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Susanne Zöchling und Erdinç Koç vom MediaTech Hub Accelerator, helfen Gründer:innen und sind mit den Unis und Hochschulen vernetzt.
© Yannik Sellinger

MediaTech Hub fördert Start-ups: Wie Potsdam zum Hotspot für junge Gründer werden will

Das Start-up Feelbelt macht Geräusche erlebbar – durch Vibrationen, die unter die Haut gehen. Hinter dem Erfolg steht eine smarte Gründerförderung in Potsdam.

Manche Geräusche gehen durch Mark und Bein, etwa das Quietschen der Bremsen beim Autofahren. Bei Videospielen ist das Erlebnis nicht so wirklichkeitsnah. Doch das Potsdamer Start-up Feelbelt hat einen Gürtel entwickelt, der das ändern soll. Das Gadget soll die Gaming-Erfahrung so realistisch machen, als säßen die Spieler:innen selbst am Steuer. Das funktioniert durch Vibrationen, die buchstäblich unter die Haut gehen.

„Die Haut ist ein spezielles Organ“, sagt der Feelbelt-Gründer Benjamin Heese. Und gerade am Bauch sei der Mensch besonders sensibel. Das nutze der Feelbelt aus, indem er Geräusche in haptische Signale umwandele. Das Gehirn nehme diese Vibrationen synchron zum Hören wahr und verbinde sie damit. So entstehe das Gefühl, mittendrin zu sein in der Action.

Das Produkt kann auf der Website des Start-ups vorbestellt werden. Die ersten Modelle werden bereits ausgeliefert. Bis die Produktion wirklich anläuft, dauert es allerdings noch einige Wochen. Im Moment konzentriere sich das junge Unternehmen auf den Gaming-Markt, sagt Heese. Die Ziele sind ambitioniert. Für das zweite Quartal plant er den Markteintritt in Japan und Südkorea. Die notwendigen Zulassungen seien vorhanden.

Das Start-up ist in Potsdam sehr gut vernetzt

Zukünftig könne die Technologie darüber hinaus aber auch verwendet werden, um zum Beispiel Filme und Fernsehen spürbarer zu machen. Gehörlose Menschen können mit dem Feelbelt Emotionen erleben, die sich durch Untertitel nicht vermitteln ließen, sagt Heese. Das muss kein Traum bleiben.

Die Erfindung hat bereits das Interesse eines einflussreichen Förderers geweckt, des UFA-Geschäftsführers Joachim Kosack. Auf dessen Einladung bezog Feelbelt kürzlich mit seinen zwölf Beschäftigten ein neues Büro in einem Gebäude des traditionsreichen Film- und Fernsehunternehmens in Babelsberg. Dass die erst Anfang 2019 gegründete Firma bereits so gut in der Branche vernetzt ist, liegt daran, dass sie in Potsdam eine außergewöhnliche Förderung genossen hat.

Der Gürtel des Start-ups Feelbelt macht virtuelle Wirklichkeiten erlebbar. So entstehe das Gefühl, mittendrin zu sein in der Action.
Der Gürtel des Start-ups Feelbelt macht virtuelle Wirklichkeiten erlebbar. So entstehe das Gefühl, mittendrin zu sein in der Action.
© Jonas Reuter

Und es liegt an Erdinç Koç. Der Leiter des MediaTech Hub Accelerators berät junge Potsdamer Start-ups in der Frühphase. Acceleratoren sind eine feste Größe in der Start-up-Welt. Diese Programme sind in der Regel auf einige Monate begrenzt. Sie unterstützen Gründer:innen mit Wissen und Ressourcen. Das Ziel ist es, die Unternehmensidee zu einem marktreifen Produkt oder einer Dienstleistung zu entwickeln.

„Erdinç hat wirklich den Finger in die Wunde gelegt“, sagt Heese. Koç habe dem jungen Unternehmen wichtige Hilfestellungen gegeben, auch zum Beispiel bei schwierigen Personalentscheidungen. Der MediaTech Hub Accelerator bündelt die Kräfte der Universität Potsdam, des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) und der Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg. Inzwischen ist außerdem die private Berliner Hochschule SRH Berlin University of Applied Sciences hinzugekommen.

Staatliche Förderung für junge Tech-Unternehmen

Gefördert werden vor allem Studierende dieser Universitäten. Es können sich aber auch externe Kandidaten bewerben. Der MediaTech Hub Potsdam, an den das Accelerator-Programm angegliedert ist, gehört zu einem Netz aus zwölf „Digital Hubs“ in Deutschland. Die wurden 2017 auf Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gegründet, um digitale Geschäftsmodelle fördern.

Der Potsdamer Ableger legt als Einziger den Fokus auf Medientechnologien. Das liegt nahe, weil vor allem Babelsberg weltweit bekannt ist als Standort für die Medien- und Filmindustrie. Studios, Radio- und Fernsehsender, Medienunternehmen und wissenschaftliche Institutionen liegen nah beieinander.

