Angeblich Demonstrantin getötet: „Querdenker“ verbreiten gezielt Fakenews über Demo-Wochenende
In den Social-Media-Kanälen der „Querdenker“ kursieren mehrere falsche Nachrichten zum Demo-Wochenende. Die Polizei reagiert mit einem Faktencheck.
Die Meldung über eine durch polizeiliche Maßnahmen getötete Demonstrantin verbreitet sich in den Social-Media-Kanälen der “Querdenker” wie ein Lauffeuer. Als angeblicher Beleg dazu dient das relativ harte Vorgehen von mehreren Polizeibeamten bei der Festnahme einer Frau, welches von einem Umstehenden auf Video aufgenommen wurde.
Die Nachricht ist falsch. Niemand ist im Rahmen des langen Demo-Wochenendes zu Tode gekommen, so die Berliner Polizei. Auch der auf Telegram kursierende Vorwurf, Polizisten hätten die festgenommene Frau auf dem Weg zur Wache vergewaltigt wird seitens der Polizei als Versuch gewertet gezielt Fakenews zu verbreiten und so Einsatzkräfte zu diskreditieren.
Allerdings teilte eine Polizeisprecherin dem Tagesspiegel mit, dass das Vorgehen der betreffenden Beamten bei der Festnahme der Frau intern untersucht wird. Ein Fachkommissariat des Landeskriminalamtes ermittelt gegen mehrere Polizisten wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt.
Auf dem Videoclip des Einsatzes sind zwei Schläge auf das Genick beziehungsweise den oberen Rückenbereich der Frau zu sehen. Die 60-Jährige wurde am Samstag gegen 13 Uhr von Einsatzkräften am Großen Stern in Tiergarten festgenommen, weil sie sich gegen die Auflösung der Demonstration wehrte. Sie sei den mehrfachen Aufforderungen der Beamten nicht nachgekommen, sich zu entfernen und kauerte sich daraufhin auf den Boden. Kurz danach soll sie einem Polizisten in den Bauch getreten haben.
Als die Beamten sie wegtragen wollten, versuchte sie, einem Polizisten in den Arm zu beißen. Weil sie sich auch weiterhin wehrte, schlug ihr ein Beamter mit der Faust in den Rücken, wobei sie leicht verletzt wurde. Sie verzichtete auf eine angebotene ärztliche Behandlung und setzte ihren Weg fort. Die Einsatzkräfte blieben unverletzt.
Auf Filmen im Internet ist zu sehen, wie die Frau halb auf dem Bauch auf der Straße liegt, schreit und von vier Polizisten festgehalten wird. Die Polizisten versuchen anfangs vergeblich, ihr die unter dem Bauch festgeklemmten Arme auf den Rücken zu ziehen. Ein Polizist boxt ihr zweimal in die Mitte des oberen Rückens zwischen die Schulterblätter.
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Gegen die 60 Jahre alte Frau laufen Ermittlungen wegen Widerstands und tätlichen Angriffs gegen Vollstreckungsbeamte. Das teilte die Polizei am Montag mit. Auch gegen eine 42-jährige Schwangere wird ermittelt.
Die schwangere Frau wurde im Tiergarten festgenommen, weil sie gegen 13:45 Uhr versuchte, die Absperrung der Polizei zu durchbrechen. Danach schlug und bespuckte sie die Beamten. Die Einsatzkräfte brachten sie daraufhin zu Boden und nahmen sie fest.
Sanitäter eines Rettungswagens stellten keine Verletzungen fest. Einen Transport in ein Krankenhaus lehnte die Schwangere ab. "Anders als in den sozialen Medien behauptet wird, gibt es keine Anhaltspunkte für eine Gesundheitsbeeinträchtigung der Mutter und des ungeborenen Kindes."
Ein anderes tausendhaft verbreitetes Foto zeigt einen auf den Boden liegenden Demonstranten am Sonntagnachmittag am Großen Stern. Der korpulente Mann sei bei seiner Ingewahrsamnahme bewusstlos geworden, “es wäre nicht klar, ob er überlebt hat”, heißt es in den internen Gruppen der “Corona-Rebellen”.
