Innovative Unternehmen in Brandenburg: Wie Potsdam zum Start-up-Paradies werden will
Die Gründerszene boomt in der Landeshauptstadt. Dahinter stehen ausgefeilte Förderprogramme und enge Kooperationen mit etablierten Firmen
Für einen Start-up-Gründer hat sich Jerome Lange ein ungewöhnliches Betätigungsfeld ausgesucht: den Bau. „Auf einer großen Baustelle sind viele verschiedene Firmen, die alle ihr eigenes Ding machen“, sagt er. Für die Bauleitung sei es schwierig, den Überblick zu behalten. „Das kann chaotisch sein“, was zu höheren Kosten und längeren Bauzeiten führe.
Dieses Problem möchte Langes Start-up Koppla mithilfe eines Konzepts namens Lean Construction lösen. Es basiert auf Produktionsweisen, wie sie in der Autoindustrie zum Einsatz kommen. Eine spezielle Software, die auf Testbaustellen bereits genutzt werde, könne der Bauleitung helfen, alle Termine zu koordinieren.
Die beteiligten Unternehmen hätten ihrerseits über eine App auf dem Smartphone Zugriff auf alle wichtigen Daten. Außerdem könnten sie damit kommunizieren und den aktuellen Fortschritt mit Fotos dokumentieren. Das Ziel sei eine „datengetriebene Baustelle“, sagt Lange.
Förderung durch die Uni Potsdam
Um die Effizienz zu erhöhen, werde die Baustelle in verschiedene „Produktionsbereiche“ aufgeteilt, erläutert Lange, etwa Zimmer, Treppenhaus oder Tiefgarage. In diesen Bereichen müssten immer wieder die gleichen Aufgaben erledigt werden. Durch Wiederholung käme mehr Stabilität in den gesamten Ablauf. „Dafür bieten wir das Betriebssystem.“
Jerome Lange hat Koppla vor einem Jahr zusammen mit Marco Trippler und Lasse Steffen gegründet. Die Geschäftsidee ist aus einem Projekt an der Universität Potsdam hervorgegangen. Die Gründer wurden im Rahmen des Exist-Programms durch das Bundeswirtschaftsministerium gefördert. Johannes Zier von Potsdam Transfer, dem Gründungsservice der Uni Potsdam, hat bei der Antragstellung geholfen. Jedes Jahr bringe das Programm etwa 30 erfolgreich gegründete Unternehmen hervor, sagt er.
Vernetzung mit etablierten Firmen
Die brandenburgische Landeshauptstadt bietet Gründungswilligen ein außergewöhnlich breites Spektrum an Förderungen. Der Media Tech Hub (MTH) zum Beispiel vernetzt etablierte Unternehmen mit Start-ups. Der Schwerpunkt liegt auf der Medien- und Filmindustrie, für die der Stadtteil Babelsberg weltweit bekannt ist. Unterstützt wird der Hub vom Land Brandenburg, aber auch von etablierten Unternehmen wie der UFA oder Rolls Royce. Die großen Player erhoffen sich davon Zugang zu innovativen Geschäftsmodellen.
Dazu könnte demnächst auch das des Start-ups Portal One gehören, das vom MTH gefördert wird. „Wir machen eine Software für uns selbst“, sagt Justin Michael La Vallee, einer der vier Gründer. Das Team hat ein Programm entwickelt, das Filmschaffenden das Finden von Filmmusik erleichtern soll. Weil er selbst seit vielen Jahren in der Filmbranche tätig sei, wisse er, wie kompliziert die Auswahl passender Titel sei.
Allein für einen kurzen Werbespot zum Beispiel müssten normalerweise unzählige Lieder ausprobiert werden. Ein Spielfilm habe bis zu 15 Tracks. Die Portal-Software nutze Künstliche Intelligenz, um den kreativen Prozess zu unterstützen. Sie liefere eine Vorauswahl relevanter Stücke. Außerdem könnten damit alle notwendigen Lizenzen erworben werden. Das Produkt soll noch im Juni auf den Markt kommen.
Milliardenschweres Start-up Signavio
Auch das Hasso-Plattner-Institut (HPI) unterstützt Gründungswillige. Es bietet verschiedene Informatikstudiengänge sowie eine Schule für Design Thinking. Das ist eine spezielle Methode zur Lösung komplexer Problemstellungen, die vor allem in der Produktentwicklung zum Einsatz kommt. Mit einem eigenen Seed Fund unterstützt das HPI ausgewählte Gründungsprozesse auch finanziell.
So soll der Finanzbedarf in der Frühphase der Gründung gedeckt werden. Voraussetzung ist, dass mindestens eine Person aus dem Team am HPI oder an der angeschlossenen Schule für Design Thinking studiert.
Mit dieser intensiven Frühphasen-Förderung begann auch die Erfolgsgeschichte von Signavio. 2009 gründeten die HPI-Studenten Gero Decker, Nicolas Peters und Willi Tscheschner dieses Start-up, das auf Prozessoptimierung in Unternehmen spezialisiert ist. Die Idee war aus einem Uniprojekt entstanden.
Zehn Jahre später hatte Signavio Standorte in den USA, Australien, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien und beschäftigte über 300 Menschen weltweit. Anfang 2021 wurde das Unternehmen schließlich vom Softwarekonzern SAP gekauft - für eine Milliarde Euro.