„Hier ist alles fußläufig zu erreichen“, sagt Erdinç Koç. Die aktuell 23 Start-ups im Portfolio könnten auch von guten Verbindungen in Landespolitik und Wirtschaft profitieren. Das gemeinsame Ziel sei es, „Unternehmertum und Gründergeist voranzubringen“, sagt Koç.

Unterstützt wird der Hub vom Brandenburger Ministerium für Wirtschaft und Energie, aber auch von etablierten Unternehmen wie der UFA oder Rolls Royce. Die großen Player erhoffen sich von der Zusammenarbeit mit innovativen Start-ups Zugang zu neuen Technologien und Geschäftsmodellen, vor allem bei der Virtual Reality.

„Wir sehen uns als Sparringspartner für die Start-ups“, sagt Susanne Zöchling, Projektleiterin beim MTH Accelerator. Die jungen Unternehmen durchliefen ein jeweils individuell auf ihre Situation zugeschnittenes Programm aus Beratung und Vernetzung. Das Programm biete den Start-ups konkrete Hilfestellung bei der Suche nach Partnern und Geldgebern.

Eine digitale Berliner Mauer

Eine erfolgreiche Ausgründung ist zum Beispiel BetaRoom. Die Digitalagentur entwickelte unter anderem eine App namens „MauAR“, die vielen Berlinerinnen und Berlinern bekannt sein dürfte. Sie gehörte zum offiziellen Programm der Feiern zum 30. Jahrestag des Mauerfalls. Die App lässt die Berliner Mauer wieder auferstehen – mittels Augmented Reality (AR).

Wenn die Nutzer:innen die Kameras ihrer Smartphones auf bestimmte Orten in der wirklichen Stadt richten, fügt die Software dem Bild auf dem Schirm automatisch 3D-Animationen der historischen Grenzanlagen hinzu. Die Geschichte wird dadurch begehbar gemacht.

Die Berliner Mauer wird virtuell sichtbar mit der App "MauAR" von BetaRoom.
Die Berliner Mauer wird virtuell sichtbar mit der App "MauAR" von BetaRoom.
© Peter Kolski

Die Nähe Potsdams zur international bekannten Start-up-Metropole Berlin sei ein Vorteil für viele Gründende, sagt Susanne Zöchling. Es gebe jedoch auch einen großen Unterschied. „Die Berliner Start-up-Szene ist hauptsächlich von Venture Capital getrieben.“ In Brandenburg hingegen gebe es zahlreiche Förderungen durch öffentliche Institutionen.

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„Das sind allerdings komplexe Förderprogramme“, sagt Zöchling. Deshalb sei es eine wichtige Aufgabe des Accelerator-Programms, die jungen Gründer:innen bei der Antragstellung zu beraten. „Das Potsdamer Ökosystem bietet einzigartige Möglichkeiten”, schwärmt Susanne Zöchling. In der Landeshauptstadt gibt es eine Vielzahl von forschungsnahen Einrichtungen, die sich direkt an Start-ups richten. Damit möchten sie wohl auch verhindern, dass Absolventen direkt nach dem Studium wegziehen und woanders gründen, zum Beispiel in Berlin.

Potsdam lockt Start-ups mit Fördermitteln und Büros

So bietet etwa das Hasso-Plattner-Institut (HPI) einen Seed Fund an, der Gründungsprozesse finanziell unterstützt. Voraussetzung für eine Bewerbung ist, dass mindestens eine Person aus dem Gründungsteam am HPI studiert. Das Institut bietet verschiedene Informatik-Studiengänge und eine angeschlossene Schule für Design Thinking, eine spezielle Methode zur Lösung komplexer Problemstellungen, die vor allem in der Produktentwicklung zum Einsatz kommt.

Naturwissenschaftlich orientierte Start-ups finden am Wissenschaftsstandort Golm Unterstützung. Das Gründungszentrum „GO:IN“ hat sich auf die Entwicklung und Vermarktung wissenschaftlicher Erkenntnisse spezialisiert, etwa aus Biotech oder Life Sciences. Es liegt in der Nachbarschaft zu den naturwissenschaftlichen Fachbereichen und Instituten der Universität Potsdam.

Das Potsdamer Centrum für Technologie (PCT) bietet Büros, Werkstätten und Hallen für junge Unternehmen aus der Dienstleistung und der Technologie. Und Start-ups aus Film, Medien und Kommunikation können im MedienHaus Babelsberg sowie im Guido-Seeber-Haus Räume finden.

Etwas weniger bekannt ist „German Deep Tech“, eine Unternehmer-Holding, die Investitionen in Technologiefirmen mit Immobilienbeteiligungen verbindet. Erdinç Koç sieht in der Verbindung von Hochschule, Gründerszene und etablierten Unternehmen ein Erfolgsmodell. Er wünscht sich, dass mehr Hochschulen in Deutschland dem Potsdamer Beispiel folgen sollten.

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