Ex-Regierende Bürgermeister von Berlin: Wie geht's eigentlich Klaus Wowereit?
Klaus Wowereit hat sich in seine neue Rolle eingefunden und ist beliebt wie lange nicht. Nur ein Thema stört.
Der Star hat es an diesem Abend schwer, ist nur Vorprogramm für einen, der die Bühne eigentlich längst verlassen hat. Iris Berben, Schauspielerin und Präsidentin der deutschen Filmakademie, aber ist darauf eingestellt, nur schmückendes Beiwerk zu sein. Sie webt dafür dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit eine charmante Vorrede und würdigt seinen früheren Einsatz für den Filmstandort. Der macht, gebräunt, das graue Haar zurückgekämmt und lässig- elegant gekleidet, sich für eben diesen Standort stark.
Dabei ist Wowereit durchaus bewusst, dass ohne seinen Einsatz an diesem sonnigen Frühabend die Besucherzahl verhaltener ausgefallen wäre. Bei der Veranstaltung des Vereins Berliner Kaufleute und Industrielle (VBKI) im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz verweist Wowereit auf die wirtschaftliche Bedeutung der Branche für die Region mit 1800 Unternehmen und 900 Millionen Euro Umsatz. Angesichts internationaler Konkurrenz und massiver Förderung anderer europäischer Länder wie England oder Italien brauche die Branche mehr Bundesförderung. Auch das Medienboard Berlin-Brandenburg müsse mit mehr als jetzt jährlich 25 Millionen Euro ausgestattet werden, sagt das gut gelaunte VBKI-Präsidiumsmitglied Wowereit. „Ich kann ja jetzt alles fordern“, fügt er selbstironisch hinzu. „Aber da kann man auch mehr tun, weil es Berlin wieder besser geht“ – was wohl als Hinweis an seinen Nachfolger Michael Müller zu verstehen ist.
Kritische Anmerkungen nicht zu entlocken
Die Film- und Fernsehproduktion in der Region sei ein „enormer Wirtschaftsmotor“, betonte auch Medienboard-Chefin Kirsten Niehuus, die mit Carl Woebcken, Vorstandschef von Studio Babelsberg, und dem X-Filme-Produzent Stefan Arndt diskutieren. Wowereit versucht sich zuweilen mit provozierenden Fragen mit seinem noch aus Amtszeiten bekannten ironischen Unterton, doch manches Zwiegespräch ignoriert einfach den anwesenden Moderator. Macht nichts, in der Sache ist sich die Runde eh einig.
Der Auftritt für den VBKI ist einer der nicht sehr zahlreichen öffentlichen Termine des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters. Nach seinem Rücktritt im Dezember 2014 hatte es etliche Spekulationen über eine Beschäftigung in der Wirtschaft gegeben. Er selbst witzelte damals in seiner saloppen Art, er „habe noch die Hoffnung, dass Gazprom anruft“. Anfänglich, so war bei Begegnungen zu spüren, fiel es ihm durchaus schwer, sich in der neuen Rolle eines Privatiers zu finden. „Nur Freizeit haben, ist auch nicht gut“, ließ er da mal verlauten. Seitdem aber hat der 62-Jährige in dem kleiner gewordenen Kosmos zwischen seiner Privatwohnung in Charlottenburg, dem geliebten Golfplatz und den gesellschaftlichen Auftritten eingerichtet. Wer ihn trifft, erlebt einen entspannten Ex-Regierenden, der erkennbar Spaß am Leben hat, zur Begrüßung einen flotten Spruch loslässt und immer noch den verbalen Schlagabtausch liebt und über die eigenen Witze auf seine ganz eigene glucksende Art lachen kann.
Kritische Anmerkungen zu seinem Nachfolger sind Wowereit nicht zu entlocken; auf SPD-Parteitagen ist ihm freundlicher Applaus sicher. Ansonsten fällt das einfache Parteimitglied in seiner SPD nicht mit Initiativen auf. Auch von seinem ehrenamtlichen Engagement in der Expertenkommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist wenig bemerkbar.
