimmen, sondern auch die Jugendämter eingebunden werden. „Sobald tatsächlich ein begründeter Verdacht vorliegt, müssen alle an einem Strang ziehen“, sagt Herrmann.
Neukölln-Bürgermeister Hikel fordert Null-Toleranz-Strategie
Innensenator Geisel hat indes eingestanden, dass beim Kampf gegen die organisierte Clan-Kriminalität zu lange nicht genügend geschehen ist. Jetzt gehe es darum, kriminellen Clan-Mitgliedern das Leben so ungemütlich wie möglich zu machen, sagte Geisel dem rbb. Er verwies auf mehrere Durchsuchungen und Festnahmen in den vergangenen Monaten. Die Kapazitäten bei den Sicherheitsbehörden müssten aber weiter ausgebaut werden.
Alarmiert zeigte sich Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) angesichts der Beerdigung des vor einer Woche erschossenen Nidal R. mit 2000 Gästen, darunter namhafte Clan-Chefs. Sie zeigten damit, dass sie sich eine Parallelwelt aufgebaut hätten, in der nur ihre eigenen Regeln gelten, sagte Hikel der „B.Z.“ Das dürfte sich der Rechtsstaat nicht bieten lassen, nötig sei eine „unmissverständliche Null-Toleranz-Linie“. Hikel forderte einen besseren Informationsaustausch zwischen den Behörden – auch beim Hartz-IV-Bezug oder bei Gewerbeanmeldungen.
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