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Berlins Schulen modern vor sich hin - der Sanierungsstau könnte der SPD gefährlich werden.
© Kai-Uwe Heinrich

SPD vor Wahlen in Berlin: Wahlkampfthema Schulsanierung geht nach hinten los

Die SPD um Michael Müller wollte sich im Wahlkampf als Schulsanierer präsentieren. Doch es kam anders.

Die SPD und ihr Spitzenkandidat, der Regierende Bürgermeister Michael Müller, wollten aus der Sanierung der Berliner Schulen ein großes Wahlkampfthema machen. Jetzt sieht es so aus, als würde das Projekt ein Schuss in den Ofen. Der Senat und die Bezirke sind bisher nicht einmal in der Lage, den realen Sanierungsbedarf und die anfallenden Kosten auf einheitlicher Grundlage festzustellen. Die Finanzverwaltung des Senats ist mit der Datenerhebung, die Bildungsverwaltung und Bezirksämter miteinander verabredet haben, jedenfalls nicht einverstanden.

Es ist schon bezeichnend, dass Müller mit Selbstverständlichkeiten auf Stimmenfang gehen muss. Die Instandhaltung öffentlicher Gebäude und Straßen gehören ebenso dazu wie funktionierende Bürgerämter, eine handlungsfähige Polizei, genügend Lehrer, eine vernünftige Verkehrslenkung und Baustellenkoordination usw..

schreibt NutzerIn snapit

Es könne „zu keinem tragfähigen Ergebnis führen, wenn die Kostenberechnungen auf dezentral erhobenen Excel-Tabellen aufbauen sollen, die nur grob geschätzte und nicht standardisierte Daten beinhalten“, teilte die Finanzbehörde auf Anfrage des Tagesspiegel am Montag mit.

Um Sanierungsmaßnahmen zu ermitteln und einzuleiten, bedürfe es einer validen Datengrundlage. In internen Berichten hatte Finanz-Staatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD), wie berichtet, die bezirklich erhobenen Daten sogar als „Müll“ eingestuft.

Das hatte die Akteneinsicht durch die Grünen-Haushaltspolitikerin Stefanie Remlinger ergeben.

Finanzverwaltung wurde über Probleme informiert

Darüber beschwerte sich wiederum die Finanzverwaltung des Senats. „Grundsätzlich halten wir es für wenig hilfreich, wenn Abgeordnete ihre vermeintlichen Erkenntnisse aus einer Einsichtnahme in vertrauliche Verwaltungsvorgänge verkürzt oder sinnentstellend in die Öffentlichkeit tragen“, sagte eine Sprecher der Behörde. Die Bildungsverwaltung wiederum nahm die Bezirke in Schutz und kann die Kritik der Finanzverwaltung an dem umstrittenen Gebäude-Scan nicht nachvollziehen.

Der zuständige Staatssekretär Mark Rackles (SPD) habe die Finanzverwaltung auch rechtzeitig über die Probleme mit der Software informiert, sagte eine Sprecherin der Bildungsverwaltung. Wie berichtet, lag das PC-Programm in 18 Versionen vor und war für die Datenerhebung so nicht geeignet.

Weil aber die Anschaffung einer neuen oder erweiterten Software als zu kosten- und zeitintensiv eingeschätzt wurde, hielt man an den vorhandenen IT-Instrumenten fest.

Trotz des senatsinternen Gerangels hofft Landeselternsprecher Norman Heise jetzt darauf, „dass brauchbare Daten“ über den Sanierungsbedarf an den Berliner Schulen und die voraussichtlich anfallenden Kosten noch vor der Abgeordnetenhauswahl am 18. September vorliegen.

Das habe Staatssekretär Rackles jedenfalls angekündigt, „sofern die Bezirke wie erwartet zuarbeiten“. Der Bezirkselternausschuss aus Steglitz-Zehlendorf, wo es besonders viele marode Schulen gibt, reagierte weniger optimistisch.

Der Regierende Bürgermeister Müller habe zwar versprochen, bis 2024 alle Schulen zu sanieren, aber wie wollten er und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) das schaffen, fragten die Elternvertreter. „Egal, ob zwei Milliarden, vier Milliarden oder sechs Milliarden Euro – wir wollen einen Plan!“ Inzwischen habe der Schulsanierungsstau in Berlin das Ausmaß des Flughafens BER angenommen.

Im nächsten Jahrzehnt "wird jede Schule saniert"

Erst vor zehn Tagen hatte Müller auf dem Wahl-Parteitag der SPD in seiner Eröffnungsrede versprochen, dass im nächsten Jahrzehnt „jede Schule angefasst und saniert wird“. Es müsse aufhören mit dem Hin und her der Zuständigkeiten, man brauche mehr Personal und die Finanzmittel müssten aufgestockt werden.

In ihrem Wahlprogramm bekennen sich die Sozialdemokraten ausdrücklich zur „Absicherung der baulichen Unterhaltung und ausreichenden zusätzlichen Sondermitteln zum Abbau des in den vergangenen Jahren aufgelaufenen Sanierungsstaus an den Schulen“.

Ähnliche Probleme bei Sportstättensanierung

Die SPD steht dabei in direktem Wettbewerb mit Grünen und Linken, die im Wahlkampf ebenfalls mit der Schulsanierung punkten wollen. Die Oppositionsparteien werfen dem Senat vor, „die Schulen seit Jahren auf Verschleiß zu fahren“ und fordern eine nachvollziehbare, realitätsbezogene Bedarfs- und Kostenanalyse.

Damit sind die Bildungsverwaltung des Senats und die Bezirke aber sehr im Verzug. Eigentlich sollten bis Ende März die ersten vier Bezirke Ergebnisse vorlegen. Nur zwei Bezirke schafften das. Die Bildungsbehörde teilte dem Parlament inzwischen mit, dass alle zwölf Bezirke im zweiten Quartal liefern wollten, das Ergebnis des Gebäude-Scans werde „ab dem 1. Juli zusammengefasst und ausgewertet“. Ziel sei es, den ermittelten Sanierungsbedarf bei der Aufstellung des Landeshaushalts 2018/19 und der Finanzplanung bis 2021 zu berücksichtigen.

Ähnliche Probleme gibt es beim Senatsprogramm für die Sportstättensanierung. Der Hauptausschuss des Parlaments hatte die Innenverwaltung im März aufgefordert, den Sanierungsbedarf ab 2017 einschließlich der „Festlegung von Mindeststandards“ und der Kosten zu ermitteln. Ende Mai bat die Innenbehörde den Ausschuss um eine Fristverlängerung bis zum 22. Juni. Einen Tag später verabschiedet sich das Landesparlament in die Sommerpause.

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