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Im Fokus: Der Berliner Landesverband der AfD
© Markus Scholz
Exklusiv

Klage mit Erfolg: Vorerst keine Beobachtung der Berliner AfD durch den Verfassungsschutz

Die Berliner AfD gilt als vergleichsweise moderat, geriet aber dennoch in den Fokus des Verfassungsschutzes. Die Partei klagte und hat Erfolg - vorerst.

Die Berliner AfD wehrt sich juristisch gegen die Einstufung als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen durch den Verfassungsschutz. Das bestätigte ein Sprecher des Verwaltungsgerichts Berlin.

Die Senatsinnenverwaltung, bei der der Verfassungsschutz angesiedelt ist, soll zugesichert haben, bis zur Eilentscheidung des Gerichts keine nachrichtendienstlichen Mittel – also Observation, Abhören von Kommunikation, die Anwerbung von V-Leuten – gegen die Landes-AfD und ihre Berliner Mitglieder einzusetzen. Das erfuhr der Tagesspiegel aus Justiz-Kreisen. Das Gericht und die Innenverwaltung wollten das nicht kommentieren.

Vor dem Verwaltungsgericht hat die AfD im Eilverfahren eine einstweilige Anordnung gegen die Senatsinnenverwaltung beantragt. Der Behörde soll untersagt werden, die Partei als Verdachtsfall einzustufen und mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten. Zugleich hat die AfD eine Klage eingereicht, wonach das Gericht feststellen soll, dass die Einstufung rechtswidrig ist.

Bereits in der nächsten Woche könnte die erste Kammer des Verwaltungsgerichts eine Entscheidung treffen. Bis Dienstag läuft die Frist für weitere Stellungnahmen ab. Die Argumentation der Innenverwaltung orientiert sich an der besonderen Berliner Gesetzeslage. Während sich der Verfassungsschutz in Brandenburg vor einem Jahr offen über die Einstufung der Landes-AfD als Verdachtsfall für rechtsextremistische Bestrebungen äußern durfte und dies sogar bei einer Pressekonferenz verkündet hatte, muss die Berliner Behörde schweigen.

Vorerst keine Beobachtung im Bund

Und genau darauf beruft sich die Innenverwaltung auch: Die Einstufung von Prüf- und Verdachtsfällen sei eine rein interne Maßnahme des Verfassungsschutzes. Und weil die nicht öffentlich bekannt gegeben werde, habe dies keine Auswirkungen auf die Chancengleichheit im Parteiwettbewerb und auf die AfD und ihre Mitglieder.

Sollte das Berliner Verwaltungsgericht alsbald und damit zwei Monate vor der Abgeordnetenhauswahl über den Eilantrag der AfD entscheiden, schlüge es einen anderen Weg ein als das Verwaltungsgericht Köln. Letzteres hat eine Entscheidung über die Verdachtsfall-Einstufung der Gesamtpartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf 2022 verschoben, um zu vermeiden, dass erst kurz vor der Bundestagswahl ein Beschluss gefasst wird.

Dies gebiete „der Respekt vor der Entscheidung der Wähler“. Bereits im März hatten die Kölner Richter das BfV gestoppt, nachdem bekannt geworden war, dass die Behörde die AfD als Verdachtsfall eingestuft hatte.

In Berlin hatte die AfD Anfang Mai rechtliche Mittel angekündigt, nachdem die Einstufung bekannt geworden war. Entsprechend positiv wurde die jetzige Zusicherung der Innenverwaltung zum Verzicht auf nachrichtendienstliche Mittel gegenüber Partei und Mitgliedern aufgenommen.

Kristin Brinker, Landesvorsitzende der AfD Berlin, beim Parteitag im Juni. 
Kristin Brinker, Landesvorsitzende der AfD Berlin, beim Parteitag im Juni. 
© Annette Riedl/dpa

Kristin Brinker, die den Landesverband seit April anführt und der Partei erklärtermaßen ein moderateres Image verpassen will, sagte dem Tagesspiegel: „Unser Verfahren hat erste Wirkung gezeigt. Auch für Parteien gilt in unserem Rechtsstaat die Unschuldsvermutung. Daher ist es vollkommen richtig, wenn ohne gerichtliche Entscheidung keine geheimdienstlichen Maßnahmen gegen die AfD eingeleitet werden.“ Die Partei stehe „fest auf dem Boden des Grundgesetzes“, sagte Brinker weiter.

Zuletzt hatte sie in einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt: „Es gibt keinen Grund, die AfD zu beobachten.“ Die AfD werde die „Instrumentalisierung des Verfassungsschutzes nicht tatenlos hinnehmen“, sagte sie weiter. Er sei offensichtlich, „dass die ihn tragenden Parteien einen politischen Konkurrenten ausschalten wollen“. Die Innenverwaltung wiederum verweigerte jede Stellungnahme zu dem Vorgang und verwies auf die Rechtslage in Berlin.

Brandenburger AfD scheitert mit Klage

Ähnliche Vorwürfe aus den Reihen der AfD waren bereits in Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen laut geworden, wo der Verfassungsschutz die Landesverbände der Partei jeweils als extremistischen Verdachtsfall bewertet. In Brandenburg war die AfD sogar mit einer Eilklage vor dem Landesverfassungsgericht gegen die Einstufung vorgegangen und gescheitert. Dort spielte vor allem die dominante Rolle des als rechtsextremistisch eingestuften völkischen „Flügels“ in der Landespartei eine Rolle.

Die Berliner AfD will mit ihrer Klage auch erreichen, dass der „Flügel“ aus dem kürzlich vorgestellten Jahresbericht gestrichen wird. Dabei war Brinker mit Unterstützung und Stimmen des rechtsextremen, formell aufgelösten „Flügels“ in der AfD ins Amt gekommen – obwohl sie selbst als gemäßigt gilt.

Und Brinker hatte erklärt, die Berliner AfD sehe sich als „parlamentarischer Arm“ der Anti-Corona-Proteste. Auch das dürfte zur Einstufung der AfD beigetragen haben.

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Denn im April hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärt, dass Teile der Corona-Protestbewegung in Berlin als Verdachtsfall einer extremistischen Bestrebung vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Es handele sich um einen Extremismus eigener Art, der nicht dem Rechts- oder Linksextremismus zuzuordnen sei. Brinker revidierte ihre Aussage zwar später, doch die Einstufung dürfte zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt sein.

Ihren Verdacht der Instrumentalisierung stützt die Berliner AfD auf die Affäre um einen „Zwischenbericht“ des Berliner Verfassungsschutzes zur AfD. Der Entwurf des vertraulichen Papiers vom Dezember 2020 war im Januar an die AfD durchgestochen worden. Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellte Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrats. 

Im Entwurf wurde die Berliner AfD erstaunlich milde bewertet und die Einstufung als Verdachtsfall abgelehnt. Auch fehlten die Belege aus dem Gutachten des Bundesamtes für den Verdachtsfall bei der Gesamtpartei, das unter anderem harte Extremismusbelege aus Berlin angeführt hatte.

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