Testpflicht und Wechselunterricht: So sieht Berlins Kompromiss zur Schulöffnung aus
Die Jahrgänge 7 bis 9 müssen zu Hause bleiben, alle anderen müssen sich zweimal wöchentlich testen lassen. Der Senatsbeschluss zur Schule im Überblick.
Berlin folgt Brandenburg und lässt die Jahrgangsstufen 7 bis 9 nach den Ferien am Montag zunächst zu Hause. Allerdings sollen auch sie wieder am Präsenzunterricht teilnehmen können, sobald die Abiturient:innen an ihren Schulen keiner Anwesenheitspflicht mehr unterliegen. Das wird ab 19. April der Fall sein.
Auf diese Regelung einigte sich der Senat am Donnerstag. Alle anderen Jahrgänge ab Klasse 1 nehmen – wie schon vor den Ferien – am Wechselunterricht teil. Überraschend einigte sich der Senat am Donnerstag zudem auf eine Testpflicht an den Schulen.
Demnach soll das Testen ab 19. April „zwei Mal wöchentlich verpflichtend sein“. Diese Tests sollen ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zu Hause, „sondern vor Ort in der Schule durchgeführt werden“, hieß es in einer Mitteilung der Senatsverwaltung für Bildung. Mit dieser Vorgabe sollten „die Inanspruchnahme und die Verlässlichkeit der Tests“ sichergestellt werden.
Bei den Schulleiterverbänden stießen die Senatsentscheidungen auf Kritik. Es sei „unverantwortlich“, die Schulen jetzt für den Wechselunterricht zu öffnen, sagte Gunilla Neukirchen von der Schulleitervereinigung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Man solle lieber vorsichtig öffnen und zunächst eine Woche abwarten, um zu sehen, wie sich die dritte Welle entwickle.
Der GEW-Landesverband hatte sin der Vergangenheit immer wieder vor einer Rückkehr zum Wechselunterricht gewarnt.
Auch für die neuen Testvorschriften gab es Kritik. „Das Testen an den Schulen wird kritisch gesehen“, sagte der Vorsitzende der Vereinigung der Oberstudiendirektoren, Ralf Treptow. Es fehle dafür eine Rechtsgrundlage. Er empfiehlt das Testen zu Hause, um zu verhindern, dass Infizierte an die Schulen kämen.
Schulleitungen plädieren für Tests zu Hause
Um sicherzustellen, dass die Schüler:innen sich tatsächlich testen, müsse man sie nicht an die Schulen holen, gab Sven Zimmerschied von der Sekundarschulleitervereinigung zu bedenken. Er schlägt vor, dass die Schüler:innen sich zu Hause testen und das Ergebnis in der Schule abgeben.
Den Einwand, dass die lange Dauer zwischen Testung und Vorzeigen des Testbefundes in der Schule das Ergebnis verfälsche, wollte Zimmerschied nicht gelten lassen, weil das nur selten vorkomme. In solchen Fällen könne man ja in der Schule nachtesten, schlägt Zimmerschied vor.
Seit 15. Dezember durften die Siebt- bis Neuntklässler nicht in die Schule
Die Klassen 7 bis 9 sind die einzigen, die seit Mitte Dezember nicht mehr in der Schule waren. Die anderen Jahrgänge waren nach und nach zurückgeholt worden: Zunächst die Abschlussjahrgänge und die unteren Klassen, dann nach und nach auch die dritten bis sechsten Klassen. Den ursprünglichen Plan, die Mittelstufenschüler:innen zumindest für ein Wiedersehenstreffen vor den Ferien zurückzuholen, war wegen der steigenden Inzidenz kurzfristig abgesagt worden.
Gegen die Rückkehr wurde in den vergangenen Tagen erneut protestiert. So mahnten etwa die Neuköllner Gymnasien, dass man das nahe Abitur in Gefahr bringe, wenn man die unteren Jahrgänge jetzt zurückhole.
Dieses Argument fand offenbar Gehör: Die Abiturient:innen bekommen am 12. April ihre Zeugnisse für ihr viertes Qualifikationssemester. In den Folgetagen finden in den Schulen in Präsenz Konsultationen zu den Prüfungen statt. Danach sind die Abiturient:innen meist zu Hause, um sich auf ihre Klausuren vorzubereiten.