Zu hören im "Spreeradio"
Der Öffentlichkeit kann den ehemaligen „Regierenden“ vor allem über das „Spreeradio“ zur Kenntnis nehmen. Jeden Mittwoch um 6.40 Uhr und 8.40 Uhr unterhält der Ex-Regierende vornehmlich die Berliner Frühaufsteher mit seinen Einschätzungen zur Lage. Eine vom exklusiven Capitol-Club angekündigte regelmäßige Talk-Reihe mit Wowereit als Moderator erschöpfte sich in einer einzigen Veranstaltung mit dem Modemacher Guido Kretschmer und der Schauspielerin Anna Loos. Weitere Veranstaltungen seien derzeit nicht geplant, heißt es beim Capitol-Club auf Anfrage.
Nur beim Verein Berliner Kaufleute und Industrieller ließ er sich als Präsidiumsmitglied in die Pflicht nehmen. Sein Wirken bei der 1879 gegründeten Institution als Impulsgeber für die Kulturmetropole und die Smart City sowie als Botschafter für die Wirtschaft, wie der VBKI groß ankündigte, ist bisher aber überschaubar geblieben.
Wowereit scheint mit seinem Leben als Privatier im Reinen zu sein. Häufig trifft man ihn als einfachen Gast bei kulturellen Veranstaltungen, seinen Lebenspartner Jörg Kubicki, der zu Jahresbeginn bei einem Autounfall schwer verletzt wurde, immer an seiner Seite. An Einladungen aus der Berliner Gesellschaft mangelt es nicht. Da wirkt auch nach, das Wowereit als nebenamtlicher Kultursenator enge Verbindungen in die Szene geknüpft hat.
Der Popularität von Wowereit taten die eher zurückgenommenen öffentlichen Auftritte keinen Abbruch. Im Gegenteil, wie gerade erst vor acht Tagen beim traditionellen Hoffest im Roten Rathaus zu erfahren war. In Abwesenheit des aktuellen Hausherren Michael Müller, der wegen einer Ministerpräsidentenrunde bei der Kanzlerin nur zeitweise anwesend sein konnte, hielt der Ex-Regierende Hof mit lässiger Nahbarkeit. Angesichts seiner jovialen Gesprächsbereitschaft ließ ein entspannter Wowereit bei den anwesenden Mitgliedern der Berliner Gesellschaft und Geschäftswelt die Augen leuchten: Schlagfertig, witzig und immer zur kleinen Plauderei bereit – der kann’s noch!
Partymeister war er nie
Dass Wowereits Popularitätswerte Ende 2014 wegen des BER-Debakels im Keller waren, ist längst vergessen. Auch die Ergebnisse des BER-Untersuchungsausschusses, in dessen Verlauf ihm erhebliche Versäume und Fehler angelastet wurden, kann der Sympathiewelle für den früheren Senatschef nichts anhaben. Es scheint, als würde die streng nüchterne Art seines Nachfolgers, der oft den Eindruck einer gewissen Verkniffenheit hinterlässt, plötzlich die Zeiten des zeitweilig als „Partymeister“ geschmähten Wowereit verklären.
Obwohl: Partymeister war er nie, sondern immer ein extrem aktenfleißiger Regierender, der seine Senatsmitglieder nicht selten mit seiner profunden Zahlenkenntnis malträtierte. Richtig ist aber ebenso, dass Wowereit in seinen 13 Regierungsjahren mit seiner weltoffenen, toleranten und kommunikativen Art Berlin zu einer Marke auf der weltweiten Metropolenkarte gemacht hat und zugleich für einen Mentalitätswandel und Aufbruch hin zu einer selbstbewussten dynamischen Stadtbürgerschaft steht.
Eigentlich ist auch die Babylon-Veranstaltung eine Wowi-Würdigung der ungewöhnlichen Art. Immer wieder wird Wowereits Engagement für die Filmwirtschaft in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister gelobt. Aber nur Fragen zu stellen, statt Antworten zu geben, das scheint doch nicht so recht das Metier des Ex-Regierenden zu sein. Dabei hatte er nach seinem Rücktritt gewitzelt, „vielleicht werde ich ja noch Moderator“. Am stärksten ist Wowereit an diesem Abend jedenfalls beim Resümee der Debatte. Da verbreitet sich das Gefühl, dass Wowereit jetzt wirklich ein Thema gefunden hat, für das er sich engagieren möchte. Ganz furchtbar daneben geht nur der flapsige Hinweis von Medienboard-Chefin Niehuus, der BER eigne sich hervorragend als Filmstudio, falls er nicht fertig werde. Da senkt Wowereit schnell den Kopf und schaut auf den Boden.