„Frühzeitiges und offensives Vorgehen“: Was im Einsatzplan der Polizei zur Corona-Großdemo stand
Die Veranstalter der Corona-Demo in Berlin prahlen mit einem geheimen Einsatzplan der Polizei. Darin geht es auch um den Schutz des Bundestages.
Die Polizei Berlin hatte den Einsatz rund um die Corona-Demonstrationen vor mehr als einer Woche minutiös vorbereitet. Nun brüstete sich Michael Ballweg, Führungsfigur der Initiative „Querdenken 711“ an Unterlagen der Polizei zur Demonstration am 29. August gelangt zu sein. „Uns sind nämlich am Tag der Demo noch durch einen Insider von der Polizei die Einsatzpläne zugespielt worden“, erklärte Ballweg.
Doch die Sache ist etwas vielschichtiger. Es handelt sich nämlich keineswegs um den Einsatzplan der Polizei für die Corona-Demonstration am vorvergangenen Sonnabend mit bis zu 40 000 Teilnehmern, sondern um den Plan des örtlich zuständigen Abschnitts 28 für den Sonntag, als die Polizei noch von einem Verbot der Versammlungen ausging. Auch Berichte, wonach es sich sich um ein Rudiment, um Auszüge handle, treffen nicht zu.
Vielmehr geht es um ein Originaldokument oder eine Farbkopie davon, 32 Seiten mit handschriftlichen Notizen, eingestuft als „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“, kurz: VS-NfD. Die Polizei ermittelt wegen Verrats von Dienstgeheimnissen, weit aber darauf hin, dass völlig unklar sei, ob das Papier tatsächlich durchgestochen worden ist. Denn die Erfahrung zeigt, dass Unterlagen auch verlorengehen oder bei Großdemonstrationen aus Dienstwagen gestohlen werden.
Ballweg will aus dem für das Verbot erstellten Einsatzplan für Sonntag herausgelesen haben, dass die Polizei am Sonnabend nach den gerichtlichen aufgehobenen Verboten besonders hart vorgegangen sei. Dennoch ist einige Vorsicht geboten, rechte Kreise brüsten sich auch gern mit Kontakten zur Polizei.
Was steht in dem Papier? Es sind verschiedene Unterlagen, darunter die neunseitige, später von den Gerichten aufgehobene Verbotsverfügung der Polizei, ein Durchführungsplan, ein Formblatt für Platzverweise, eine Übersicht, wie viele Einsatzkräfte wo postiert werden, und ein Kommunikationsplan samt Handynummern der Führungskräfte.
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Die Dokumente sind ab 26. August, dem Tag des Verbots, verschieden datiert. Eine Übersicht über die „Besondere Aufbauorganisation“ (BAO) des Abschnitts 28 für Sonntag stammt vom Vortag. Das Dokument wurde mehrfach aktualisiert.
Die Stoßrichtung für den Einsatz bei der Großdemonstration am Samstag könnte also ähnlich gewesen sein. Das bestätigen selbst erfahrene Polizisten. Der Einsatzplan gibt deutliche Hinweise auf die Strategie der Polizei – etwa zum Schutz des Bundestags, dessen Treppen von 400 Menschen – darunter Rechtsextreme, Reichsbürger und Corona-Skeptiker – gestürmt worden waren.
Die Polizei hatte die Gefahr unterschätzt, nur sechs Beamte waren auf den Treppen und hatten zunächst die Masse aufgehalten, bevor Unterstützungskräfte herbeigeeilt waren. Der Senat hat danach Fehler eingestanden und will nun aufarbeiten, wie es dazu kommen konnte. Allerdings war die Lage am Demo-Samstag angespannt, Massen strömten zum Reichstag, vor der russischen Botschaft haben Hooligans und Rechtsextreme Beamte angegriffen.
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Die Einsatzkräfte mussten hin und her verlegt werden. Der Einsatzplan für Sonntag zeigt zumindest, dass die Polizei es durchaus ernst meinte mit dem Schutz des Reichstagsgebäudes. Ausdrücklich wurden Beamte zu erhöhter Eigensicherung aufgerufen, Grund waren Aufrufe zum bewaffneten Widerstand.
Am Sonntag sollten dem Einsatzplan zufolge mehr als 500 Polizisten allein vor dem Bundestag auf dem Platz der Republik bereitstehen. Direkt vor der Treppe und südlich vom Reichstag an der Scheidemannstraße sollten es 115 sein. Zudem ordnete die Polizei das „Durchführen von lageangepassten Raumschutzmaßnahmen mit dem Schwerpunkt auf den Bereich des Parlaments- und Regierungsviertels“ an.
Ausdrücklich wird auf „benachbarte Kräfte“ hingewiesen, nämlich auf die „Polizei beim Deutschen Bundestag mit sicherheitspolizeilichen Maßnahmen in den Liegenschaften“ des Parlaments sowie auf die Berliner Polizei mit „Dauermaßnahmen zum Schutz des Reichstagsgebäudes“.
Auch zum Vorgehen gegen Demonstranten steht etwas im Einsatzplan. Angeordnet wurde ein „konsequentes Unterbinden der verbotenen Versammlungen“ durch „frühzeitiges und offensives Vorgehen gegen sich ansammelnde Personengruppen“.
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Weiter heißt es: „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind mit Entschlossenheit zu verhindern bzw. zu unterbinden. Dabei sind Ordnungswidrigkeit und Straftaten konsequent, zielgerichtet und niederschwellig zu verfolgen.“ Handschriftlich vermerkte ein Beamter, die Auflösung einer Demonstration sei nur die ultima ratio.
„Querdenken“-Sprecher Ballweg schlussfolgert aus dieser Vorgabe für Sonntag, dass die Polizei am Demo-Samstag deshalb besonders entschlossen vorgegangen sei. Freilich ohne zu erwähnen, dass die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni nicht aufgelöst wurde – weil Teilnehmer die Abstände besser eingehalten haben.
Niederschwelliges Eingreifen sei zudem nicht unüblich, um den Beamten eine klare Linie vorzugeben, heißt es aus Polizeikreisen. Innenexperte Marcel Luthe, fraktionsloser Abgeordneter mit FDP-Parteibuch, sieht das anders. Er wirft der Polizei vor, die Corona-Skeptiker härter zu behandeln als Linksextremisten bei Ausschreitungen.