Aus Respekt vor den Wählern: AfD ein Verdachtsfall? Kein Urteil vor der Bundestagwahl
Erst im kommenden Jahr will das Verwaltungsgericht Köln bekanntgeben, ob der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf.
Atempause für die AfD: das Verwaltungsgericht Köln will nicht mehr vor der Bundestagswahl entscheiden, ob das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Partei als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf. Das teilte das Gericht am Donnerstag "angesichts des großen öffentlichen Interesses an den Verfahren" mit.
Auch die Frage, ob das BfV die Mitgliederzahl der parteiinternen, rechtsextremistischen Vereinigung "Flügel" nennen darf, wird vor der Bundestagswahl im September nicht mehr geklärt. Die AfD hatte sich in beiden Punkten im Januar mit Eilanträgen an das Verwaltungsgericht gewandt. Im März stoppten die Richter das BfV, als öffentlich bekannt wurde, dass das BfV im Februar die Einstufung der Partei als Verdachtsfall vorgenommen hatte.
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Ursprünglich seien die Entscheidungen in den Eilverfahren für Anfang Juli geplant gewesen, sagte das Gericht. Die Planung der zuständigen Kammer lasse sich aber "wegen der hohen Komplexität der Verfahren sowie maßgeblich aufgrund der späten Übersendung der Verwaltungsvorgänge durch das BfV nicht mehr halten". Das Gericht habe die im Januar angeforderten Verwaltungsvorgänge erst am 5. Mai in Form von 14 Aktenordnern erhalten. Diese seien zudem nicht vollständig gewesen.
Erst auf "Nachforderung der Kammer" seien im Juni weitere 27 Aktenordner mit Verwaltungsvorgängen übersandt worden. Zu den Unterlagen sei der AfD rechtliches Gehör zu gewähren. Ebenso stehe eine Stellungnahme des BfV zu einem umfassenden Schriftsatz der AfD - knapp 1400 Seiten mit 17 Ordnern Anlagen - aus, teilte das Gericht mit.
Eine Entscheidung der Richter könnte die Wahl beeinflussen
Betont wird, "im Hinblick auf die daher gegebenfalls erst kurz vor dem Wahltag mögliche Beschlussfassung hat die Kammer den Verfahrensbeteiligten nunmehr mitgeteilt, dass sie vor der Bundestagswahl keine Entscheidungen mehr treffen werde". Dies gebiete "der Respekt vor der Entscheidung der Wähler". Es sei zu berücksichtigen, "dass sowohl eine für die AfD positive als auch eine negative Entscheidung die Wahlentscheidung der Bürger zugunsten und zulasten der Partei beeinflussen könne".
Es sei auch "in den Blick zu nehmen, dass die Frage der Einstufung als Verdachtsfall die Beobachtung von Bundes- wie Landtagsabgeordneten der AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln betreffe". Damit sind unter anderem die Überwachung des E-Mail-Verkehrs durch den Verfassungsschutz sowie die Anwerbung von V-Leuten in der Partei gemeint.
Die Kammer will nun im ersten Quartal des kommenden Jahres in den Eilverfahren sowie in den Hauptsacheverfahren entscheiden. Bis dahin sei das BfV an die Zwischenentscheidung des Gerichts vom März gebunden. Das Bundesamt darf also weiterhin die AfD nicht als Verdachtsfall bewerten. Im 1000-seitigen Gutachten des BfV werden zahlreiche Belege für rechtsextremistische Tendenzen in der gesamten Partei genannt. In mehreren Ländern hat der Verfassungsschutz die regionale AfD schon als Verdachtsfall eingestuft. In Thüringen sogar als klar extremistisch.