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Der Sanierungsbedarf ist unterschiedlich hoch.
© dpa, Tsp

Fünf Milliarden Euro Sanierungsbedarf: Was kann Berlin gegen die maroden Schulen tun?

Die Berliner Bezirke beziffern den Bedarf für die Sanierung der Schulgebäude auf fünf Milliarden Euro. Warum kostet das so viel? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Rund fünf Milliarden Euro – so viel kostet die Sanierung und Modernisierung der Berliner Schulen. Das hat der Gebäudescan ergeben, der in allen Bezirken nach einheitlichen Kriterien durchgeführt wurde. Am Donnerstag veröffentlichte die Senatsbildungsverwaltung die noch unbereinigten Zahlen und gab ein Ziel aus: In den nächsten zehn Jahren soll der Sanierungsstau aufgelöst werden. Bis dahin sollen die schlimmsten Schäden behoben sein. Rund 1,5 Milliarden Euro sind allein dafür nötig.

Warum wurde der Gebäudescan überhaupt durchgeführt?
Dass die Berliner Schulen marode sind, das wusste man seit vielen Jahren. Nicht aber, wie kaputt sie sind und was es kosten würde, sie instandzusetzen. Lange schätzte man den Sanierungsbedarf auf rund eine Milliarde Euro. Im Oktober 2014 fragte die Senatsbildungsverwaltung bei den Bezirken ab, wie hoch ihr Bedarf war. Anlass war eine parlamentarische Anfrage des Piratenpolitikers Martin Delius. Das Ergebnis: rund zwei Milliarden Euro.

Allerdings waren die Zahlen der Bezirke so unterschiedlich, dass bald klar war, dass die Daten wenig verlässlich waren. Bei der Erfassung der Schäden waren die Bezirke ganz unterschiedlich vorgegangen. Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) kündigte daraufhin eine einheitliche Bestandsaufnahme an. Im August 2015 wurde der Gebäudescan begonnen, die Bezirke hatten bis zum 30. Juni diesen Jahres Zeit, ihre Ergebnisse zu liefern. Die Abgabefrist wurde auf Wunsch der Bezirke mehrmals verschoben. Dass es auf über vier Milliarden Euro hinauslaufen könnte, stand schon lange fest.

uchtigkeitsschäden und herabgefallene Deckenplatten verunstalten den Chemieraum im Fichtenberg-Gymnasium in Berlin-Steglitz.
uchtigkeitsschäden und herabgefallene Deckenplatten verunstalten den Chemieraum im Fichtenberg-Gymnasium in Berlin-Steglitz.
© Thilo Rückeis

Was wurde im Gebäudescan erfasst?

Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bezirken und Senatsbildungsverwaltung hat sich auf Kriterien geeinigt, nach denen der Bedarf erfasst wurde. Bauwerk, Technik, Fachräume, Sanitäranlagen und Anlagen für die Ganztagsschule wurden überprüft, ebenso Sport- und Außenflächen. Für den Sanierungsbedarf wurden dann Prioritäten angegeben. Priorität 1 bedeutet kurzfristiger Handlungsbedarf, Priorität 2 heißt Handlungsbedarf in den nächsten drei Jahren, Priorität 3 Bedarf in den nächsten zehn Jahren und Priorität 4 bedeutet „wünschenswert“. Die meisten Schäden mit der höchsten Priorität betreffen Fenster, Fassaden, Dächer und Sporthallen.

Sind die Zahlen belastbar?

Bedingt. Nach Angaben von Staatssekretär Rackles gibt es trotz der einheitlichen Kriterien Abweichungen. So haben manche Bezirke, unter anderem Marzahn-Hellersdorf und Tempelhof-Schöneberg, auch Maßnahmen erfasst, die bereits finanziert sind. Zum Teil wurden Privatschulen, Jugendkunstschulen und nicht-schulische Projekte gemeldet. Einige Bezirke haben die Heizungsanlagen nicht mitaufgeführt, obwohl diese Bestandteil des Scans sein sollten. Rackles schätzt, dass bei genauer Überprüfung die Kosten zunächst um etwa ein Viertel sinken könnten.

Andererseits kämen für Honorare für Architekten und Bauplaner etwa 20 Prozent an Kosten dazu. Die fünf Milliarden Euro seien im Endeffekt durchaus realistisch, sagte Rackles. Eine bereinigte Aufstellung soll es im September dieses Jahres geben. Schwierig wird die Bereinigung auch deshalb, weil die Datenmengen nicht mit einer einheitlichen Software erfasst wurden. Die Finanzverwaltung wir die Stimmigkeit mit Stichproben überprüfen. Sie hatte im Vorfeld intern Bedenken gegen die Verfahrensweise beim Gebäudescan angemeldet.

Was sind die teuersten Schulen?

Zu den größten Brocken zählt das John-F.-Kennedy-Gymnasium in Zehlendorf, das aus Grund- und Oberschule besteht. Der 70er-Jahre-Bau ist auf viele Gebäude verteilt und hat die Ausmaße eines kleinen Dorfes. Die Sanierung soll 30 Millionen Euro kosten. Dies gilt auch für die Gemeinschaftsschule Friedenau, einen maroden Altbau.

Woher kommen die Unterschiede in den Bezirken?