Auch das sind Fakenews. Tatsächlich wurde der Mann nach Tagesspiegel-Informationen in einem Krankenwagen der Berliner Feuerwehr behandelt. Er war jedoch zu keinem Zeitpunkt bewusstlos.
„Nein, wir haben am Wochenende keine Frau umgebracht“, teilte die Polizei Berlin in einem „(F)AktenCheck“ auf Facebook mit. „Ja, es gab anlässlich der Demos am Wochenende Situationen, in denen unsere Kolleginnen und Kollegen Zwang anwenden mussten - durch Ziehen, Schubsen, Festnahmegriffe aber auch durch Faustschläge oder den Einsatz von Pfefferspray“, heißt es dort weiter. „Kein Polizist, keine Polizistin übt gerne Zwang aus. Er ist immer das letzte Mittel, wenn einer Aufforderung nicht nachgekommen wird, obwohl das dringend erforderlich ist.“
„Solche Einsätze dauern meist eine längere Zeit und sind für Umstehende vorhersehbar“, erläuterte die Polizei in ihrem Facebook-Post. „Daher ist es ein Leichtes und inzwischen offenbar auch üblich, dabei das Handy zu zücken und das Geschehen aufzunehmen.“ Ein immer wiederkehrendes Problem sei, dass solche Videos meist stark verkürzt und aus dem Kontext gerissen würden.
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Polizeisprecherin Dierschke sagte dem Tagesspiegel, dass seit den Mittagsstunden die Telefone der Pressestelle der Polizei nicht mehr stillstehen.
Sowohl Pressevertreter als auch empörte “Corona-Rebellen” würden sich in großer Zahl melden, um den Gerüchten von gestorbenen Demonstranten nachzugehen. Einige der anrufenden “Querdenker” würden ihre Wut an der Pressestelle rauslassen, so Dierschke.
Umstritten ist die Frage, inwieweit es Berührungspunkte zwischen der Querdenken-Bewegung und radikaler auftretenden Gruppen gibt. Auch wenn sich die die Organisatoren der “Querdenken”-Demo an der Siegessäule von der versuchten Stürmung des Reichstagsgebäudes im Nachhinein distanzierten, existieren viele Schnittmengen des Teilnehmerspektrums an der Siegessäule und Personengruppen, die am Samstagabend bei dem Durchbruch von Polizeiabsperrungen am Bundestag beteiligt waren.
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So war der rechtsextreme YouTuber “Aktivist Mann”, der in vorderster Front versuchte in das Bundestagsgebäude einzudringen, auch bei einer unangemeldeten Veranstaltung der “Querdenker” am Sonntag an der Siegessäule zugegen.
Auch der rechtsextreme, als "Volkslehrer" bekannte Aktivist Nikolai Nerling war bei der versuchten Einnahme des Bundestags vor Ort. Das belegen Videoaufnahmen. Am Sonntag filmte er dann beim Protest an der Siegessäule. Bei der illegalen Kundgebung der “Corona-Rebellen” am großen Stern gab es nach Beobachtungen des Tagesspiegels keinerlei Abgrenzungsversuche von “Querdenkern” zu beiden Akteuren.
Auch eine auf Videoaufnahmen von der “Reichstags-Stürmung” zu erkennende ältere Frau hielt sich am Sonntag bei den “Querdenkern” im Tiergarten auf. Die circa 60-jährige Frau hatte am Sonntagnachmittag angesichts diverser Ingewahrsamnahmen von Demonstrations-Teilnehmern durch Einsatzkräfte Tränen in den Augen und schrie: “Das ist eine Diktatur, wir leben in einer Diktatur voller Polizeigewalt.” Ebenfalls am Sonntag beteiligt war der Antisemit und iranische Holocaustleugner Reza Begi. Er versuchte mehrmals, Polizeiketten im Tiergarten zu durchbrechen.
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