zum Hauptinhalt
Boom im Südosten. In Königs Wusterhausen entsteht noch viel neuer Wohnraum.
© Kitty Kleist-Heinrich

Tagesspiegel-Umlandserie (6): Wie Königs Wusterhausen von der Nähe zu Berlin profitiert

Mitten im Grünen, viel Bauland, nah an Berlin – Königs Wusterhausen ist eine Musterstadt. Wenn doch bloß der BER schon fertig wäre.

Jörn Perlick hat sich vorbereitet. Auf dem Tisch vor ihm liegen glänzende Broschüren, das Stadtmagazin, zwei Bildbände. „Königs Wusterhausen. Die schönsten Seiten“, steht auf einem. Perlick spricht schnell, nennt laufend Zahlen. Am Laptop braucht er nur wenige Mausklicks, um mit Fakten nachzulegen, wann immer ihm das Bild seiner Stadt nicht ganz stimmig erscheint. Perlick ist Kämmerer und Vize-Bürgermeister von Königs Wusterhausen. Er sitzt in seinem Büro gegenüber des weißen, schlichten Renaissance-Schlosses, dem Wahrzeichen der Stadt, und sagt: „Die Stadt steht gut da“.

Hier, am Schlosspark, fällt dem CDU-Mann das Werben für seine Stadt leicht. „Königs Wusterhausen ist die Stadt im Grünen“, sagt Perlick – und zählt auf: 25 000 Straßenbäume, dazu Parks, die nahen Wälder, zahlreiche Seen inner- und außerhalb der Stadtgrenze. Königs Wusterhausen sei Start- und Zielpunkt für viele Radtouristen. Vom Bahnhof erreichen Radler die ersten Gewässer in weniger als 15 Minuten.

5000 Erwerbstätige pendeln nach Berlin

Doch Touristen sind nicht die Einzigen, die es in die Stadt südöstlich von Berlin zieht: Königs Wusterhausen wächst. Seit dem Jahr 2000 hat die Bevölkerung um 15 Prozent zugenommen. Die größte Stadt im Kreis Dahme-Spreewald hat bald 37 000 Einwohner. Nach KW, wie die Stadt von Bewohnern und vielen Besuchern genannt wird, ziehen jedes Jahr mehr als 200 Menschen. „Darunter sind vor allem viele junge Familien“, sagt Perlick. Seit ein paar Jahren sind die Kirchen und Kneipen wieder voller.

Vize-Bürgermeister Perlick weiß, dass die Nähe zu Berlin dafür maßgeblich ist. Von den 14 000 Erwerbstätigen pendeln rund 5000 wochentags nach Berlin. „Die gute Anbindung ist ein Riesenplus“, sagt Perlick. Tatsächlich sind es vom Bahnhof Friedrichstraße bis Königs Wusterhausen mit dem Regionalzug nur 31 Minuten. Mit der S-Bahn brauchen Pendler 54 Minuten, müssen allerdings umsteigen.

Preise für Bauland stiegen zuletzt stark an

Junge Familien schätzen bislang die im Vergleich zu Berlin niedrigeren Grundstückspreise. Noch, denn der Boom der Hauptstadt erhöht den Druck auf das Umland: In einigen Vierteln KWs stiegen die Preise für Bauland 2016 um bis zu 20 Prozent. Die Kaufpreise für Ein- und Zweifamilienhäuser erhöhten sich in den vergangenen fünf Jahren um 35 Prozent. „Die Nachfrage nach Wohnraum und Baugrund ist natürlich auch ein Kompliment an die Stadt“, sagt Perlick. Und es gebe noch viel Baugrund – anders als in mancher Umlandgemeinde. Verschiedene Areale würden erst jetzt entwickelt, etwa der Funkerberg, ein altes Gelände von Post und Telekom, wo derzeit 250 Wohnungen geplant sind.

