Berliner Studis in finanzieller Not: Wenn Profs für ihre Studierenden spenden
Viele Studierende haben in der Coronakrise ihre Jobs verloren. An den Unis zeigen Lehrende Solidarität – und spenden aus eigener Tasche.
Messejobs, Kellnern, Arbeit an Kinokassen und Theatergarderoben - das sind normalerweise Tätigkeiten, mit denen sich viele Berliner Studierende ihren Lebensunterhalt verdienen. Normalerweise. Wenn nicht gerade Coronakrise ist.
Für viele bedeutet die aktuelle Wirtschaftslage akute Not. Zum Glück gibt es engagierte Uni-Angehörige und Privatpersonen, die den jungen Berlinern jetzt unter die Arme greifen wollen – auch mit Zuschüssen aus eigener Tasche.
„Die Belastungen in diesem Semester sind überproportional“, sagt die Geschichtsstudentin Juliane Ziegler, die sich an der Humboldt-Universität Berlin als Referentin für Lehre und Studium beim Referentinnen-Rat (RefRat) engagiert.
Ziegler rechnet fest damit, dass es wegen finanzieller Probleme und wegen hoher Anforderungen an die Studierenden im digitalen Semester demnächst zu deutlich mehr Studienabbrüchen kommt.
Bei einer Anfang Mai abgeschlossenen Umfrage des RefRat unter 4215 Studierenden gaben mehr als 30 Prozent an, dass sie durch die Coronakrise keine oder weniger Arbeit als sonst haben. Elf Prozent kreuzten zudem an, dass sie dadurch stark oder sehr stark in finanzielle Nöte geraten. Eine repräsentative Umfrage des Personaldienstleisters Zenjob von Mitte Mai geht sogar von einem Jobverlust bei 40 Prozent der Studierenden aus.
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Der erste Notfonds war schnell aufgebraucht
Auch Reinhard Bernbeck, Professor am Institut für Vorderasiatische Archäologie an der Freien Universität Berlin beobachtet, dass einige seiner Studierenden sonst in Kultureinrichtungen arbeiten oder Führungen durch Ausstellungen anbieten. Diese Einkommensquellen sind weggebrochen.
Die Soforthilfe des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von 100 Millionen Euro, die über die Studierendenwerke verteilt werden sollen, können aus logistischen Gründen vermutlich erst in der zweiten Junihälfte beantragt werden.
Der Notfonds des Studierendenwerks ist im April von der Senatskanzlei – Wissenschaft und Forschung auf 570.000 Euro aufgestockt worden. Studierende, die in eine akute, finanzielle Notlage geraten sind und dies über ihren Kontostand belegen, können einmalig 500 Euro aus dem Fonds beantragen. Die bei einer ersten Runde verfügbaren 120.000 Euro waren schnell aufgebraucht.
Profs wollen für Studierende spenden
Hilfe müsse schnell kommen, sagt Bernbeck. Auf seine Initiative hin und die weiterer Professoren riefen die drei professoralen Listen des Akademischen Senats Ende April gemeinsam zu einer Spendenaktion auf.
Über den sogenannten SoliFUnd können gutverdienende Professorinnen und Freunde der Uni Studierende in finanziellen Notlagen unterstützen. Der Hilfsfonds wird vom Studierendenwerk Berlin verwaltet, Studierende der FU können aus dem Topf einmalig bis zu 500 Euro beantragen, um ihre finanzielle Not abzumildern. Bei der Aktion sind bis Ende Mai mehr als 116.000 Euro zusammengekommen, der Großteil ist bereits an Studierende verteilt worden.
Auch die Technische Universität hat in der Coronakrise eine Spendenaktion ins Leben gerufen, diese verfolgt jedoch einen anderen Ansatz als der „SoliFUnd“. Anstelle eines Fonds mit Soforthilfen fließen die Spenden in das Deutschlandstipendium, das sich zur Hälfte aus Spenden und zur Hälfte aus Mitteln des BMBF finanziert.
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Ab Beginn des Wintersemesters sollen möglichst viele engagierte Studierende für mindestens ein Jahr mit monatlich 300 Euro unterstützt werden. Eine der Intentionen der Kampagne „TU hilft“ ist, dass sich Lehrende und Universitätsmitglieder gegenüber Studierenden solidarisch zeigen, so Stefanie Terp, Pressesprecherin der TU.
Bis jetzt sind 44.000 Euro an Spenden zusammengekommen, nach der Verdopplung mit BMBF-Geldern stehen fürs Wintersemester Stipendien im Umfang von 88.000 Euro zur Verfügung.
Viele Studierende sind schlecht ausgestattet fürs Online-Semester
Beim Freundeskreis der Universität der Künste, der Karl Hofer Gesellschaft, sind bis jetzt 36 .500 Euro an Spenden eingegangen. „Neben den klassischen Studierendenjobs sind gerade auch die fachnahen Verdienstmöglichkeiten im kulturellen Bereich weggefallen“, sagt Claudia Assmann, Pressesprecherin der UdK.
Unterstützer können bei der Überweisung als Verwendungszweck eine der sieben Fakultäten angeben - und damit festlegen, ob die Spende eher Studierenden der Musik, der Bildenden Kunst oder einer der anderen kreativen Disziplinen zugute kommen soll.
Innerhalb der Fakultäten entscheidet ein Gremium über die Verteilung der Gelder an Studierende, die gegenüber diesem glaubhaft machen müssen, dass sie sich in einer finanziellen Notlage befinden.
Wichtig im Zusammenhang mit der digitalen Lehre ist vor allem der „Fonds Teilhabe am Online-Campus“, kurz Technikfonds, der beim Studierendenwerk Berlin angesiedelt ist. Viele Studierende seien nicht für die digitale Lehre ausgestattet, ihnen fehlten ein Endgerät mit Kamera oder Mikrofon für die Teilnahme an Videokonferenzen, sagt Jana Judisch, Sprecherin des Studierendenwerks.
„Wir haben zusammen mit dem Studierendenwerk diesen bundesweit einzigartigen Technikfonds eingerichtet, weil nicht alle Studierenden über eine ausreichende technische Ausrüstung für das digitale Semester verfügen.
Das Land hat insgesamt 100.000 Euro beigesteuert, auch die Berliner Sparkasse war sofort mit einer Spende von 25.000 Euro dabei“, so Steffen Krach, Staatssekretär für Wissenschaft und Forschung. Darüber hinaus haben weitere Unternehmen und Personen Spenden im Umfang von 26.000 Euro zugesagt oder bereits beigesteuert.
Allerdings gilt auch für den Fonds inzwischen ein Antragsstopp, weil absehbar ist, dass das vorhandene Geld nicht einmal für die bereits gestellten Anträge der Studierenden dieser Stadt reicht.
Jana Judisch hofft auf weitere Spenden von Engagierten, damit sich möglichst viele Studierende Zubehör für die erfolgreiche Teilnahme am digitalen Semester anschaffen können.