BER-Untersuchungsausschuss: Viele Ursachen, wenig Klarheit
70 Zeugen, 1600 Aktenordner und tausende E-Mails. Die Lehren aus dem BER-Untersuchungsausschuss.
Hinterher ist man immer klüger. Das gilt nicht nur für Regierungen, die ein wichtiges Projekt in den Sand gesetzt haben, sondern auch für die Mitglieder eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses. In diesen Tagen, drei Monate vor der Berliner Wahl, beenden neun Abgeordnete ihren Versuch, das Mysterium eines nicht eröffnungsfähigen Hauptstadtflughafens zu ergründen. Bei der Ursachenforschung sind sie sich erwartungsgemäß nicht einig geworden, und die spannende Frage ist: Wer will den mehrere hundert Seiten starken Abschlussbericht überhaupt noch lesen?
Die meisten Bürger werden mit den Schultern zucken
Es weiß schließlich jeder, dass am BER so ziemlich alles schiefgelaufen ist, was schieflaufen konnte – und dass das Elend noch längst kein Ende hat. Und jeder zeigt mit dem Finger auf den ehemaligen Regierenden Bürgermeister und Aufsichtsratchef Klaus Wowereit, dessen politischer Absturz mit dem Flughafendesaster eng verknüpft war. Um das zu wissen, musste niemand 70 Zeugen hören, 1600 Aktenordner und tausende E-Mails lesen. Zumal am Ende der Veranstaltung wieder Verwirrung herrscht. Grüne und Piraten werfen den Regierungsfraktionen vor, die unbequeme Wahrheit auch mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen teilweise verschleiern zu wollen. SPD und CDU halten gegen.
Die meisten Bürger werden mit den Schultern zucken und sagen, dass sie derzeit ganz andere Sorgen haben, um die sich die Politik kümmern sollte. Trotzdem hat das zeit- und kraftaufwendige Instrument der Untersuchungsausschüsse einen Sinn. Es ist die schärfste Waffe der parlamentarischen Opposition, ein Minderheitenrecht, das in der Berliner Verfassung verankert und in einem Landesgesetz minutiös geregelt ist. Ein solches Gremium hat Rechte wie ansonsten nur ein ordentliches Gericht. Wer dies zu nutzen weiß, kann Ursachen und Verantwortlichkeiten im Detail erkunden.
Die Regierungsparteien versuchen sich aus der Verantwortung zu stehlen
Und, das ist das Wichtigste: Aus den Erkenntnissen eines Untersuchungsausschusses lassen sich Lehren für die Zukunft ziehen. Wie plant man Großprojekte, wie geht man mit öffentlichen Geldern um, ohne Skandale zu provozieren? Für jeden Politiker, aber auch für die Steuern zahlende Bevölkerung, die von der Politik eine ordentliche öffentliche Infrastruktur und Daseinsvorsorge verlangt, sind das existenziell wichtige Fragen, die plausibler Antworten bedürfen. Das Problem ist, dass die Regierungsparteien, auch beim BER-Ausschuss, stets versuchen, die Untersuchungsergebnisse zu verwässern und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Das Untersuchungsrecht des Parlaments sollte deshalb im Sinne der Opposition verschärft werden. Und es wäre klug, die Berichte so zu verfassen, dass man sie lesen und verstehen kann.