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Geduld ist gefragt. Wer ein Anliegen an die Berliner Bürgerämter hat, braucht vor allem eines: viel Zeit. Dieses Ärgernis soll sich ändern, aber das dauert.
©  Kai-Uwe Heinrich

Öffentlicher Dienst in Berlin: Von Verbesserungen in Bürgerämtern ist nicht viel zu merken

Das Personal in den überlasteten Bürgerämtern soll aufgestockt werden. Bis Ende Mai sollen 84 der 117 neuen Vollzeitstellen besetzt werden. Die Mitarbeiter müssen aber noch geschult werden.

Oh, beinahe hätte es geklappt! Am 30. Mai war ein Termin im Bürgeramt frei, um einen Personalausweis zu beantragen. Aber ein Klick auf den Online-Kalender führte anschließend ins Nichts. Für einen neuen Reisepass ist vor den Sommerferien gar kein Termin mehr zu finden. Und wer einen Ersatz für seinen Führerschein braucht, weil der alte gestohlen wurde, kann mit etwas Glück im Juli vorstellig werden. Mit weiten Anreisen ist oft zu rechnen, gern werden Termine im Märkischen Viertel, in Marzahn oder Weißensee angeboten.

Von der Verstärkung des Personals, die der Senat den bezirklichen Bürgerämtern zugesagt hat, merken die Bürger vorerst nichts. Bis Ende Mai, sagt die Senatsfinanzverwaltung, sollen 84 der 117 neuen Vollzeitstellen besetzt werden. Anschließend müssen die neuen Mitarbeiter aber noch geschult und eingearbeitet werden. Das kann einige Wochen dauern. Außerdem ist der Krankenstand nach Aussagen von Bezirksstadträten dramatisch hoch. In den Bürgerämtern liege die Anwesenheitsquote bei 65 Prozent, sagte Dagmar König (CDU), die in Charlottenburg-Wilmersdorf fachlich zuständig ist, kürzlich im IT-Ausschuss des Abgeordnetenhauses.

Ihr Lichtenberger Kollege Andreas Prüfer (Linke) berichtete von einem Tag, an dem von 40 Mitarbeitern nur 15 arbeitsfähig waren, so dass zwei Bürgerämter zeitweilig geschlossen werden mussten. Die schlechte Gesundheit der Bediensteten ist aber nur eines von vielen Problemen. So erinnert der Landesrechnungshof im neuen Jahresbericht daran, dass die Senatsinnenverwaltung schon 2002 aufgefordert wurde, den Personalbedarf für die Bürgerdienste anhand von Fallzahlen und durchschnittlichen Gesprächs- und Bearbeitungszeiten realistisch festzustellen. Bis heute sei das nicht geschehen.

Eine Erfolgsmeldung hat die Innenverwaltung parat

Der Rechnungshof appellierte an die Innenverwaltung, ihre „gesamtstädtischen Leitungsaufgaben stärker wahrzunehmen“ anstatt immer wieder auf die Verantwortung der Bezirke für die Bürgerämter zu verweisen. Aber Innensenator Frank Henkel (CDU) bleibt bei seiner Linie. „Für die Bereitstellung der Termine sind ausschließlich die jeweiligen Bezirke zuständig“, teilte ein Sprecher der Innenbehörde auf Anfrage des Tagesspiegel mit. Das Auswahl- und Besetzungsverfahren für die neuen Stellen obliege ebenfalls den Bezirken.

Mit einer fundierten Untersuchung, ob die Bürgerämter effektiv organisiert sind und was sich verbessern lässt, will der Innensenator auch nichts zu tun haben. Eine solche Prüfung wird vom Abgeordnetenhaus seit Ende 2015 eingefordert. „Wir bitten Sie, sich an die Senatsverwaltung für Finanzen zu wenden“, teilte die Innenbehörde mit. Das Gutachten, das die Finanzverwaltung inzwischen beim externen Dienstleister BOC Group in Auftrag gegeben hat, soll Mitte Juni vorliegen. Kurz vor der letzten Parlamentssitzung vor der Sommerpause.

Eine Erfolgsmeldung hat die Innenverwaltung aber parat. Die zahlreichen Probleme mit der neuen Melde-Software VOIS, die Anfang des Jahres in den Bürgerämtern flächendeckend eingeführt wurde, seien „weitestgehend behoben“. Im Februar gab es damit noch große Probleme. Vom 19. bis 25. Mai wird die kombinierte Software VOIS und Votemanager in einer Probewahl mit allen Bezirkswahlämtern erneut getestet. Sollte alles funktionieren, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Berliner Wahlen am 18. September ordnungsgemäß durchgeführt werden können.

Flüchtlings-Bürgerämter gibt es och nicht

Die Bedingung dafür ist: Drei Monate vor der Wahl muss der Antragsstau für An-, Ab- und Ummeldungen in Berlin soweit abgebaut sein, dass ein vollständiges und korrektes Wählerverzeichnis erstellt werden kann. Um diesen Meldestau abzuarbeiten, wurde Anfang März vom landeseigenen IT-Dienstleistungszentrum die Servicenummer 9024 990 freigeschaltet.

Dort rufen täglich etwa 900 Bürger an, um sich für ihre Meldeangelegenheit einen Termin beim Bürgeramt zu beschaffen. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt etwa drei Wochen. Innen-Staatssekretär Andreas Statzkowski erhofft sich von diesem Telefonservice und von den sogenannten Express-Meldeschaltern in den Bürgerämtern, dass bis zum 18. Juni alle Personen, die in Berlin wahlberechtigt sind, sich ordnungsgemäß an- und ummelden können.

Doch was ist eigentlich aus den Flüchtlings-Bürgerämtern geworden, die im Januar auf einer Senatsklausur beschlossen wurden? Sie sollen in Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte eingerichtet werden, aber es gibt sie noch nicht. Von den 50 Stellen, die dafür zur Verfügung stehen, wurden bisher 30 ausgeschrieben. Die Finanzverwaltung rechnet damit, dass bis zum 1. Juli das meiste Personal eingestellt wird. Die Frage ist nur, wo die neuen Mitarbeiter dann arbeiten werden. Die Grünen gehen davon aus, dass beide neuen Ämter erst nach der Abgeordnetenhauswahl im Herbst eröffnet werden.

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