Seit fast vier Monaten zu Hause: Wenige Perspektiven für Berliner Mittelstufen-Schüler – kaum Lehrer geimpft
Wechselunterricht oder Homeschooling? Am Donnerstag entscheidet der Senat über die Schulöffnung. Der Lehrerverband will nur geimpfte Lehrer unterrichten lassen.
Präsenzunterricht oder nur Lernen zu Hause? Das ist die Frage, die an diesem Donnerstag im Senat entschieden werden soll. Angesichts des nahen Ferienendes bei steigenden Inzidenzen wächst die Anspannung, zumal Brandenburg bereits am Dienstag festgelegt hat, dass die weiterführenden Schulen – mit Ausnahme der Abschlussklassen – zu Hause bleiben sollen. Die Gewerkschaft Bildung und Wissenschaft (GEW) sprach sich am Mittwoch dafür aus, dass nur geimpfte Pädagog:innen zu Präsenzangeboten herangezogen werden sollten. Die Elternschaft ist in der Schulöffnungsfrage gespalten.
Am Mittwochabend wollten sich die Fraktionen im Abgeordnetenhaus abstimmen. Am strittigsten ist der Umgang mit den Klassen 7 bis 9: Einerseits ist diese Altersgruppe besser als die Grundschüler imstande, dem Onlineunterricht zu folgen, andererseits leiden diese Altersgruppen besonders unter der Isolation: „Mir blutet das Herz, wenn es für die Mittelstufe noch immer keine Perspektive geben sollte“, sagte die Grünen-Bildungsexpertin Marianne Burkert-Eulitz dem Tagesspiegel am Mittwoch.
Die Pubertierenden, für die ihre „Peers“ so wichtig seien, säßen seit dem 15. Dezember zu Hause – das seien fast vier Monate ohne persönlichen Kontakt. Die Sekundarschulleiter-Vereinigung riet bereits davon ab, diese Jahrgangsstufen vollständig im „schulisch angeleiteten Lernen zu Hause“ (saLzH) zu lassen.
Ursprünglich war in Berlin seit drei Wochen geplant gewesen, alle Schüler:innen nach den Osterferien in geteilten Gruppen – zum „Wechselunterricht“ – in die Schulen zu holen. Das hatte auch Brandenburg zunächst vor. Die hohen Infektionszahlen und der Astrazeneca-Impfstopp für unter 60-Jährige haben haben die Ausgangslage allerdings verändert.
Daher gilt es als möglich, dass Berlin Brandenburg folgt und nur die Grundschüler zurück in die Schulen holt. Denn das Grundschulpersonal wurde beim Impfen priorisiert, sodass sehr viele Beschäftigte bereits eine Impfung erhalten haben könnten. Diese so genannte Prioritätsstufe 2 gilt auch für das Personal an Förder- und Gemeinschaftsschulen.
Wut auf die Kommunikation der Bildungsverwaltung
An den weiterführenden Schulen hingegen herrscht noch immer Enttäuschung über die entgangene Impfmöglichkeit. Dies belegen zahlreiche Wortmeldungen aus Kollegien, die dem Tagesspiegel vorliegen. Zur Sorge um die eigene Gesundheit und die der Angehörigen kommt die Wut über die Kommunikation der Bildungsverwaltung: Die hatte den Berufsschulen, Gymnasien und Sekundarschulen zunächst – am 23. März – mitgeteilt, dass ihr Personal ab sofort Termine für jeden Impfstoff machen könne. Drei Tage später erfolgte die Einschränkung auf Astrazeneca, so dass der Impfstopp für die unter 60-Jährigen rund 30 000 Beschäftigte von einem Moment zum anderen ihrer einzigen Chance auf eine rasche Immunisierung beraubte.
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Vor diesem Hintergrund und angesichts der damit einhergehenden Verunsicherung stellte der GEW-Vorsitzende Tom Erdmann am Mittwoch die Forderung auf, dass Präsenzangebote nur von geimpften Lehrkräften zu machen seien, „die ein Impfangebot wahrnehmen konnten und einen ausreichenden Immunschutz haben“.
Überhaupt brauchten „alle Beschäftigten in Kitas und Schulen, die Kontakt zu Kindern und Jugendlichen haben, ein schnellstmögliches Impfangebot, damit die Kitas und Schulen sicher geöffnet werden können“. Da inzwischen auch Berliner der „Prioritätsstufe 3“ die ersten Impfeinladungen erhalten haben, fehle den Kolleg:innen an weiterführenden Schulen „jedes Verständnis für die ersatzlose Streichung ihrer vereinbarten Termine“, berichtete Erdmann.
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Der Senat müsse sich auch auf Bundesebene dafür einsetzen, dass ihnen nach dem Vorbild Brandenburgs Impfungen angeboten werden. Lediglich Schüler:innen mit spezifischem Unterstützungsbedarf oder Schwierigkeiten mit dem Distanzlernen sollten Präsenzangebote zum Lernen erhalten, fordert die GEW.
Erst unterhalb der Inzidenz von 100 könne es zu einer Rückkehr zum Wechselmodell kommen. Zusätzlich könne es „kreative Unterrichtsformen oder pädagogische Angebote für alle Schüler:innen in kleinen Gruppen geben wie etwa Ausflüge, die den sozialen Aspekt und das psychosoziale Wohlbefinden in den Vordergrund stellten.
Zu wenige Tests an Schüler:innen verteilt
Was gegen eine rasche Öffnung der Schulen spricht, ist für viele Schulen auch die ungenügende Versorgung mit Tests: Sie seien noch nicht an die Schüler:innen verteilt worden, weil sie erst zu Beginn der Ferien an den Schulen angekommen seien, geben Schulleitungen zu bedenken.
Allerdings erinnerte Landeselternsprecher Norman Heise am Mittwoch daran, dass die Schulen durch die Bildungsverwaltung aufgefordert worden seien, eine Abholung der Testkits in den Ferien zu ermöglichen: „Wer will, der findet Wege, und wer nicht will, der findet Gründe“, kritisierte Heise die ausgebliebene Verteilung der Test durch Schulen. Die Frage, ob es ein gemeinsames Statement des Landeselternausschusses zur Schulöffnung gebe, verneinte Heise: Die Elternschaft sei „gespalten“ – insbesondere, was die Jahrgänge 7 bis 9 angehe.
In einer früheren Fassung dieses Artikels stand fälschlich, dass es jetzt für den na-von-minden-Coronatest, der massenhaft an die Schulen geliefert worden war, eine Zulassung als Selbsttests gebe. Das stimmt nicht. Eine Zulassung gibt es nur für das Produkt "nadal" von nal von Minden, nicht aber für das an die Schulen gelieferte Dedicio" von nal von Minden. "Dedicio" kann aber weiterhin als Schnelltest genutzt werden. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.