Eine Stadt voller Standortvorteile? Perlick kann nicht mehr aufhören, die Vorzüge KWs aufzuzählen. In den 22 Kitas der Stadt werden 2700 Kinder betreut, neun der Einrichtungen werden von der Stadt selbst betrieben. „Für die Größe unserer Stadt ist das eine gute Zahl“, sagt Perlick. „Wir werden da allerdings auch getrieben, durch den großen Zuzug von Familien.“ Zur sozialen Infrastruktur, die der Christdemokrat so sehr lobt, gehören auch drei Altenheime und das Krankenhaus. Mit mehr als 600 Angestellten ist die Klinik größter Arbeitgeber der Stadt.

Zwischen Kultur und Kohle

Was die Stadtverwaltung im Juni im Atem hielt: die Organisation des Schlossfestes am 8. Juli, zu dem 20 000 Besucher erwartet werden. „Da ist die ganze Stadt auf den Beinen“, sagt Perlick. Gerade erst fand in der Kreuzkirche der Auftakt der 27. Saison der Brandenburgischen Sommerkonzerte statt. In den Sälen des Schlosses und im kleineren Kavalierhaus folgen im September und Oktober die Schlosskonzerte von Königs Wusterhausen – ein Festival aus vier Veranstaltungen. Und: „Ein Leuchtturm für Kunst und Kultur der Stadt“, sagt Perlick. „Für die ganz große Kultur muss man vielleicht ins nahe Berlin, aber ein paar Ausrufezeichen können wir setzen.“

Im Renaissance-Schloss samt Parkfühlte sich Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wohler als in seiner Berliner Residenz.
Im Renaissance-Schloss samt Parkfühlte sich Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. wohler als in seiner Berliner Residenz.
© Kitty Kleist-Heinrich

Den Binnenhafen, immerhin Brandenburgs größter, erwartet dagegen eine schwierigere Zukunft: Bis Mai 2017 brachten täglich vier Schubverbände insgesamt 5000 Tonnen Braunkohle in die Hauptstadt. Seitdem macht der Braunkohleausstieg Berlins dem Hafen zu schaffen. Zwölf von 35 Mitarbeitern des Hafens haben ihren Job verloren, denn 70 Prozent des Umschlags hingen an der Kohle. Bei diesen Zahlen atmet auch Kämmerer Perlick einmal durch. 15 Unternehmen arbeiten derzeit auf dem Hafengelände. Perlick würde sich mehr Gewerbe und Industrie im Hafen wünschen, aber auch eine Marina, wo hochwertige Boote gebaut und von Besuchern besichtigt würden, könnte dort, im Norden der Stadt, entstehen.

Industriearchitektur von Brandenburgs größtem Binnenhafen in Königs Wusterhausen.
Industriearchitektur von Brandenburgs größtem Binnenhafen in Königs Wusterhausen.
© Kitty Kleist-Heinrich

Der Glaube an den Hauptstadtflughafen BER

Weniger Freude dürfte Perlick auch der BER bereiten. Die Stadt versuchte sich auf der Internationalen Luftfahrtausstellung 2016 zusammen mit dem nahen Wildau und Schönefeld als „Airport Region BER“ zu vermarkten. Über Prognosen der Eröffnung des Hauptstadtflughafens fallen nur wenige Worte, offenbar ist Perlick skeptisch: „Die Stadt wird vom Flughafen profitieren und sich dadurch nur weiterentwickeln.“ Rund 15 Minuten zum Terminal, nur ein paar Stationen mit der S-Bahn. „Wir gehen fest davon aus, dass sich neues Gewerbe in der Stadt ansiedeln wird“, sagt Perlick. Und auch die Flughafen-Beschäftigten könnten sich in Königs Wusterhausen niederlassen. „Dazu werden wir vom Fluglärm wohl nicht allzu stark betroffen sein“, sagt Perlick. Aber das ist nun wirklich noch Zukunftsmusik.

Berlin wächst über sich hinaus – und mit dem Umland zusammen. In unserer Serie stellen wir acht Orte und Regionen vor, die von der wachsenden Metropole profitieren. Welche Chancen eröffnen sich, und welche Herausforderungen stellen sich? Wer bietet mehr: neue Wohnungen, Kitas und Schulen, Lebensqualität, kurze Wege nach Berlin. Unsere Reise führt einmal rund um die Hauptstadt. Die letzten Folgen: Neuenhagen, Potsdam und  Bernau bei Berlin.

Zur Startseite