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Durchblick gesucht: Von Transparenz bei der Kita-Lage kann man aktuell nicht sprechen.
© imago/epd/Rolf Zöllner

Kinderbetreuung in der Hauptstadt: Statistik über "9400 nicht belegte Kitaplätze" verwirrt Berliner Eltern

In Berlin gibt es "erlaubte", "belegte" und "freie" Plätze. Aber "nicht belegt" heißt nicht unbedingt "frei". Ein Statusbericht zur offiziellen Kita-Statistik.

Es ist genau eine Woche her, da trauten Kita-suchende Eltern ihren Ohren nicht: „Aktuell gibt es noch 9400 nicht belegte Plätze“, lautete die frohe Botschaft der Senatsverwaltung für Jugend. Verwundert fragte sich mancher, wie das denn sein könne angesichts der eigenen großen Probleme, Plätze zu finden – und angesichts der Dutzenden aktuellen Kitaklagen. Inzwischen zeichnet sich ab, dass die Zahl der Jugendverwaltung nicht belastbar ist.

Denn ein Tagesspiegel-Rundruf in den Einrichtungen mit den angeblich meisten freien Plätzen ergab, dass sie nicht verfügbar waren. Die Träger gaben überwiegend die Auskunft, dass sie mangels Personal oder wegen Umbauten keine freien Kapazitäten haben. Andere Kitas hatten gerade eröffnet, sind bereits voll belegt und hatten es noch nicht geschafft, dies im Informationssystem vorschriftsmäßig zu melden.

Weniger Platz wegen Umbauten und Personalmangel

Die unzutreffenden Angaben über die angeblich freien Plätze stammen aus einer verwaltungsinternen Übersicht, die dem Tagesspiegel vorliegt. Mit Stichtag 31. Oktober werden dort mittels der „Integrierten Software Berliner Jugendhilfe“ (ISBJ) die Informationen über den Status Quo zusammengeführt. Als Gesamtsumme ist in dieser ISBJ-Liste zu lesen, dass 167.000 Plätze vertraglich belegt seien und weitere 9583 frei. Wobei hinter „frei“ ein Fragezeichen steht – offenbar weil auch die Verwaltung selbst weiß, wie ungenau die Daten sind. Dennoch liefert genau diese Liste die Grundlage für die Angabe der angeblich 9400 nicht belegten Plätze, mit der die Jugendverwaltung vergangene Woche suggerierte, es gebe noch einen imposanten Spielraum im System. Stützt sich die Jugendverwaltung also auf überholte Zahlen?

„Nein“, sagt Sprecherin Iris Brennberger: Die dem Tagesspiegel vorliegenden ISBJ-Zahlen seien „noch nicht bereinigt“. Daher seien dort etwa fälschlich Betriebskitas aufgeführt, die ja gar nicht frei verfügbar seien. Allein das mache einen Unterschied von 168 angebotenen Plätzen aus, wenn man die unbereinigte Liste und das Monitoring der Jugendverwaltung vergleiche, betont Brennberger.

Jedenfalls sei die Zahl 9400 einigermaßen plausibel, wenn man bedenke, dass im vergangenen Monat 1200 neue Kitaplätze geschaffen wurden und dass zur Zeit rund 7000 Kitaverträge weniger abgeschlossen sind als zum Sommer. Sind also zumindest 8200 Plätze verfügbar?

Nicht aktualisierte Listen

Auch das nicht, denn viele der 7000 Plätze, für die bis Sommer Verträge abgeschlossen waren, stehen zurzeit nicht zur Verfügung, weil die Träger umbauen, womit man wieder zurück bei den besagten Kitas aus der ISBJ-Liste ist. So berichtet der Geschäftsführer der Eigenbetriebe Nordwest, Harald Bohn, dass in den Kitas Gatower Straße und Jungfernheidestraße zurzeit insgesamt 140 Plätze wegen Umbauten fehlen. In der Gatower Straße habe sich die Wiedereröffnung zunächst wegen Schimmelbefalls verzögert, und jetzt fehle Personal. Angesprochen auf die überholten ISBJ-Angaben sagte Bohn, dass er das „gleich ändern“ werde.

Angesichts dieser Gemengelage spricht Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) von „falschen Zahlen“, mit denen die Jugendverwaltung arbeite, wenn sie von 9400 belegbaren Plätzen spreche. Das aber will die Jugendverwaltung nicht so stehen lassen: „Dass es in einem dezentralen System mit vielen Einzelakteuren auch mal Verstöße oder Verzögerungen gibt, können wir nicht ausschließen“, sagte Sprecherin Brennberger. „Dennoch halten wir die Statistik für grundsätzlich belastbar und weisen den Vorwurf von Herrn Liecke zurück".

"Keine Entwarnung"

Allerdings fügt die Sprecherin rasch hinzu, dass sie „keine Entwarnung“ gebe und auch die Lage nicht beschönigen wolle. Allerdings werde ja vieles getan. So werden ausländische Abschlüsse leichter anerkannt und mit Quereinsteigern aus verwandten Berufen können „multiprofessionelle Teams“ gebildet werden. Auch das "Gute-Kita-Gesetz" könnte die Lage verbessern - wenn etwa den Erziehern Zuschläge gezahlt werden könnten, wie es Scheeres der Jugendministerkonferenz vorgeschlagen hat. Zudem kommt 2019 der „Kita-Navigator“ aufs Handy, der Eltern die Suche erleichtern soll: Er wird es auch mit sich bringen, dass die Kitas ihre Zahlen aktuell halten müssen, „wenn sie vermeiden wollen, dass Eltern ihnen wegen vermeintlich freier Plätze die Tür einlaufen“, wie es ein Kitaleiter ausdrückt.
Unterschiedlich schätzen Fachleute die Frage ein, ob Eltern es wieder so schwer haben werden, Plätze zu finden wie während der „Kita-Krise“. Und was sagt die Jugendverwaltung? „Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, dass sich die Situation im weiteren Verlauf des Kita-Jahres nicht wieder so zuspitzt wie vor den Sommerferien“.

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