Berliner Hochschulen in der Pandemie: Digitale Lehre läuft, vieles andere nicht
Gemischte Zwischenbilanz des Berliner Corona-Semesters im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. TU-Chef Thomsen: Kein Zurück zur Vor-Corona-Zeit.
Uni bleibt anders, jedenfalls wenn es nach Christian Thomsen geht, dem Präsidenten der TU Berlin. „Wir wollen nicht zurück in den vollen Betrieb, wie er vor der Coronakrise herrschte“, sagte Thomsen am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses.
In der digitalen Lehre hätten Dozierende und Studierende positive Erfahrungen gemacht, vor allem mit aufgezeichneten Vorlesungen, die nicht mehr zu festen Zeiten im Hörsaal, sondern jederzeit online abgerufen werden können. Sie sollten auch in den kommenden Semestern weiterhin digital angeboten werden.
In der Verwaltung will Thomsen, aktuell auch Vorsitzender der Landeskonferenz der Rektoren und Präsidenten der Berliner Hochschulen, einen Mix aus Homeoffice und Büro beibehalten. Das steigere auch die Attraktivität der Unis als Arbeitgeberinnen, sagte Thomsen in einer Anhörung zur Lage der Wissenschaft in der Coronakrise.
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Zum Digitalsemester zog er eine positive Zwischenbilanz. Seit dem 20. April seien an der TU knapp 8000 Videos in 800 Lehrveranstaltungen ins Netz gestellt worden, auf die es 800.000 Zugriffe durch rund 20.000 unterschiedliche Nutzer gab.
Kaum beurteilen lasse sich, wie effektiv die digitale Lehre sei. Die Berlin University Alliance habe dazu aber eine Studie in Auftrag gegeben. Zurück zu den vielen Dienstreisen will Thomsen schon gar nicht. Die TU werde in jeder Fakultät Räume für professionelle Videokonferenzen einrichten.
GEW fordert Büroausstattung fürs Homeoffice
Der Wechsel vom Shutdown zum „eingeschränkten Präsenzbetrieb“ bedeutet auch, dass Forschung und Verwaltung wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Thomsen sieht Reibungsverluste, wenn Forschende erwarten, dass ihre Projekte sofort abgerechnet werden. Doch die Verwaltung arbeite „bestenfalls mit halber Kraft“, nicht nur wegen des Rückstaus an Aufträgen.
So wird die Chance des Zu-Hause-Arbeitens offenbar zum Problem. Woran das liegt, erklärte Marina Regulin von GEW Berlin. Die meisten müssten im Homeoffice mit ihren eigenen Geräten zurechtkommen, die nicht auf dem neuesten Stand seien. Regulin forderte eine Pauschalzahlung für Mitarbeiter in allen Bereichen, die auch künftig mobil arbeiten: „Da muss eine Büroausstattung hin.“
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Die GEW-Vertreterin warf auch Fragen zur Zukunft der wissenschaftlichen Mitarbeiter auf. Zwar werden bei jenen, die bei den Unis angestellt sind – anders als bei den Drittmittelbeschäftigten –, die Verträge Corona-bedingt um ein halbes Jahr verlängert, etwa um ausgefallene Labor- und Bibliothekszeiten auszugleichen.
Unklar sei aber, wie der Mehraufwand in der digitalen Lehre geregelt werden solle. Die Lehrkapazität könne nicht jetzt für die kommenden Semester verbraucht und später abgebummelt werden, sagte Regulin. Vielmehr müsse zusätzliche Lehre, die auch anfällt, wenn Seminargruppen im Präsenzbetrieb ab dem Herbst geteilt werden, personell abgesichert werden.
Asten kritisieren Tests, um Teilnahme zu erzwingen
Bei aller Begeisterung, wie gut das Digitalsemester generell läuft: Studierende wünschten sich doch den Normalbetrieb zurück, gab Gabriel Tietje für die Landesastenkonferenz zu bedenken – etwa wegen überlasteter Server und Netze, die die Teilnahme erschweren, oder rechtswidrig eingeführter zusätzlicher Tests, um eine aktive Teilnahme zu erzwingen.
Auch Leonie Baumann, Rektorin der Kunsthochschule Weißensee, hofft auf eine baldige Rückkehr zur Präsenzlehre zumindest für die Praxisformate, die nun einmal die Basis der Lehre an Kunst- und Musikhochschulen bilden. Eine Alternative für Präsenz-Eigungsprüfungen sei ebenfalls noch nicht gefunden. Generell stellen Prüfungen die Hochschulen vor große Probleme.
„Es ist unklar, wie wir Prüfungen im Verlauf des Semesters sicherstellen können“, sagte Werner Ullmann, Präsident der Beuth-Hochschule. „Wir haben zurzeit noch keine rechtssichere Möglichkeit, Prüfungen online abzuhalten“, klagte Christian Thomsen.
Charité-Prodekan Christian Hagemeier berichtete von der Herausforderung, den patientennahen Unterricht unter Hygiene- und Abstandsregeln aufrechtzuerhalten. Dafür brauche man derzeit zehnmal so viele Lehrende. „Wir wollen aber dem Gesundheitssystem nicht eine ganze Kohorte entziehen und setzen alles Mögliche in Bewegung, um die Studierenden zum Ende des Semesters und ihres Studiums zu führen.“