Arabische Großfamilien: Endlich geht Berlin gegen kriminelle Clans vor
Für sie zählen: Beutemachen und die Familienehre. Einschlägige arabische Clans wurden lange in Ruhe gelassen. Das ist vorbei – und nützt allen. Ein Kommentar.
Wenn Berliner Beamte zur nächsten Clan-Razzia ausrücken, wenn sie in Shisha-Bars, Luxuswagen, Wettbüros nach Waffen, Drogen, Schwarzgeld suchen, dürften sie das inzwischen mit Genugtuung tun - selbst dann, wenn sie dort nur Kleinigkeiten feststellen sollten. Denn der Blick auf ihre Arbeit hat sich verändert.
Jahrzehnte lang hatten Polizisten, aber auch Sozialarbeiter, Lehrer, Hausverwalter eher im kleinen Kreis darüber gesprochen, dass sich Männer aus den immer selben arabischen Familien an keine Regel zu halten scheinen. Dass sie das Sozialwesen, den Rechtsstaat, die offene Gesellschaft verspotten - deren Vorzüge aber nutzen. Die Familien fielen früh auf, weil sie mit anderen Einwanderern wenig gemeinsam hatten: zu traditionell ihr Rollenverständnis, zu brutal ihr Territorialanspruch.
Täter sind deutsche Staatsbürger
Aus Angst vor Rassismusvorwürfen sahen trotzdem viele weg. Vorbei. In Berlin und NRW trafen sich Politiker und Ermittler zu sogenannten Clan-Gipfeln, in Bremen steht einer an. Spätestens seit die Goldmünze aus dem Bode-Museum gestohlen, ein Vater im beschaulichen Stadtteil Britz totgeprügelt und ein Clan-Mann vor dutzenden Zeugen mit acht Schüssen getötet wurde, wird offen über die Gefahren der Clan-Kriminalität gesprochen. Klar, das trifft nur auf einige Familien zu. Doch während nicht mal vier Prozent der Berliner arabischer Herkunft sind, berichten Staatsanwälte, 20 Prozent der Verdächtigen in Fällen organisierter Kriminalität gehörten bekannten Clans an.
Bei ihnen ist Beutemachen generationsübergreifender Lebensstil. Die jungen Männer, die ins Bode-Museum eingebrochen sein sollen, sind deutsche Staatsbürger. Sie hätten von daher die Möglichkeit gehabt, ein ganz normales Leben zu führen. Aber das hat die Tradition dieser Großfamilien eben verhindert. Das gilt auch für die Männer, denen vorgeworfen wird, sie hätten Bushidos Kinder entführen und seiner Frau womöglich Säure ins Gesicht schütten wollen. Sie alle gehören in ihre eigene Welt. Aber in die dringt der Staat nun massiv ein.
Falschparken? StVO gilt auch für Clan-Männer!
Ordnungsamt und Polizisten überprüfen Neuköllner Shisha-Bars so oft, dass sich Clan-Größen derart gestört fühlen, das sie schon nach Spandau ausweichen für eine Unterhaltung. Wo früher wegen Falschparkens kein Ticket ausgestellt wurde, weil der Mob die Kolleginnen vom Ordnungsamt umringt hätte, rückt nun eine Hundertschaft an, damit die Straßenverkehrsordnung durchgesetzt wird. Luxuswagen werden kontrolliert, um sie wegen Mängeln oder unklarer Finanzierung einziehen zu können. Zu hohen Haftstrafen, die der Boulevard fordert, führt das nicht - doch die Strategie ist richtig.
Es werden all die Delikte, die in diesem Milieu tägliche Praxis sind, verfolgt: Raserei, Drohungen, Sozialbetrug. Bei den Clan-Männern handelt es sich eben nicht um hochkonspirative Elitekriminelle, sondern um Angeber, die zwar Raubgut und Schwarzgeld verstecken können, aber nur erfolgreich sind, weil sie durch zur Schau gestellte Gewissenlosigkeit viel Angst erzeugen.
Zeugen schreckt das ab, Brutalos zieht es an. Und selbst wenn all den Razzien bloß Bußgelder folgen, kratzt das am Image der Kiezpatriarchen. Bis sich das Milieu auflöst, dauert es. Sollte die nächste Generation dann der Dauerkriminalität überdrüssig sein, wäre das für Beamte, Nachbarn, Mitschüler ein Segen - also auch für die vielen Neuköllner arabischer Herkunft, die nicht ständig nach Beute suchen.
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