„Das heißt: In den weiterführenden Schulen werden zunächst nur relativ wenige Schülerinnen und Schüler anwesend sein“, begründete die Bildungsverwaltung den neuen Fahrplan für die Zeit nach den Ferien. Zudem wurde mitgeteilt, dass es für die Jahrgangsstufen 1 bis 6 weiterhin zusätzlich zum Wechselunterricht eine Notbetreuung geben wird. Die Präsenzpflicht für Schüler:innen bleibe vorerst ausgesetzt.
Zudem kündigte die Bildungsverwaltung an, dass es mit dem Schulstart nach den Osterferien „für alle Schülerinnen und Schüler ausreichend Tests geben wird, so dass zwei Mal wöchentlich getestet werden kann“. Dies solle „bei guter Belüftung in den Klassen oder je nach schulorganisatorischen Möglichkeiten auch in anderen Bereichen der Schule geschehen“.
Die Bildungsexpertin der Linken, Regina Kittler, twitterte nach dem Senatsbeschluss: „Die Öffnung der Schulen finde ich nach wie vor falsch und ich befürchte schnell steigende Inzidenzen. Sehr gern würde ich nicht recht behalten“.
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) machte keinen Hehl daraus, dass es sich bei der nun kommunizierten Lösung um einen Kompromiss handelte. „Damit kommen wir auch zahlreichen Forderungen aus der Schulöffentlichkeit und von Gewerkschaftsseite entgegen“, kommentierte sie die Senatsentscheidung.
Scheeres hatte sich dem Vernehmen nach im Vorfeld stets dagegen ausgesprochen, alle Schüler:innen in Schulen zu testen. Offenbar war das aber der Preis dafür, dass sich die Koalition auf eine Öffnung der Schulen im Wechselunterricht einigen konnte.
„Mit der Anpassung der Teststrategie wollen wir erreichen, dass unsere Schülerinnen und Schüler das Recht auf Bildung im Wechselunterricht gut und möglichst sicher wahrnehmen können. Auch die Lehrkräfte und das gesamte Dienstpersonal an Schulen werden somit besser geschützt“, begründete Scheeres die Entscheidung.
Die Abiturprüfungen finden statt - Beschluss der KMK
Ihr sei „bewusst, dass diese Anpassung der Teststrategie unsere Schulen vor weitere Herausforderungen stellt“. Dieser Schritt sei aber beschlossen worden, „um zu vermeiden, dass Schülerinnen und Schüler den Anschluss verlieren oder durch die Schulabstinenz psychisch leiden.“ Zur Testpflicht an Kitas wollte sich Scheeres aber nicht äußern. Die war am Donnerstag vom Landeselternausschuss der Kitas gefordert worden.
Die Abiturprüfungen werden bundesweit auf jeden Fall stattfinden – das bekräftigte derweil am Donnerstagabend die Kultusministerkonferenz (KMK). „Den Abschlussjahrgängen an unseren Schulen können wir mitteilen, dass sie ihre Prüfungen werden ablegen können“, teilte die KMK nach einem Treffen mit. Das hatte in Berlin auch die Schülerschaft gefordert.
Beim Präsenzunterricht in den weiterführenden Schulen will die KMK denn auch die Abschlussklassen priorisieren. Ansonsten bleibt es aber dabei, dass die KMK auch nach den Osterferien keinen einheitlichen Plan für die Schulen verfolgen will.
Einen einheitlichen Plan verfolgt die KMK ansonsten nicht
Man habe sich darauf verständigt, „die Schulen so weit wie möglich prioritär offen zu halten“, hieß es lediglich weiter in der Mitteilung. Die KMK-Vorsitzende Britta Ernst (SPD), Bildungsministerin in Brandenburg, erklärte, Ziel sei es, „so viel Präsenzunterricht wie möglich anzubieten“. Dieses Ziel würden die Länder „durch eine flächendeckende und umfassende Test- und Impfstrategie mit ausreichenden Testkapazitäten begleiten“.
Bindende Vorgaben gibt die KMK hierbei allerdings auch nicht. Es heißt lediglich, die Testmöglichkeiten sollten „so ausgebaut werden, dass allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrkräften und sonstigen an Schulen Beschäftigten zweimal wöchentlich die Möglichkeit für einen Selbsttest angeboten werden kann“.
Ob die Tests verpflichtend sind und ab wann sie zweimal wöchentlich zur Verfügung stehen, wurde nicht weiter festgelegt. Zur „Impfstrategie“ heißt es, die Kultusminister wollten sich dafür einsetzen, dass allen Beschäftigten an Schulen, die „im unmittelbaren Kontakt zu Schülerinnen und Schülern“ stehen, ein „frühestmöglicher Impftermin“ angeboten wird.