Marode Schulen in Berlin: Turnhallen gesperrt - aber nicht wegen Flüchtlingen
In Berlin müssen viele Schulen beim Sportunterricht ohne eigene Halle auskommen. Grund ist meistens der Sanierungsbedarf.
Rund drei Dutzend Berliner Schulen müssen kräftig improvisieren, damit möglichst wenig Sportunterricht ausfällt: Sie lassen ihre Schüler zu anderen Turnhallen pendeln, weichen auf Sportplätze aus oder rücken zusammen. Der Grund für den Platzmangel ist allerdings in den meisten Fällen nicht die Unterbringung von Flüchtlingen, sondern der Sanierungsstau. Dies ergab eine Tagesspiegel-Umfrage in den Bezirken.
„Bei uns ist keine Halle wegen Flüchtlingen gesperrt“, lautet die Auskunft in Tempelhof-Schöneberg. Falls das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) aber Platz benötigt, hat der Bezirk vier Standorte benannt, darunter die Halle des Luise-Henriette-Gymnasiums, die zurzeit wegen eines fehlerhaften Fußbodens ohnehin nicht für den Sport nutzbar ist. „Wir unterstützen es, dass dort Flüchtlinge untergebracht werden: Alles ist besser, als dass sie bei der Kälte draußen oder in Zelten untergebracht sind“, betonte Schulleiterin Gerlind Fischer. Ähnlich entspannt klingt es in der Friedrich- Bergius-Schule: „Wir haben zwei Hallen, kommen aber mit einer aus, wenn wir Jungen und Mädchen zusammen unterrichten“, erläutert Vize-Schulleiterin Andrea Schellenberg. Eine Meldung, wonach die Turnhalle der Neumark-Grundschule zur Verfügung gestellt werden soll, erwies sich als „Ente“, sagt Dieter Marwitz vom Schul- und Sportamt. Vielmehr habe man eine Halle in der Otzenstraße benannt.
Härter sind im Bezirk die Einschränkungen durch marode Hallen: Drei sind gesperrt oder werden saniert, mehrere weitere Hallen sind sanierungsbedürftig, könnten über kurz oder lang also ebenfalls ausfallen.
In Charlottenburg-Wilmersdorf sind alle Hallen für die Schulen nutzbar
In Lichtenberg ist zurzeit keine Halle von Flüchtlingen belegt: Zwei waren zwischenzeitlich vom Lageso genutzt, wurden aber wieder zurückgegeben; weitere stünden nicht zur Debatte. Vier Hallen sind wegen Sanierung geschlossen.
Entspannt ist die Lage in Charlottenburg-Wilmersdorf: Hier stehen allen Schulen ihre Hallen zur Verfügung, berichtet das Schulamt. Weder gebe es Sperrungen wegen Sanierung noch Belegung durch das Lageso. Aus Treptow-Köpenick war am Montag lediglich zu erfahren, dass aktuell in keiner Schulsporthalle Flüchtlinge untergebracht sind.
Zu den Immobilien, die unter Umständen für Geflüchtete genutzt werden könnten, gehören in Steglitz-Zehlendorf die Onkel-Tom-, die Cole- und die Sochos- Sporthalle an, die von Schulen und Vereinen genutzt werden. Es hänge nun „von der Entwicklung ab“, ob diese Hallen tatsächlich abgegeben werden müssen, lautet die Einschätzung von Klaus Sonnenschein aus dem bezirklichen Sportamt.
Zu meiner Schulzeit hätte ich täglich Gott auf Knien gedankt, wenn unsere Turnhallen marode gewesen wäre (wenn ich gläubig gewesen wäre). So musste ich mich all die Jahre durch den Sportunterricht quälen.
schreibt NutzerIn Friedenauer_Kaepsele
Viel relevanter für den Schulsport sind auch in diesem Bezirk bislang die Sperrungen im Zusammenhang mit Sanierungen oder Baufälligkeit. Zu Spitzenzeiten waren es neun Hallen, jetzt seien es noch fünf, was immerhin „händelbar“ sei, sagt Sonnenschein. Betroffen sind die Dunant-, die Ludwig-Bechstein und die Schule am Karpfenteich, deren Halle seit rund sieben Jahren geschlossen sei.