Tempelhof-Schöneberg hat den höchsten Sanierungsbedarf ermittelt. Allerdings sind darin auch Vorhaben mitgezählt, für die bereits Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Ebenfalls überdurchschnittlich hoch ist der Bedarf in Steglitz-Zehlendorf, Neukölln, Pankow und Reinickendorf. Zum einen sind dies die Bezirke mit den höchsten Schülerzahlen. Als Grund werden, besonders in Tempelhof-Schöneberg, Steglitz-Zehlendorf und Pankow, auch die vielen Altbauten genannt, die zudem noch den Denkmalschutz auf den Plan rufen.

Der Sanierungsstau ist schon lange sichtbar, weshalb der Bezirksselternausschuss in Steglitz-Zehlendorf bereits seit 2008 einen „Adventskalender“ der maroden Schulen herausgibt. Rackles erinnerte jetzt daran, dass der Bezirk seit 1971 ununterbrochen CDU-geführt ist. Zumindest in den letzten Jahren habe der Bezirk weniger Geld ausgegeben als veranschlagt war.

Warum ist der Sanierungsstau so groß geworden?
Der Hauptgrund, das betonen die Bau- und Schulstadträte, ist, dass über die Jahre zu wenig Geld für den baulichen Unterhalt zur Verfügung gestellt wurde. Ein Prozent des Gebäudewerts bekommen die Bezirke dafür, sagt Marzahn-Hellersdorfs Bürgermeister Stefan Komoß (SPD). Nötig seien aber mindestens 1,3 Prozent. Auf Berlin umgerechnet wären dies rund 100 Millionen Euro mehr pro Jahr.

Wie geht es jetzt weiter?

Nach Angaben von Staatssekretär Mark Rackles ist jetzt klar, wieviel Geld benötigt wird, nämlich 120 bis 150 Millionen Euro pro Jahr allein dafür, den Stau bei den Schäden der Priorität 1 in den nächsten zehn Jahren aufzulösen. In welcher Weise dieses Geld zur Verfügung gestellt wird, das sei Gegenstand der nächsten Haushaltsberatungen und Aufgabe der dann gewählten Abgeordneten.

Denkbar sei etwa eine Verdoppelung der Mittel des bestehenden Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms, das bisher bei 70 Millionen Euro pro Jahr liegt. Die einheitliche Erfassung des Sanierungsbedarfs soll weitergehen und jährlich fortgeschrieben werden. Die dafür erforderliche IT-Ausstattung soll den Bezirken 2017 zur Verfügung stehen.

Zur besseren Ansicht klicken Sie bitte auf das rote Kreuz.
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© Pieper-Meyer

Welche Lösungsvorschläge gibt es?

Die Grünen wollen, dass die Bezirke die Zuständigkeit für die Bauunterhaltung behalten. Allerdings soll die Abwicklung aus den bezirklichen Hochbauämtern herausgenommen und auf drei regionale Schulbaugesellschaften übertragen werden. „Damit bliebe die räumliche Nähe erhalten und es entstünde kein großer Monopolbetrieb“, erläutert Haushalts- und Bildungspolitikerin Stefanie Remlinger ihren Vorschlag.

Je nach geographischer Lage der jeweiligen Gesellschaft könnte sie dann verschiedene Schwerpunkte setzen; für die Bezirke mit großem Zuzug wären das eher der Neubau oder die Altbausanierung. Die CDU möchte hingegen, dass alle Bezirke direkt zuständig bleiben, allerdings erwägt sie die Aufsplittung der Hochbauämter. Es soll dann ein Schulbauamt geben und eines für die übrigen Gebäude.

Wie machen es andere Städte?

Berlin ist nicht das einzige Bundesland mit maroden Schulen. Großstädte wie München und Hamburg stehen vor ähnlichen Problemen – oder besser: standen. Denn dort wurde bereits im großem Maßstab mit der Sanierung angefangen. In München beispielsweise sind bis 2030 bis zu neun Milliarden Euro für den Schulbau eingeplant. Schon 2015 wurden alle Schultoiletten saniert. Eine ressortübergreifende Taskforce der Stadtverwaltung hat alle Schulstandorte unter die Lupe genommen und den Bedarf analysiert.

Hamburg hatte vor wenigen Jahren einen Sanierungsstau an den Schulen von rund zwei Milliarden Euro. 2010 wurde der Landesbetrieb Schulbau gegründet, der sich seitdem zentral um die Schulgebäude kümmert und die Sanierungsmaßnahmen koordiniert. Die Schulen sind Mieter und können die Miete kürzen, wenn das Gebäude nicht instand gehalten wird. Ein solches Modell mit überregionaler Schulbaubehörde würde für Berlin allerdings auf eine Entmachtung der Bezirke hinauslaufen.

Staatssekretär Rackles sagte am Donnerstag, das Ziel sei, bald ähnlich gut aufgestellt zu sein wie Hamburg und München. Er hatte den Gebäudescan 2015 angeregt.

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Lesen Sie mehr im Tagesspiegel: "Früher haben wir immer gelacht, wenn wir uns die Ost-Berliner Schulen angeguckt haben", sagt der Spandauer Bildungsstadtrat. Dieser Verfall! Diese verrottete Substanz! Heute weiß er, dass das auch ohne 40 Jahre Kommunismus geht. Einen Kommentar finden Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.

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