Investitionsstau in der Bildung: 20 Sporthallen gesperrt
Kaputte Dächer, marode Toiletten, unbenutzbare Turnhallen – und Kletterpflanzen im Klassenzimmer: Berlins Schulen bröckeln auseinander. Jetzt wird zumindest mal der genaue Sanierungsbedarf ermittelt.
Berlins Statistiker wissen fast alles. Sogar das: Berlins Schulgebäude sind elf Milliarden Euro wert. Aber was würde es kosten, sie richtig instand zu halten? Dazu gibt es keine Statistik, aber zwei interessante Zahlen, die die grüne Haushälterin Stefanie Remlinger jetzt gegenübergestellt hat. Die erste: Rund 80 Millionen Euro gibt das Land den Bezirken für die Unterhaltung der Schulen. Die zweite: 275 Millionen würden gebraucht, wenn man die übliche Gebäudeabschreibung von 2,5 Prozent zugrunde legte.
Was passiert, wenn dieses Missverhältnis jahrzehntelang herrscht, zeigt sich für Remlinger in Form von undichten Dächern und Fenstern, heruntergekommenen Sanitäranlagen – und inzwischen auch immer mehr gesperrten Turnhallen: Rund 20 sind zurzeit für die Schulen nicht nutzbar. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der CDU-Abgeordneten Oliver Friederici und Tim Christopher Zeelen hervor. Demnach müssen die betroffenen Schüler bis zu 20 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, um zumindest in Ausweichhallen am Sportunterricht teilnehmen zu können. Wobei dies wiederum zu Einschränkungen beim Unterricht der Gastgeberschule führen kann.
Aber damit nicht genug: Da nicht immer Ausweichhallen zur Verfügung stehen, muss an mindestens fünf Schulen ein Teil des Sportunterrichts ersatzlos gestrichen werden. Zudem haben zwei Bezirke auf die Frage nach gesperrten Hallen nicht einmal geantwortet. Somit könnten die tatsächlichen Einschränkungen noch größer sein. Noch gar nicht berücksichtigt sind dabei die Hallen, die gerade erst wegen der Flüchtlingsunterbringung beschlagnahmt wurden.
Was die Diskussion über eine Abhilfe erschwert, ist die offene Frage, wie hoch der Sanierungsbedarf überhaupt ist. Denn die im Dezember genannte Zahl von zwei Milliarden Euro ist weder transparent noch belastbar, weil die Bezirke ihre Zahlen völlig unterschiedlich erhoben haben: Einige machten sich die Mühe, allen Bedarf akribisch zu erheben, wobei sie auch die „Anpassungen“ für Inklusion, Brandschutz und Wärmedämmung mitberechneten. Andere Bezirke hingegen haben nur alte oder geschätzte Zahlen geliefert nach dem Motto: „Wir bekommen sowieso nicht das Geld, das wir eigentlich brauchen. Dann kommt es auch nicht auf Genauigkeit an.“
Zwölf Millionen Euro für die Sanierung von Toilettenanlagen
Diese unterschiedliche Seriosität und Herangehensweise bei der Erhebung hat dazu geführt, dass noch immer niemand weiß, wie hoch der Sanierungsbedarf tatsächlich ist. Das aber soll jetzt vorbei sein: Der Senat sieht vor, „Anfang des Jahres 2015 gemeinsam mit den Bezirken einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, nach dem der tatsächliche Sanierungsstau einheitlich ermittelt und transparent dargestellt werden soll“, hat Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) in der Antwort auf die CDU-Abfrage angekündigt.
In den Bezirken hapert es aber nicht nur bei der Sanierung, sondern auch bei den Investitionen. Jahr für Jahr stellen die Abgeordneten fest, dass einige Bezirke nur einen Bruchteil der Millionensummen verbauen, die sie vom Land für die Investitionen überwiesen bekommen. Darauf wies jetzt die grüne Abgeordnete Remlinger hin, die nicht nur Haushälterin, sondern auch bildungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist. So wurden von den 75 Millionen Euro, die die Bezirke 2013 für Investitionen zur Verfügung hatten, nur 35 Millionen Euro in dem Jahr auch investiert. Der Rest ging in die Rücklagen, in die Schuldentilgung oder in die bauliche Unterhaltung. In den Vorjahren war es ähnlich, wie aus einer Aufstellung der Finanzverwaltung hervorgeht, die im Auftrag der Linkspartei erfolgte.
Auch die unzähligen Programme, die vom Bund, von der EU oder vom Land in die Schulen fließen, haben offenbar nicht ausgereicht, um die Unterfinanzierung auszugleichen – zu groß ist der Sanierungsstau, zumal immer neue Aufgaben wie Mittagsversorgung und Ganztagsbetrieb hinzugekommen sind. Die Eltern wollen sich darum nicht mit immer neuen Programmen zufrieden geben – und auch nicht mit den zwölf Millionen, die es jetzt für die Toilettensanierung geben soll.
Klagen aus Steglitz-Zehlendorf
„Das reicht uns einfach nicht“, sagt Ulrike Kipf vom Bezirkselternausschuss Steglitz-Zehlendorf. Sie und die anderen Eltern vom Vorstand wollen eine Diskussion darüber führen, wie die Finanzierung der Schulbauten auf eine zuverlässige Grundlage gestellt werden kann. Wozu dann auch eine auskömmliche Personalausstattung der Hochbauämter gehören würde, sagt Kipf. Denn die wenigen Mitarbeiter, die alle Sparrunden von Sarrazin und Nußbaum überstanden haben, sind offenbar damit überfordert, neben dem Tagesgeschäft auch noch die vielen Sonderprogramme planerisch umzusetzen.
Viele Schulen sind kaputt, viele Eltern empört, viele Lehrer ratlos. Und was macht die Politik? In Steglitz-Zehlendorf wird am Montag diskutiert. Mehr Informationen erhalten Sie unter diesem Tagesspiegel-Link.
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