In Pankow fällt viel Sportunterricht ersatzlos aus
Die meisten durch Flüchtlinge belegten Schulsporthallen hat Pankow. Laut Stadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) sind das Primo-Levi-, Heinz- Schliemann- und Käthe-Kollwitz-Gymnasium sowie die Grundschule im Eliashof betroffen: Die Schüler müssen zum Sportunterricht ausweichen. Damit geht es ihnen wie den Schülern der Heinz-Brandt- Schule, die zurzeit keine eigene Halle haben, weil ihre noch im Bau ist. Sie müssen mit der BVG zum Schulsport fahren; viel Sportunterricht fiel ersatzlos aus.
In Neukölln sind vier Schulen davon betroffen, dass in der Jahn-Sporthalle Flüchtlinge untergebracht sind: Das Ernst-Abbe-Gymnasium, die Karl-Weise- Grundschule, die Evangelische Schule Neukölln und die Carl-Legien-Berufsschule. An der Legien-Schule hieß es, dass der Sportunterricht teilweise durch Theoriestunden ersetzt werden müsse.
Für Reinickendorf betont Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU), dass keine der knappen Hallen zur Flüchtlingsunterbringung hergegeben werde: Das zwischenzeitliche Angebot, auf die Halle der Ellef-Ringnes-Schule zu verzichten, wurde zurückgenommen. Allerdings sind einige Hallen im Bezirk wegen Sanierung nicht nutzbar, darunter die der Julius-Leber-Schule.
Turnhallen fürs Lageso - "die allerletzte Notlösung"
In Marzahn-Hellersdorf teilte Bürgermeister Stefan Komoß (SPD) mit, dass „derzeit keine öffentlichen Sportstätten zur Unterbringung von geflüchteten Menschen genutzt werden“. Umso länger ist die Liste der Schulen,deren Hallen wegen Sanierungsbedarfs gesperrt oder abgerissen sind: Davon betroffen sind das Otto-Nagel-Gymnasium, die Ernst-Haeckel-Schule, die Mahlsdorfer-, Franz- Carl-Achard-, Karl-Friedrich-Friesen- sowie die Pusteblume-Grundschule.
In Mitte sind Flüchtlinge in einer Traglufthalle am Poststadion untergebracht: Der dortige Sportplatz steht somit seit über einem Jahr nicht zur Verfügung, was mehrere Schulen und Vereine betrifft. Überdies habe der Bezirk für die Unterbringung von Flüchtlingen Hallen in der Turmstraße 86 und in der Siemensstraße 20 angeboten, berichtet Bildungsstadträtin Sabine Smentek (SPD). Zwei Hallen fehlen zurzeit überdies wegen Sanierung.
In Spandau wurde keine Halle für die Flüchtlinge angeboten, weil der Bezirk schon „mit Abstand die meisten Menschen aufnimmt“, sagte Bildungsstadtrat Gerhard Hanke (CDU). Zwei Hallen seien „wegen nicht erfolgter Sanierung“ gesperrt.
In Friedrichshain-Kreuzberg hieß es, dass zurzeit keine Sporthallen durch Geflüchtete belegt seien. Allerdings gehört die Mariannen-Arena zu den notfalls verfügbaren Immobilien, die der Bezirk dem Lageso genannt hat. In Sachen Turnhallensanierung leidet die Kurt-Schumacher-Grundschule: Ihre Halle ist seit Dezember 2012 nicht nutzbar. Die Schüler pendeln. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) nannte die Belegung von Turnhallen durch das Lageso „nur die allerletzte Notlösung“.
Jeden Tag kommen hunderte Flüchtlinge nach Berlin - wie geht die Stadt damit um? Lesen Sie mehr auf unserer Themenseite.
Außerdem: Viele Berliner Schulen sind in desolatem Zustand - am wenigsten Geld bekommen sie in Friedrichshain-Kreuzberg. Lesen Sie hier mehr: "Ein Armutszeugnis".